Für eine Stadtgalerie am Dreiecksplatz

Heiner Wichelmann

Autor: Heiner Wichelmann

Fotos: Dr. Michael Zirbel

10.04.2024

Eine Stadtgalerie, die ein zentrales Kunst- und Kreativhaus sein könnte. Ein sensibler Standort direkt am Dreiecksplatz. Ein baulicher Trennriegel zum Theodor-Heuss-Platz: Die Idee von Stadtplaner Dr. Michael Zirbel hatte Ende vergangenen Jahres das Zeug zum medialen Paukenschlag, verschwand aber nach kurzer Zeit wie von Geisterhand in der Versenkung. Allein Karin Davids, die bis 2023 als Kunst- und Französischlehrerin am Ev. Stift. Gymnasium arbeitete und Sprecherin des Gütersloher Künstlerkreises ist, bemängelte in einem Leserbrief in der Lokalpresse das Ausbleiben einer Diskussion im politischen Raum. gt!nfo lud die beiden zu einem Stadtgespräch über Hintergründe, Chancen und Perspektiven der Stadtgalerie-Idee. 

 

Interview: Heiner Wichelmann 

 

Herr Dr. Zirbel, Sie arbeiteten von 2000 bis 2019 als Leiter des Fachbereichs Stadtplanung Gütersloh und sind auch im Ruhestand noch aktiv, unter anderem als Vorsitzender des Forums Baukultur OWL. Ende vergangenen Jahres haben Sie zusammen mit dem Gütersloher Büro Heitmann Architekten eine stadtplanerische Idee am Dreiecksplatz vorgestellt, die auf wenig Gegenliebe stieß. Uns scheint, dass Ihr Vorschlag einer sogenannten Stadtgalerie auf historischem Boden entlang der Feldstraße aber auch nicht richtig verstanden wurde. Wie kam es eigentlich zu der Idee? 

  

Zirbel: Die entstand im Rahmen meiner Arbeit im Forum Baukultur OWL, wo jedes Mitglied – das sind zumeist Stadtplaner oder Landschaftsplaner und viele weitere Interessierte – Vorschläge machen kann, die regional und lokal umsetzbar wären. Meine Idee war: Warum nicht mal den Gedanken einer Stadtgalerie in Gütersloh verfolgen? Wir diskutierten darüber und alle waren gleich einverstanden. Wir haben für solche Projekte kein Budget, bei mir war es ein persönliches Anliegen als Bürger. Mit dem Gütersloher Architekten Raimund Heitmann fand ich dann ein Büro, das diese Idee planerisch konkretisierte und visualisierte. Einen Tag vor dem Pressegespräch stellten wir unseren Vorschlag dem Heimatverein vor und sprachen über die Hintergründe und die Geschichte des vorgeschlagenen Standorts. 


 

Da stand früher das Haus der jüdischen Familie Meinberg, das am Morgen des 10. November 1938 im Rahmen der Pogrome vom 9. November von Gütersloher Nazis niedergebrannt wurde. Ein Stolperstein erinnert heute an das traurige Schicksal dieser Familie. Warum wählten Sie für Ihre Stadtgalerie genau diesen Standort? 

 

Zirbel: Weil er mir und uns in mehrfacher Hinsicht ideal erscheint – aus dem von Ihnen erwähnten historischen Grund und aus stadtplanerischer und kultureller Hinsicht. Es wäre ein Stück Vervollständigung mal liegengebliebener stadtstruktureller Entwicklung. Dann war da der Gedanke, dass das Heimatmuseum ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Als Stadtplaner hat mich zudem der Theodor-Heuss-Platz immer beschäftigt, der in seiner jetzigen Verfassung nicht so richtig nutzbar ist.  

 

Warum haben Sie das Thema nicht in Ihrer aktiven Zeit im Rathaus angepackt? 

 

Zirbel: Die Idee, ein Stück Stadtreparatur als Ehrung der ursprünglichen städtebaulichen Situation an dieser Stelle zu betreiben, war schlichtweg nicht da. Es ist aber offensichtlich, dass eine Bebauung die Aufenthaltsqualität im gesamten Areal verbessern würde. Eine Stadtgalerie – wir nennen es so, weil ein inhaltliches Konzept letztlich von der Politik und der Stadtgesellschaft entwickelt werden müsste – halte ich auf jeden Fall für eine Auffrischung, für eine Verbesserung der jetzigen Situation. Das Thema ist es wert, im breiteren Rahmen und ergebnisoffen diskutiert zu werden.  

 

Die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz und auch der Heimatverein sprachen sich sehr schnell und recht rigoros gegen eine Bebauung der Lücke zwischen dem Fachwerkhaus Knufinke/Rüterbories und der Gaststätte ZEITgemäß aus. Auch die Lokalzeitungen blieben zurückhaltend. Sie, Frau Davids, äußerten sich dagegen enttäuscht darüber, dass der Vorschlag damit quasi gleich vom Tisch gewischt wurde. Sehen Sie an diesem Standort eine Chance für ein Haus der Künste, das sich die Gütersloher Künstlergruppe seit Jahren vergeblich wünscht? 

