
Autor: Heiner Wichelmann
Fotos: Wolfgang Sauer
16.03.2025
Kassandra
Sie nennen sich Sandra und Kassandra und sind der Motor der Gütersloher Omas gegen Rechts, die zuletzt im Bundestagswahlkampf die örtlichen Proteste, Demonstrationen und Aufklärungsaktionen gegen den wachsenden Rechtsradikalismus in und um die AfD regelmäßig begleiteten und mitorganisierten. Die Omas gegen Rechts sind im politischen Spektrum unserer Stadt ein Faktor geworden. Der Zulauf ist beachtlich, weil viele OMAS, aber auch Opas, besorgt sind über zunehmende fremden- und demokratiefeindliche Tendenzen in unserer Gesellschaft. gt!nfo sprach mit den beiden Aktivistinnen über ihr politisches Projekt.
Interview: Heiner Wichelmann
Sandra und Kassandra sind nicht Ihre echten Vornamen, warum nennen Sie sich so?
Kassandra: Aus Selbstschutz. Es sind nicht unsere richtigen Vornamen und wir nennen auch unsere Familiennamen nicht, weil wir wirklich täglich am OMA-Telefon beschimpft und bedroht werden. Gestern noch brüllte einer ins Telefon: „Du Drecksau, ich will mein Steuergeld zurück!“ Er spielte damit offensichtlich auf diesen äußerst fragwürdigen NGO-Fragenkatalog der CDU an. Er nannte mich dann nochmal „Drecksschlampe“ und wollte „sofort wissen“, wie ich heiße. Anrufe dieser Qualität gibt es wirklich jeden Tag. Neulich meldete sich einer, der nach wüsten Beschimpfungen „vorbeikommen“ und uns „abschlachten“ wollte.
Sandra: Ich arbeite beruflich als Medieninformatikern und dort natürlich mit meinem bürgerlichen Namen. Kassandra und ich trennen unsere privaten und beruflichen Namen konsequent. Auf meinen richtigen Namen reagiere ich eigentlich kaum noch.
Zum Kennenlernen: Können Sie uns kurz erzählen, woher Sie kommen und was Sie vorher gemacht haben?
Sandra: Ich bin ein Fischkopp, komme aus Hamburg, habe in Kiel Politologie studiert und war dort auch Studentenparlamentspräsidentin. Einer Partei habe ich nie zugehört, bin aber seit den 90ern am Thema Rechtsradikalismus dran. Nach dem Studium bin ich zunächst in Hamburg geblieben, habe mich weiter mit Informatik beschäftigt und war in der Frauenpolitik aktiv. Vor 20 Jahren wechselte ich dann beruflich nach OWL.
Kassandra: Seitdem sind wir eng befreundet, was für unser Engagement für Omas gegen Rechts natürlich sehr förderlich ist. Ich bin seit früher Jugend Gütersloherin. Mit meinem Mann hatte ich zusammen eine Firma aufgebaut. Ich engagiere mich online schon seit 15 Jahren gegen den Rechtsruck, unter anderem als Admina für „Hand in Hand zur Menschlichkeit“ und „Keine Frage - Wir sind mehr“. Daher sprachen mich dann irgendwann die OMAS an und wir gründeten die Gruppe OWL.
Sandra: Die Omas gegen Rechts haben sich 2017 in Deutschland formiert, kurz danach sind wir auch dazu gestoßen. Wir kennen uns alle sehr gut, natürlich auch die Urgründerin Frau Salzer in Österreich, und wir sind eng vernetzt. Unsere Verbindungen gehen vor allem in Richtung Norddeutschland, wo wir bei Omas gegen Rechts Nord mitarbeiten. Es gibt, wie gesagt, mehrere Strömungen der OMAS in Deutschland. In der Regel arbeiten alle ganz frei und bewusst dezentral. Jede Gruppe macht vor Ort das, was für sie wichtig ist – verbindlich für alle sind allerdings die gemeinsamen Grundsätze.
Wo würden Sie sich ideologisch einordnen? Wofür stehen die OMAS GEGEN RECHTS?
Kassandra: Wir OMAS definieren uns über die erwähnten Grundsätze, die man auf unserer Website nachlesen kann: Wir setzen uns ein für eine demokratische, rechtsstaatlich organisierte, freie Gesellschaft. Wir sind gegen faschistische Tendenzen, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung von behinderten und alten Menschen, gegen Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Sozialabbau und wir wollen diesbezügliche Missstände in Politik und Gesellschaft mit geeigneten Methoden öffentlich machen.
Welche Erfahrungen können Sie als aktuelle Sprecherinnen der Omas hier in Gütersloh einbringen?
Sandra: Viel Wissen und Freundschaften aus dem bundesweiten OMA-Netzwerk, technische Fähigkeiten und ein gewisses Kommunikationstalent. Wir kennen wahnsinnig viele Gruppen und Strukturen und haben schon mehr als 100 Gruppen aktiv begleitet. Wir können helfen, wenn es um Themen wie Website, Druckerei, Visitenkarte, Einladungen, Infostände und so weiter geht, weil wir die Probleme alle kennen. Wir OMAS GEGEN RECHTS Gütersloh gehören übrigens bereits jetzt schon zu den größten OMA-Gruppen auf Kreisebene. Damit haben wir echt nicht gerechnet.
