Autor: gt!nfo
04.04.2022
Auch sie wird wieder ein Ereignis sein: die Premiere des neuen Theaterstücks von Joachim Zelter. Der Freiburger ist Autor zahlreicher Romane und Bühnenautor. Sein Theaterstück „Der Prediger“ war ein Auftragswerk des Theaters Gütersloh und wurde hier uraufgeführt. Jetzt ist das „Neue“ gleich an mehreren Abenden zu sehen.
„Frau Kaiser, ich will offen mit Ihnen sein. Ich bin von der Stadt. Ausländeramt. Sonderermittlungsdienst. Hier ist mein Ausweis. Es handelt sich um eine Wohnungsbegehung. Wir dürfen das. Wir müssen es sogar.“ Damit beginnt das Frage-Antwort-Spiel um Julia Kaisers Ehe mit dem pakistanischen Staatsbürger Faizan Muhammad Amir. Woher die beiden sich kennen? Und warum sie hier zusammenwohnen? In einer derart winzigen Wohnung? Kaum groß genug für einen Einzelnen, geschweige denn für eine Ehe zu zweit. Vor allem aber: Ob das überhaupt eine wirkliche Ehe ist? Oder nicht doch eher eine Scheinehe? Und so entfaltet sich ein eindringliches Kammerspiel, ein eskalierendes Verhör, in dem Macht und Ohnmacht immer wieder ihre Plätze tauschen. gt!info hat einige der Akteure zum Stück befragt.
Wie sind Sie auf die Idee zum Stück gekommen?
Joachim Zelter – Autor, Tübingen
„Nicht ich bin zu dem Stück, sondern das Thema ist zu mir gekommen. Vor Jahren lernte meine Schwester den Asylbewerber Bilal aus Pakistan kennen. Die beiden wurden ein Paar und sind es bis heute. Dabei erlebten sie die End- und Aussichtslosigkeit eines Asylverfahrens in Deutschland. Irgendwann war klar, dass Bilal nur dann in unserem Land bleiben konnte, wenn meine Schwester ihn heiraten würde. Doch auch das bewahrte meinen Schwager nicht davor, dass er eines Nachts ohne jede Vorwarnung von der Polizei abgeholt und (trotz Ehe) in sein Herkunftsland abgeschoben wurde. Ich hätte nicht gewagt, über ein solches Thema zu schreiben, wenn ich es nicht über Jahre aus nächster Nähe erlebt hätte.“
Foto: Yvonne Beradi
Was zeichnet das Stück für Sie aus?
Ramin Anaraki – Regisseur, München
„Es stellt psychologisch und sprachlich präzise die Ohnmacht dar, in die Menschen geraten, die um das Bleiberecht ihrer Liebsten kämpfen. Außerdem verhandelt es geschickt die Frage, was bedeutet eigentlich die Ehe und wieso darf sich der Staat in private Angelegenheiten einmischen, sie normieren und beurteilen?“
Foto: Federico Pedrotti
Was war Ihnen bei der Bühnenumsetzung wichtig?
Tatjana Kautsch – Bühnen- und Kostümbildnerin, Berlin
„Es ging mir darum, ein unmissverständliches Zeichen für den Eingriff in die Privatsphäre zu finden. In welchem Bereich unseres Lebens fühlen wir uns sicher und wohl?“
Foto: Dominik Steinmann
Sie spielen Julia Kaiser. Ist es Ihnen leichtgefallen, sich in sie hineinzuversetzen?
Christine Diensberg – Schauspielerin, Gütersloh
„Absolut, bereits beim ersten Lesen. Die Dreistigkeit und Anmaßung mit der ihr Leben zerpflückt wird. Das Mistrauen, die Distanzlosigkeit der Vorgehensweise, die Beleidigungen und Drangsalierungen, denen sie ausgesetzt ist – man kann gar nicht anders, als sich augenblicklich in sie hineinzuversetzen.“
Foto: Daniel Völker
Sie spielen Herrn Zöllner von der Ausländerbehörde. Können Sie seine Herangehensweise nachvollziehen?
Björn Jung – Schauspieler, Dortmund
„Aus Zöllners Sicht ist die Herangehensweise nachvollziehbar. Er beharrt auf das Recht und rechtfertigt damit sein tun und handeln als Diener des Staates. Das Recht stößt aber an Grenzen, wenn es um menschliche Beziehungen geht und damit stößt auch Zöllner an seine eigenen Grenzen. Für mich als Schauspieler absolut spannend diese Figur zu spielen.“
Foto: Achim Hehn
Was erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer?
Christian Schäfer – Dramaturg, Gütersloh
„Eins spannendes und brillant geschriebenes Kammerspiel, in dem es um Identität, Wahrheit und Werte geht.“
Foto: Kai Uwe Oesterhelweg
INFO
Kalt – Schauspiel von Joachim Zelter
Regie: Ramin Anaraki, Bühne und Kostüme: Tatjana Kautsch, Dramaturgie: Christian Schäfer
Es spielen Christine Diensberg und Björn Jung
Samstag, 23. April (Premiere)
Sonntag, 24. April
Samstag, 7. Mai
Donnerstag, 12. Mai
Freitag, 13. Mai 2022
jeweils 19.30 Uhr, Studiobühne, Theater Gütersloh