Inklusives Wahlrecht:

Autor: gt!nfo

18.06.2024

Kolumne von Anuschka Bayer


Inklusives Wahlrecht: Menschen mit Betreuung dürfen wählen – aber das war nicht immer so …


Bei den gerade stattgefundenen Wahlen (Europawahl und Abstimmung über die Abwahl des Bürgermeisters) waren in Deutschland circa 85.000 Menschen mit Behinderung, die gesetzlich betreut werden, wahlberechtigt.


Seit dem 16. Mai 2019 haben sie dieses uneingeschränkte Wahlrecht, also erst seit fünf Jahren!

Es gab lange Zeit sogenannte Wahlrechtsausschlüsse. Das bedeutet, dass Menschen aus bestimmten Gründen von Wahlen ausgeschlossen wurden. In Deutschland betraf das bis 2019 (entgegen den Vorgaben der UN-BRK) mehr als 85.000 volljährige Menschen mit Behinderung. Die Lebenshilfe setzte sich schon lange dafür ein, dass dieses Unrecht beendet wird. Am 16. Mai 2019 hat der Bundestag die Ausschlüsse von Menschen mit Betreuung in allen Angelegenheiten aus dem Bundeswahlgesetz gestrichen. Seitdem dürfen alle Menschen wählen – und es gilt das inklusive Wahlrecht für alle. Wie sonst könnte der erste Satz des Artikels 3 unseres Grundgesetzes „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ und der dritte Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ verstanden werden?


Seit fünf Jahren sind also 85.000 stimmberechtigte Wähler hinzugekommen – und das ist gut so. Doch einen kleinen Haken hat die Sache noch: Es wird in keiner Partei das Wahlprogramm in einfacher Sprache ausgeführt. Dies würde es den wahlberechtigten Menschen mit Behinderung und ihren Betreuern sehr viel leichter machen, die oft komplexen Inhalte zu verstehen. Diese Barriere zeigt, dass wir zwar rechtlich auf dem richtigen Weg sind, aber in der Praxis noch viel zu tun ist. Wahlprogramme in einfacher Sprache wären ein wichtiger Schritt, um Menschen mit Behinderung eine echte und informierte Wahlteilnahme zu ermöglichen.


Es ist daher an der Zeit, dass alle Parteien ihre Programme in einer für alle verständlichen Form anbieten. Darüber hinaus müssen Wahllokale barrierefrei sein, und es sollte genügend Assistenzangebote geben, damit jeder Wähler seine Stimme abgeben kann. Politische Teilhabe ist ein Grundrecht, und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dieses Recht zu schützen und zu fördern. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, an der Gestaltung unserer Gesellschaft mitzuwirken.



Zur Person


Anuschka Bayer ist Initiatorin des gemeinnützigen Vereins Horses for Heroes und Mutter eines 21-jährigen Sohnes mit Behinderung und einer 26-jährigen Tochter. Sie ist auch mit ihrem Podcast „Hello Heroes“ (zu hören auf allen gängigen Plattformen) on air gegangen. Dort lädt sie Zuhörer ein, sich mit Persönlichkeiten zu verbinden, die den Alltag mit beeinträchtigten Kindern oder Erwachsenen meistern. In dieser Kolumne, die monatlich im gt!nfo und auf der Website Dein Gütersloh den Inklusionsgedanken in den Fokus rückt, gibt sie sehr persönliche Impulse zu diesem Thema.

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