 


Davids: Ja, wir haben das schon vor sechs Jahren gefordert und es wurde auch von den Parteien aufgegriffen: ein Kunsthaus oder Haus der Künste. Bis heute sind wir da nicht weitergekommen. Ich weiß von vielen, vielen Künstlerinnen und Künstlern in Gütersloh und Umgebung, wie sehr sie die Idee von musealen und aktuellen Wechselausstellungen sowie Workshop-Angeboten für Jung und Alt, für die ganze bunte Stadtgesellschaft, wünschen. Zwar hat die Stadt einiges in Gang gebracht, zuletzt zum Beispiel die Ausstellung „Baustelle Kunst“ in der Stadthalle, aber wir möchten, dass Kunst im Zusammenhang mit anderen Formen der Kultur wirklich ernst genommen wird in Gütersloh und eine feste Adresse bekommt. Ein Gebäude wie die Stadtgalerie am Dreiecksplatz würde mit dem künstlerischen Tun in seinen Atelierräumen und auch dem Erwerb von künstlerischen Arbeiten unsere Kunstszene enorm stärken, sie hätte auch positive Auswirkungen auf andere Kunstorte in Gütersloh und wäre keine Konkurrenz zu ihnen. Beispiele im Ruhrgebiet und den Niederlanden zeigen, wie man Stadtgesellschaft und ihre Diversität integrieren kann, wenn sie niederschwellig und gleichzeitig würdig präsentiert werden. Wie schön wäre es, wenn wir Werke unserer bekannten Künstler wie Woldemar Winkler, Paul Westerfrölke, Arnold Busch, Irene Müller, Gisela Schuto und andere hier in Dauerpräsenz zeigen und sie damit in das kollektive Bewusstsein und Gedächtnis der Gütersloher verankern könnten!  

 

Gütersloh braucht also einen musealen Ort? 

 

Davids: Unbedingt, weil Gütersloh so viele künstlerische Kostbarkeiten hervorgebracht hat. Es ist doch unbefriedigend, dass zum Beispiel der große Bestand von Woldemar Winkler im Keller der Hauptstelle der Sparkasse und bei seinem Sohn untergebracht ist. Wenn Gütersloh Marketing nach Magneten sucht – die Stadtgalerie am Dreiecksplatz als zentraler Ort für die kulturelle Bildung wäre eins! Dort könnten dann auch die regionalen Künstler immer mal wieder ausstellen. Angesichts der immer noch wenigen Orte für regionale Kunst und einer inzwischen enorm gewachsenen Zahl von über 100 Kunstschaffenden kann ein Künstler nur alle 15 Jahre mit einer Einzelausstellung rechnen – wenn überhaupt. Das Projekt Stadtgalerie könnte auch von wirtschaftlichem Belang sein, die umliegenden Betriebe dürften davon profitieren. Übrigens halte ich alternativ auch die Weberei für ein solches mögliches Kraftfeld. 

 

Sie priorisieren aber den Standort am Dreiecksplatz. Warum genau? 

 

Davids: Weil der Bereich mit der Nachbarschaft zur Stadthalle, Wasserturm, Theater, der Galerie art colori, der Schule für Musik und Kunst, der örtlichen Gützilla-Szene und dem Fachgeschäft Musikgalerie das kulturelle Zentrum der Stadt darstellt. Weil mich die Modernität dieses ersten Entwurfsvorschlags des Architekten überzeugt. Dieses Haus könnte ein Kulturmagnet sein, der weit über seinen Standort hinausstrahlt und das Niveau des ganzen Stadtteils weiter hebt. Das gilt aber auch für andere denkbare Standorte wie eben die Weberei oder vielleicht die Mansergh Barracks. Die Galerie würde das Klima in der Stadt positiv beeinflussen und eine Szene um sich herum bilden. 

 

Zirbel: Für den Standort spricht auch, dass wir hier Schulen in der Nähe haben. Ein besserer Kontakt zur Verpflichtung zur Kultur ist kaum denkbar. Es lassen sich an dieser Stelle viele einzelne Interessen wunderbar zusammenführen. Der Ort wäre ein Kraftzentrum mitten in der Stadt, er wirkte motivierend und anregend und vor allem: es ist städtischer Grund – man könnte heute direkt anfangen, diesen eigentlich uralten Gedanken einer Stadtgalerie für Gütersloh umzusetzen.  

 

Was sagen Sie zu den kritischen Äußerungen der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz? 

