Autor: Heiner Wichelmann
22.12.2023
Team Zentrenmanagement v.l.: Pascal Gehle (Stadtplanung), Christina Junkerkalefeld (gtm) und Pascal Gehle (conceptGT). Foto: Monika Olszewski
Der Strukturwandel in der Innenstadt ist grundlegend und ein Ergebnis der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung. Aktuell zeigt der Tiefstand des Konsumklimas deutlich, dass sich die Innenstadt neu positionieren muss. Diese Erkenntnis führte vor einem Jahr zum Start für den sogenannten „Prozess des Zentrenmanagements“.
Stadtverwaltung und Innenstadtakteure haben sich seitdem zusammengesetzt und Netzwerke neu gesponnen. Dabei herausgekommen ist auch ein Leitbild, das unter anderem eine Online-Befragung vieler Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt: Güterslohs Innenstadt soll „grün, gemütlich, genussvoll“ sein. Die erarbeiteten Ideen, u. a. auch für die fünf identifizierten Großquartiere Dreiecksplatz, Berliner Platz, Kolbeplatz, Rathaus und Bahnhofsviertel müssen nun mit Leben gefüllt werden, sind aber keine Wunschliste, die von der Stadt jetzt abgearbeitet wird. Vielmehr soll im Dialog zwischen Innenstadtakteurinnen und Akteuren und dem Gütersloher Zentrenmanagement über die Einzelschritte entschieden werden. Heiner Wichelmann, Freier Mitarbeiter des gt!nfo, sprach mit den drei Vertretern des Gütersloher Zentrenmanagements, Pascal Gehle (Stadtplanung Gütersloh), Christina Junkerkalefeld (Leitung Citymanagement und Tourismus Gütersloh Marketing GmbH) und Thomas Wolf (Flächenmanagement conceptGT) über ihre Aufgaben und die Perspektiven für die Neupositionierung der Innenstadt.
Sie verstehen sich als ein Team, als zentrale Ansprechpartner in der Weiterentwicklung der Gütersloher Innenstadt. Ihre Aufgabe ist es, Netzwerke zu knüpfen und die Diskussion der Gestaltung einer zukunftsfähigen Innenstadt zu organisieren und zu moderieren. Wie arbeiten Sie in der täglichen Praxis zusammen und warum glauben Sie, dass ihr Projekt Erfolg haben wird?
Wolf: Weil wir als ein Team auftreten und eine Einheit bilden. Stadtakteure stehen manchmal vor der Herausforderung, den passenden Ansprechpartner zu finden, wenn sie Fragen haben – zum Beispiel rund um ihre Immobilie oder ihr konkretes Ladengeschäft, also bei Nutzungsänderungen, Vermietungen, Förderungsmöglichkeiten und so weiter. Wir greifen die Themen auf und tragen sie weiter. Wir sind effizienter als früher und wir kümmern uns proaktiv, stellen Netzwerke her, halten den Kontakt zu den Playern in der Innenstadt, bleiben im Gespräch und können frühzeitig agieren bzw. reagieren. Auch Ideen für die Innenstadt müssen platziert werden und hierfür sind wir als Team der Ansprechpartner nach außen. Wir ordnen sie den richtigen Bereichen zu und stoßen die Arbeit an.
Wie intensiv ist ihr Austausch untereinander?
Junkerkalefeld: Wir sind ständig im Kontakt, persönlich, per Mail und auch in Videokonferenzen, und es gibt regelmäßige Arbeitsbesprechungen im Zweiwochenrhythmus. Den regelmäßigen Austausch auf kurzem Wege und die Kompetenzen, die im Team Zentrenmanagement gebündelt sind, halten wir für erfolgversprechend.
Gibt es eine Hierarchie unter Ihnen und wie erreicht man Sie eigentlich, wo ist Ihre Türklingel?