Warum sind Sie nicht in einer Partei, sondern aktivieren sich bei den Omas?
Sandra: Weil das eben keine Partei ist! Bei uns gibt es auch keine parteigesteuerten Einflussnahmen. Auch keine Sponsoren. Mitgliedschaften interessieren uns gar nicht, meistens wissen wir nicht, ob jemand in einer Partei ist oder nicht. Bei uns ist jede OMA willkommen. Und natürlich gibt es auch konservative Menschen bei uns.
Konservativ im Sinne der CDU? Wie ist Ihr Verhältnis zur Partei?
Kassandra: Das Verhältnis ist so neutral wie zu den anderen Parteien auch. Wir agieren und reagieren immer themenbezogen, es geht um Inhalte. Irgendeine Partei als solche spielt dabei keine Rolle. Das ist auch gut so, wenn man einem Thema nicht mit einer ideologischen Voreinstellung entgegentritt. So haben wir ein viel breiteres Meinungsspektrum.
Seit wann gibt es eigentlich die Omas gegen Rechts in Gütersloh?
Sandra: Wir haben uns erst vor wenigen Wochen gegründet, das war am 11. Januar! Davor gab es seit ein paar Jahren nur die Omas gegen Rechts auf OWL-Ebene. Wir hatten zum Vorstellen und Kennenlernen in die Stadtbibliothek eingeladen und maximal 30 Personen erwartet. Und dann waren plötzlich 150 da, eine Woche später im Spexarder Bauernhaus sogar noch mehr, mit dem Ergebnis, dass wir jetzt über 200 Kontakte im Verteiler haben. Da sind so phantastische Menschen dabei, mit soviel Fachwissen von Juristinnen bis zur Hausfrau! Auch kulturell ist das Bild sehr bunt. Eine Herzenssache bei uns. Wenn wir für geplante Aktivitäten Rundmails versenden, lauten die Antworten oft nur: wann und wo? Das geht alles ganz schnell. Seitdem haben wir gemeinsam bereits eine eigene Demo organisiert, bespielten drei Infostände, sind im Bündnis gegen Rechts aktiv und anderes mehr.
Müsste Omas gegen Rechts nicht eigentlich „Omas gegen Rechtsradikal“ heißen?
Sandra: Die Frage ist berechtigt. Aber Omas gegen Rechts ist nun mal etabliert und alle wissen, was damit gemeint ist: Wir grenzen uns ja nicht dort ab, wo es im politischen Spektrum einfach nur konservativ wird, sondern da, wo der Boden von Grundgesetz und Verfassung verlassen wird. Das ist bei den Rechtsradikalen der Fall. Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist daher für uns ausgeschlossen.
Wie geht es in Gütersloh weiter mit den Omas gegen Rechts? Was planen Sie?
Kassandra: Darüber haben wir schon gleich im Spexarder Bauernhaus gesprochen, wo es schnell konkret wurde: Angedacht sind regelmäßige Infostände, Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen wie Lokalpolitik, Jugend- und Erwachsenenbildung, Kultur und Ausstellungen und eine Kooperation mit dem Bambi-Kino. Sandra soll Vorträge über Rechtsextremismus, rechte Sprache und Argumentation gegen Rechts halten. Wir wollen Kontakte zu den Buchhandlungen im Kreis Gütersloh aufbauen und auch zum Beispiel Autorinnen und Autoren einladen wie Arne Semsrott, Andreas Kemper, Andrea Röpke, Natascha Ströbel, vielleicht sogar die OMAS-Gründerin Monika Salzer und andere mehr. Sandra: Allerdings haben wir ein Problem: Uns fehlen Räume. Zum einen für größere Treffen und Veranstaltungen, aber auch für kleine Runden, bei denen wir mit Menschen sprechen möchten, die die AfD gewählt haben, um die Beweggründe zu erfahren und zu diskutieren – sofern das zivilisiert möglich und beiderseits offen gewollt ist. Und es muss auch nicht immer hochintellektuell sein. Bodenarbeit leisten, darum geht es. Auch in Rietberg, Harsewinkel oder Ummeln. In kleineren Gruppen den Austausch miteinander zu haben, ist ganz wichtig.
Und Männer sind auch willkommen?
Sandra: Natürlich! Sehr sogar. Ein Viertel aller OMAS bei uns sind Männer und sie alle akzeptieren unsere Grundsätze, also auch den Fokus auf Frauenrechte.
Wie positionieren sich die Omas gegen Rechts bei den Themen Ukraine, Aufrüstung oder Israel und Palästina?
Sandra: Antisemitisches ebenso wie antimuslimisches Verhalten, Gewalt und Extremismus in jeder Form werden von uns eindeutig abgelehnt. Manche Themen werden aber auch ausgeklammert, weil sie zu emotional besetzt sind. Wir können (und wollen) nicht jedes Feld „bespielen“. Omas gegen Rechts bleiben im Wesentlichen bei ihren Kernthemen, das heißt dem konsequenten Eintreten gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, Teilhabe, Asylrecht, Minderheitenschutz und Frauenrechte.