Autor: gt!nfo
09.12.2022
Die Adventszeit steht gewöhnlich für Besinnlichkeit. In diesem Jahr scheint Advent eher von „adventure“ = Abenteuer zu kommen. Statt Besinnlichkeit wünscht man sich, dass die Menschheit endlich wieder zur Besinnung kommt. Der Krieg macht keine vorweihnachtliche Winterpause, sondern führt zu einem noch härteren Winter für die geplagte Bevölkerung der Ukraine. Junge Menschen im Iran zahlen für ihren Wunsch nach mehr Freiheit den höchsten Preis mit ihrem eigenen Leben. Die iranische Nationalmannschaft verweigert aus Solidarität das Singen der Hymne. Wer deutsche Spieler schon einmal singen gehört hat, würde sich eine ähnliche Aktion wünschen. Stattdessen hält sich unser Team nur beim Foto die Hand vor den Mund. Stiller Protest oder stillschweigendes Hinnehmen, dass die Fifa meint, dass ein Eintreten für Gleichberechtigung und Vielfalt nichts bei ihrer WM in einem Land zu suchen hat, in dem man diese Werte nur vom Hörensagen kennt. Der persönlichkeitsgespaltene Fifa-Präsident Hanni & Nanni-Infantilo fühlt sich während einer Rede wörtlich als „Araber, Katarer, Gastarbeiter, schwul, behindert“ - und das erstaunte Publikum fragt sich, ob er so die Paralympics oder die WM eröffnen will. Durch die „One love“- Binde fühlen sich die Katarer verständlicherweise diskriminiert, da sie nicht eine Liebe, sondern durchschnittlich zwei bis drei Frauen heiraten. Während Neuer seit Jahren deutlich Stellung bezieht, hat der Bayern-Präsident erst jetzt die Menschenrechtsverletzungen erkannt. Laut Hoeneß verstoße die ständige Kritik an den angeblich schlechten Arbeitsbedingungen in Katar, die sich nicht von denen in Bayern unterschieden, gegen das Menschenrecht auf fröhliche Ausrichtung einer Fußball-WM. Zudem sei das Verhalten gegenüber den Gastgebern extrem unhöflich. Zwar sei auch hier der Gast König, aber der Gastgeber Emir. Außerdem schlage man nicht die Hand, die einen nährt, zumal dies in arabischen Staaten zum Abschlagen der Eigenen führen könnte. Anders als in Bayern reagieren in Deutschland viele mit Boykott. Wenn hier einzelne die Spiele nicht schauen, kriegt das in Katar nur leider keiner mit. Effektiver ist da die Aktion in Berlin, wo sich Tausende vor dem Brandenburger Tor treffen, um gemeinsam die Spiele der deutschen Mannschaft nicht zu schauen. Public Notviewing lautet die Devise. Ich habe mich auch für einen Boykott entschieden, nur auf ostwestfälische Art. Ich schaue alle Spiele, aber schlecht gelaunt. Unentschlossene versuchen zumindest die Energieverschwendung in Katar durch Innovationen im Privaten auszugleichen. Viele sind von Verbrenner auf Elektro umgestiegen. So hat sich in den vergangenen Wochen der Anteil von E-Zigaretten verdoppelt. Sinnvoller erscheinen da Projekte zur Aufnahme, der winterbedingt zunehmenden Anzahl von Kriegsflüchtlingen. Eine ehemalige Kaserne der britischen Rheinarmee in Gütersloh soll laut der NRW-Landesregierung künftig als Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge dienen. Kriegsflüchtlinge in einer Kaserne … Wenn diese extrem sinnvolle Umnutzung Schule macht, zieht in verwaiste Schlachthöfe von Clemens Tönnies in Ostwestfalen künftig ein Herzzentrum mit cholesterinarmer Ernährung ein, in leerstehende katholische Pfarrhäuser des Bistums Paderborn der Kinderschutzbund und auf der Bielefelder Alm ein Trainingszentrum von Schalke O4 … Auch da sind Menschen in Not. Klimaaktivisten hätten in Ostwestfalen auch leichteres Spiel. Wer sich hier in Ortschaften wie Westerwiehe oder Avenwedde Sonntagmittag an einem Bus festklebt, legt damit den Nahverkehr des ganzen Tages lahm. Die Klimaerwärmung ist generell dramatisch, hat punktuell aber auch Vorteile. Im November bis zu 25 Grad führt zu weniger Heizkosten und trägt zum Umweltschutz bei. Auch die Durchschnittstemperatur von 19 Grad in öffentlichen Gebäuden hat Vorteile, so braucht man im Theater nicht mehr die Jacke abzugeben und spart den Euro für die Garderobe. Derweil kann Lindner über die Besteuerung von Übergewinnen der Energiebranche mit 33 Prozent sinnieren. Ein monatliches Einkommen in Höhe von 3.300 Euro brutto wird in Deutschland mit 34 Euro besteuert. Was da netto übrig bleibt, führt weder zu Übergewinnen noch zu Übergewicht. Wenn man Winterspeck bräuchte, kann man ihn sich nicht mehr leisten. Wer zu Silvester statt 100 Euro in die Luft zu blasen, bei der Aktion Brot statt Böller mitmacht, wird sich im neuen Jahr noch fragen: „Für 100 Euro Brot? Da kann ich mir bis Ostern die Zähne dran ausbeißen.“ Protest und Krisenmanagement im Advent bleiben abenteuerlich.