Autor: gt!nfo
Fotos: Kultur Räume / Eckardt Ischebeck
10.05.2023
Im Rahmen der langenachtderkunst bringt das Theater Gütersloh eine Eigenproduktion auf die Bühne. Zum 50. Todestag des Künstlers Albert Paris Gütersloh (APG) entsteht ein Doku-Songspiel, ein Liederabend zu Lyrik von APG. Tobias Schwencke von der Neuköllner Oper komponiert die Musik. Das aufwändige Projekt wird am 20. Mai zweimal auf der Hinterbühne des Theaters gezeigt. Albert Paris Gütersloh wurde als Albert Konrad Kiehtreiber in Wien geboren. Wieso wählt ein Österreicher dann als „neuen“ Nachnamen Gütersloh? Und das noch in Kombination mit „Paris“?
…Schäfer: Eine Legende besagt, er sei in einem Zug auf dem Weg nach Paris in Gütersloh gestrandet, etwa so wie Voltaire in Brackwede. Das ist aber wohl Unsinn. Die glaubwürdigste Geschichte ist die, dass er in seiner österreichischen Heimat auf zwei Gütersloher Sommerfrischlerinnen traf und sich nicht zwischen ihnen entscheiden konnte, woraufhin er sich wie der mythologische Paris inmitten von Göttinnen vorkam. Die Gütersloherinnen spielten im weiteren Verlauf von Güterslohs Leben keine Rolle mehr. Durch sie hat jedoch Gütersloh als Name Einzug in die Kunsthistorie gehalten.
Ist bekannt, wie er nach Gütersloh kam? Er war hier als Schauspieler tätig, heißt es im Wikipedia-Eintrag. Wo übte er seine Tätigkeit aus?
…Schäfer: Das haben wir uns nach der Lektüre auch gefragt und müssen konstatieren: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irrt Wikipedia. Gütersloh war nie in Gütersloh.
Wie wurde APG zum Begründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus?
…Schäfer: Gütersloh war in gewisser Hinsicht ein Universalkünstler. Er war zunächst auch Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner, studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule und war Mitglied der berühmten Künstlervereinigung „Wiener Secession“, der auch Gustav Klimt oder Oskar Kokoschka angehörten. Gütersloh war gleichermaßen angesehener und mit Preisen dekorierter Maler wie Schriftsteller. Mitte der fünfziger Jahre war er Professor, dann auch Rektor an der Akademie der bildenden Künste, Wien und wurde als Lehrender und mit seinen Gemälden, die zwischen Abstraktion, Surrealismus und Realismus pendelten, zu einem Vorreiter jenes „Phantastischen Realismus“.
Was ist der Inhalt des Stückes?
…Schäfer: Das Doku-Songspiel ist in dem Sinn kein Stück, sondern ein Liederabend, der anhand von vertonten Gedichten und unter Verwendung einiger Zitate und Bilder, Güterslohs Leben nachzeichnet. Es kommen auch seine wechselnden politischen Haltungen zur Sprache, inklusive seiner Sympathien für die Nazis nach der Machtergreifung und dem „Anschluss“ Österreichs 1938. Da Gütersloh jedoch eine Aufnahme in die NSDAP aufgrund seiner künstlerischen Erzeugnisse verweigert - und er stattdessen mit Berufsverbot belegt wurde, galt er nach dem Krieg eher als Verfolgter, denn als Verfechter der Ideologie und konnte seine Karriere nahtlos fortsetzen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen aus seiner Geschichte ein Doku-Songspiel zu machen?
…Schäfer: Im Prinzip durch den Titel des letzten Lyrikbandes von AP Gütersloh. Er heißt: „Musik zu einem Lebenslauf“.
Wie sind Sie auf Tobias Schwencke als Komponisten gekommen?
…Schäfer: Tobias Schwencke ist ein sehr profilierter Theaterkomponist und Musiker. Er hat unter anderem die Arrangements der Schubert-Abends mit Charly Hübner und dem Ensemble Resonanz verfasst, den wir kurz vor dem ersten Lockdown in der Reihe „Vier Jahreszeiten“ gezeigt haben. Gleichzeitig habe ich einen sehr eindrücklichen, ebenfalls von ihm arrangierten Abend namens „Wolfskinder“ in der Neuköllner Oper gesehen. Seitdem wollte ich unbedingt einmal mit ihm zusammenarbeiten.
Wie wird der APG-Abend besetzt? Gibt es Live-Musik?
…Schäfer: Es wird tatsächlich ein Konzertabend. Neben Tobias Schwencke am Piano werden die Sopranistin Andrea Chudak, Christoper Scheuer, live-elektronik, Martin Steubner an der Gitarre und Juri Tarasenok am Akkordeon zu erleben sein.
Wird der Abend auch außerhalb der langenachtderkunst auf der Bühne des Theaters stattfinden?
…Schäfer: Der Abend wird vier Tage nach dem 50. Todestag von APG bei der langennachtderkunst herauskommen. Wir haben ihn eigens dafür entwickelt. Er wird nur circa eine halbe Stunde dauern, ist also nicht abendfüllend. Wir wollen ihn aber auch aufzeichnen und werden dann über weitere Verwendungen nachdenken.
Herrn Schwencke, Wie vertonen Sie die Lyrik von APG und was zeichnet sie aus? Gibt es eine bestimmte „Musikrichtung“?
…Schwencke: Nein, es gibt keine bestimmte Musikrichtung, die sich aufdrängen würde beim Lesen der Gedichte. Ich kann aber ein paar Schlagworte nennen, die während der Arbeit wichtig wurden: Österreich, Expressionismus – aber auch Lyrik als intimes persönliches Tagebuch, 20er-,30er-,40er Jahre. Viele Gedichte an Freunde und seine spätere Lebensgefährtin Milena. Gütersloh war Zeuge und Mitgestalter der bewegten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einem für uns heute ungewohntem Blickwinkel. Zum Beispiel schreibt er 1919: „Jetzt kann uns nur noch der Kommunismus retten – und die katholische Kirche!“ Und meinte das völlig ernst.
Theaterleiter Christian Schäfer bringt zur langenachtderkunst einen Liederabend zur Lyrik des Universalkünstlers Albert Paris Gütersloh auf die Bühne des Theaters.
Tobias Schwencke komponiert die Musik für das Doku-Songspiel.