Autor: gt!nfo
Fotos: Susanne Zimmermann
10.09.2023
Area 61: Kommt gut an: Das „Area 61“ - Freizeit-Areal am Westring haben Jugendliche mitgeplant. Fazit mit (Selbst-)Kritik: Die Bereitschaft mitzumachen war eher gering, die Idee einer Skateranlage wurde gleich „abgeblockt“.
Das Thema ist ein Dauerbrenner – Gütersloh und sein Angebot für Jugendliche. Daumen hoch oder Daumen runter fürs jugendtaugliche Gütersloh? Anna Unger (13), Alman Dakhel Kajo (15) und Benno Schulz (17) geben im gt!nfo-Gespräch aus ihrer ganz persönlichen Sicht Auskunft.
Interview und Fotos: Susanne Zimmermann
Ältere erinnern sich an heftige Diskussionen um eine Großdisco, an den Wasserturm, der eine kurze Blütephase als Jugendzentrum hatte und an einen führenden Bertelsmann-Manager, der die Diskussion mit seiner Aussage Gütersloh sei eine „Schlafstadt mit Gleisanschluss“ befeuerte. Die Frage, ob Gütersloh jung genug ist für seinen Nachwuchs zwischen 14 und 18 hat gerade wieder neue Dynamik bekommen durch eine polizeiliche Verwarnung an Jugendliche, die es sich abends auf einem Kinderspielplatz gemütlich gemacht hatten.
Jemand in eurem Alter kommt neu nach Gütersloh. Was würdet ihr empfehlen, um Leute kennenzulernen?
Anna: Ich würde ihm das Jugendmusikkorps Avenwedde empfehlen. Das habe ich selbst kennengelernt, als ich acht war, und ich kenne einige, die sich das angeguckt haben und geblieben sind. Da lernt man sehr schnell eine Menge Leute kennen.
Alman: Das Jugendzentrum Bauteil 5 könnte ein Anlaufpunkt sein. Da arbeiten sehr nette und sympathische Menschen – und man lernt sehr verschiedene Leute kennen.
Benno: Ich würde raten, sich Sportvereine anzusehen. Es gibt in Gütersloh eine große Vereinskultur. Da kann man sehr gut Freundschaften knüpfen.
Anna: Über Vereine läuft schon viel. Damit meine ich auch die Freizeit außerhalb des Vereins. Man fährt gemeinsam irgendwohin oder verbringt einen Tag zusammen.
Benno: Dem würde ich zustimmen. Auch Schützenfeste zum Beispiel werden ja von Vereinen organisiert, auch wenn da jeder hinkommen kann.
Sind Schützenfeste für eure Altersklasse interessant? (etwas erstaunt)
Alle: (wie aus einem Mund) Auf jeden Fall!
Warum?
Benno: Ist erschwinglich!
Anna: Ist ein Mega-Treffpunkt im Stadtteil. Da kennt man wirklich alle Leute. Die Musik passt, man ist mit Freunden zusammen und kann super feiern.
Alman: Und das schönste sind die Geschichten am nächsten Tag, da hat man sich immer was zu erzählen.
Und sonst so – außer Schützenfest und Verein?
Benno: In meiner Altersgruppe sind Kultur- und Musikveranstaltungen ein Treffpunkt: Wapelbeats, Weberei, DJs in Town – aber das findet halt nur einmal oder ein paar Mal im Jahr statt. Wapelbeats zum Beispiel könnte öfters sein.
Anna: Zum Chillen treffe ich mich mit Freunden in Gütersloh, oder wir fahren nach Bielefeld.
Was ist besser in Bielefeld als in Gütersloh?
Anna: Der New Yorker.
Also shoppen?
Alman: Genau. Man hat da eine größere Auswahl und trifft Leute aus verschiedenen Städten. Zum Beispiel im Loom. Da gibt es immer wieder neue Stände – mit interessanten Essens- oder Klamottenangeboten.
Anna: Man trifft immer Leute in Bielefeld. Auch immer welche aus Gütersloh.
Benno: Das ist witzig. Bei mir ist das genau andersherum. Ich bin nur noch ab und zu in Bielefeld. Aber das ist vielleicht eine Altersfrage. Mit 14 war ich auch öfters da.
Alman: Mit dem Schülerticket kommt man ja auch gratis nach Bielefeld.
Für euch ist das Schülerticket also ein echter Gewinn?
Anna und Alman: Auf jeden Fall.
Um aus Gütersloh wegzukommen?
Anna: Und sich auch innerhalb von Gütersloh zu bewegen.
Alman: Im Prinzip könnte man damit auch bis nach Dortmund oder – gegen kleinen Aufpreis – auch bis nach Holland fahren.
Ist Gütersloh langweilig?
Alman: Würde ich so nicht sagen. Man muss nur rausgehen und Leute kennenlernen wollen. Mit Rad und Bus ist eigentlich alles zu erreichen. Das läuft, nach 20 Uhr mit Sammeltaxi oder Shuttle. Das funktioniert.
Anna: Man muss unterschiedliche Freundesgruppen haben. Dann ist Gütersloh nicht langweilig.