 

Zirbel: Ihr besorgter Reflex, dass der Bau einer Stadtgalerie auf dem alten Grundstück der jüdischen Familie Meinberg die „Woche der kleinen Künste“ einengen könnte, ist zunächst verständlich, entbehrt aber der Grundlage. Tatsache ist: Den Belangen der Kulturgemeinschaft würde in jeder Weise Rechnung getragen, alles würde genauso weitergeführt – eins zu eins. Das darf ja nicht eine Seite schädigen. Im Gegenteil: das befruchtet sich gegenseitig. Und weil auch dieses Thema als Negativ-Argument genannt wurde: Die Toiletten einer Stadtgalerie könnten für Veranstaltungen öffentlich zugänglich bleiben. Natürlich würden auch die Sichtachsen vom Dreiecksplatz zum Theater beibehalten. Das kann man alles in der Ausschreibung eines Wettbewerbs, den es unbedingt geben müsste, zur Vorgabe machen. Da wird es viele verschiedene Entwürfe mit unterschiedlichen Lösungen für Form, Perspektiven oder Material geben. Vielleicht könnte man auch die Hochschule OWL ansprechen.  

 

Davids: In diesem Gebäude, an diesem Standort, sollte übrigens auch eine Dokumentation des jüdischen Lebens und ihrer Kultur in Gütersloh ihren Platz haben – gerade heute, wo der Antisemitismus ungeniert wieder Zuspruch findet. Wir brauchen neue Formen der Gedenkkultur, hier wäre es möglich.  

 

Die Stadtgalerie würde den Dreiecksplatz vom Theodor-Heuss-Platz baulich trennen. Mehr Chance also Problem? 

 

Zirbel: Der Theodor-Heuss-Platz ist heute ein ungelöstes Problem, vor allem ein ungenutzter Platz. Für die Gaststätten entlang der Friedrichstraße könnten sich bei einer Neugestaltung zusätzliche Räume für die Außengastronomie ergeben. Die Trennung ist eine Chance für eine Neudefinition des Platzes. Grundsätzlich muss man übrigens den Mut haben, eine Stadt nach gewisser Zeit auch mal zu erneuern, um sie für die nächsten Generationen interessant zu machen. Gütersloh ist an mancher Stelle in die Jahre gekommen. Klinkersteine waren in den 80ern modern, heute gibt es andere Materialien. Historisch gab es Erneuerungen immer schon, nach einigen Jahrzehnten wechseln Ästhetiken und Nutzungswünsche. Der Theodor-Heuss-Platz bietet auf jeden Fall viel Potential, sich neu zu erfinden – auch mit dem Medienbrunnen. 

 

Das alles kostet viel Geld, was die Stadtkasse zurzeit nicht hergibt. In Gütersloh ist Sparen angesagt, auch der Fachbereich Kultur streicht 2024 alles in allem 13 Prozent seines Budgets ein. Selbst das Jubiläumsjahr 2025, wenn wir 200 Jahre Stadtrecht Gütersloh feiern, ist uns gerade mal 200.000 Euro wert. Also: Was kostet eine Stadtgalerie und wie wäre sie zu finanzieren? 

 

Zirbel: Es wäre jetzt nicht seriös, Zahlen zu nennen. Das muss man abwarten, es hängt vollkommen von der Nutzung ab. Ich halte es durchaus für möglich, dass ein solches Projekt auch mit bürgerschaftlichem Engagement bezahlbar ist. Die Bausumme ist überschaubar. Es ist ja generell so, dass es bei Finanzierungen nie gute Zeiten gibt. Dass wir für diese und jene Investition kein Geld haben: diese Diskussion hat es immer gegeben, denken Sie an den Neubau unseres wunderbaren Theaters und die Sanierung der Stadthalle.  

 

Wie geht es weiter? 

 

Davids: Mir fällt da spontan das Beispiel des Theater-Fördervereins ein: Man sollte sich fragen, ob man nicht einen Verein gründet, der sich dem Ziel einer Stadtgalerie widmet. Mitstreiter findet man in Gütersloh bestimmt zur Genüge. 

 

Zirbel: Ich denke auch, dass bei diesem Thema klassisches Engagement von unten gefragt ist.  

 

Und die Politik? 2025 steht nicht nur das Stadtjubiläum an, sondern auch eine Kommunalwahl. 

 

Davids: Es wäre schön, wenn die Idee der Stadtgalerie beachtet wird. Die Stadtgesellschaft befindet sich spürbar im Umbau. Die Menschen arbeiten weniger, gleichzeitig gibt es überall den Anspruch, gefördert zu werden, vor allem in der Jugend. Auch hier kann die Stadtgalerie einen wichtigen Beitrag liefern, wie immer sie organisiert und betrieben würde. 

 

Zirbel: Ich wünsche mir, dass sich die Politik und die Stadtgesellschaft mit unserem Vorschlag auseinandersetzt, dass wir in eine offene, konstruktive Diskussion kommen. Wir reden hier über eine Investition in die Zukunft. Gütersloh weiter zum kulturellen Zentrum der Region auszubauen, ist ein starkes Ziel mit Strahlkraft. Man muss es nur wollen und anpacken, Status quo reicht nicht. 

 

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