Benno: Gütersloh ist keine Stadt, in der man nichts machen kann. Aber es gibt Ausbaubedarf.
Was fehlt?
Benno: Kulturelle Angebote altern dadurch, dass die Veranstalter älter werden. Und mit ihnen dann auch die Zielgruppe. Freitag18 zum Beispiel ist ein gutes Konzept, an sich sehr cool, aber die Bands haben meine Altersgruppe nicht so angesprochen. Ich denke, mehr Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt wäre nötig, sonst sind die Angebote am Ende auch weg.
Anna: Ich denke, es fehlt ein Treffpunkt, an dem Jugendliche einfach so zusammenkommen können. Sowas wie ein Café.
Alman: Ein Treffpunkt im Zentrum wäre gut. Etwas Neues. Als Jugendparlament haben wir ja für das Karstadt-Gebäude ein Ideenpapier eingereicht – ein Zentrum für alle, auch für Jugendliche. Mit Pop-Up-Stores, Technik-Räumen oder einem Tonstudio zum Mieten.
Benno: Mit Co-Learning-Space und Gastronomie …
Alman: Und auf dem Dach als Highlight eine Fläche für Sport und Chillen.
Anna: Mein Vater hat mir erzählt, dass es das mal in Bielefeld gab – eine Eisbahn auf dem Karstadt-Parkhaus.
Benno: In der nächsten JUPA-Sitzung werden wir uns mit dem Thema noch einmal beschäftigen – auch wenn das Gebäude aktuell nicht zur Verfügung steht.
Was könnt ihr selbst tun, um das Angebot für eure Zielgruppe zu verbreitern?
Benno: Sich engagieren.
Alman: Genau. Sich zusammentun, um gemeinsam was zu erreichen. Einzeln ist das schwierig, wenn jeder irgendwas anderes will.
Anna: Ich denke, das Jugendparlament (JUPA) ist dafür schon gut.
Alman: Ja, auf jeden Fall. Das sind mit Stellvertretungen 58 Mitglieder. Aber es ist auch so: In den ersten drei Sitzungen sind alle da. Dann bröckelt das und regelmäßig machen so 20 mit. Da sieht man, wer wirklich bereit ist sich zu engagieren.
Die Stimme des JUPA wird aber wahrgenommen. Zum Beispiel bei der Planung der Area 61, dem neuen Spiel- und Sportareal am Westring.
Benno: Ja, das ist richtig, und ich finde das Ergebnis auch gut. (Selbst-)Kritisch ist aber auch zu sagen, dass die Beteiligung unserer Altersgruppe eher gering war. Da wird dann meistens das Zeitargument ins Feld geführt. Und die Skater, die sich engagiert haben, weil sie eine Anlage in der Stadt wollen, sind gleich mit dem Lärmschutz-Argument abgeblockt worden.
Alman: Lärmschutz – das ist an dieser Stelle, wo die B 61 nebenan ist, doch absurd.
Was wünscht ihr euch von den politischen Entscheidern und Entscheiderinnen?
Alman: (spontan) Mehr umsetzen – aber das ist nicht immer so einfach.
Anna: Mehr zuhören und auf uns achten. Manchmal werden in der Schule ja auch Umfragen gemacht, und dann hört man nichts mehr davon.
Benno: Mehr Flexibilität. Damit meine ich, dass man flexibler auf Themen zugeht und eine andere Sichtweise, die Perspektive unserer Altersgruppe mitdenkt. Der Altersdurchschnitt im Rat ist ja eher höher.
Alman: Aber auch wir Jugendlichen müssen lauter werden - nicht nur im JUPA. Wir müssen uns schon einsetzen und können nicht erwarten, dass alles mit einem Fingerschnipp läuft.
Bürgermeister Morkes hat die Angebote für Jugendliche in seinem Wahlkampf stark betont. Hat sich seitdem etwas verändert?
Benno: Eher noch nicht.
Anna: In Gesprächen hat er mir erzählt, was er alles vorhat. Einiges hat schon funktioniert, aber es gibt definitiv noch Luft nach oben.
Alman: Aber immerhin ist Herr Matthes (der Dezernent für Jugend) in jeder JUPA-Sitzung dabei.
Euer Fazit: Daumen hoch oder runter für ein jugendtaugliches Gütersloh?
Drei Daumen gehen spontan in die Waagerechte.
Die drei Gesprächspartner:
Anna Unger, 13 Jahre, wohnt in Avenwedde, geht in die 8. Klasse der Janusz-Korczak-Gesamtschule. Sie reitet und spielt Tuba im Jugendmusikkorps Avenwedde.
Alman Dakhel Kajo, 15 Jahre, wohnt seit einem Jahr in Rheda-Wiedenbrück, geht in die 10. Klasse der Geschwister-Scholl-Realschule Gütersloh und ist Mitglied im Jugendparlament Gütersloh
Benno Schulz, 17 Jahre, hat gerade sein Abitur am Städtischen Gymnasium Gütersloh bestanden und will jetzt zunächst mal ein halbes Jahr per Work-and-Travel durch Europa reisen, bevor er ein Studium beginnt. Er ist seit zwei Amtsperioden Sprecher des Jugendparlaments Gütersloh.