Gehle: Wir sind nicht hierarchisch organisiert, allerdings obliegt die Koordination der Stadtplanung, die durch mich vertreten ist. Insofern ist eine Kontaktaufnahme über die Stadt per Anruf oder Mail oder über die Website www.innenstadt.guetersloh.de immer richtig. Genauso gerne aber auch über Gütersloh Marketing und über conceptGT, unsere stadteigene Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Immobilien & Stadtentwicklung GT. Wir arbeiten eng zusammen und tauschen uns über alle Anfragen und Entwicklungen aus.
Herr Gehle, welche Aufgaben übernehmen Sie konkret innerhalb Ihres Teams Zentrenmanagement?
Gehle: Der Fachbereich Stadtplanung kümmert sich um die verwaltungsinterne Abstimmung mit allen Fachbereichen der Stadt Gütersloh, die bei der jeweiligen Fragenstellung betroffen sind. Bei der Innenstadt können das fast alle sein – zum Beispiel die Fachbereiche Ordnung oder Grünflächen. Und wir sorgen dafür, dass Fördermittel fließen. Ohne Fördermittel aus dem Sofortprogramm Innenstadt des Landes NRW wäre der sogenannte Anstoßprozess für ein Zentrenmanagement und damit zum Beispiel auch der Verfügungsfonds Anmietung, mit dem wir frische und innovative Geschäftsideen für die Innenstadt über Mietzuschüsse fördern können, nicht möglich gewesen. Vor kurzem haben wir erfreulicherweise auch über das Folgeprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“ eine Förderzusage in Höhe von 255.000 Euro bekommen.
Stichwort Verfügungsfonds Anmietung: Bei einem Ideenwettbewerb für die Innenstadt gewann das Ladenkonzept Deli-Licious in der Moltkestraße den ersten Preis und die Macher freuen sich über die ersten drei Monate Mietfreiheit. Wie vielen Start-ups haben Sie bisher helfen können?
Wolf: Insgesamt konnten wir acht teilweise neue Konzepte für die Innenstadt fördern. Neben dem Deli-Licious zählt dazu zum Beispiel auch der Family Concept Store Kids & Coffee in der Hohenzollernstraße. Wir haben dabei die Erfahrung gemacht: Es gibt Ideen in dieser Stadt, sie bedürfen aber einer Förderung, weil die Start-ups sich sonst vielleicht nicht angesiedelt hätten beziehungsweise nicht ansiedeln können. Die bisher geförderten Start-Unternehmen haben sich aber inzwischen so etabliert, dass der überwiegende Teil von ihnen nach diesem Förderprogramm, das jetzt zum Jahresende ausläuft, bereits den Folgevertrag unterschrieben haben. Bei vereinzelten Standorten laufen noch die Verhandlungen. Durch den Ideenwettbewerb im Mai 2023 haben sich zusätzliche spannende Ideen und Konzepte ergeben, die für weitere Lokale in Betracht gezogen werden könnten.
Diese Starthilfen sind also sinnvoll?
Wolf: Ja. Wenn wir sensibel auf den Markt und auf Ideen reagieren, können wir etwas tun, um die Innenstadt zu bereichern und eine positive Entwicklung zu unterstützen. Über dieses Förderprogramm hinaus wenden sich aber auch weitere Interessenten an uns – dabei geht es zum Beispiel auch um Fragen rund um die Instandsetzung von Immobilien, um Eigentümerwechsel, um Standortwechsel und so weiter. Da wir die Kontakte zu den Maklern, den Gewerbetreibenden und den Immobilieneigentümern in der Innenstadt pflegen, erhalten wir ein immer besseres Verständnis und einen guten Überblick über den Gütersloher Markt und können uns perspektivisch auf ein paar Monate Leerstand hier und da einrichten. Wobei wir zurzeit eine eher geringe Leerstandsquote haben.
Gehle: Die Kontakte haben darüber hinaus auch einen Wert für sich. Sie sind Teil unserer Netzwerkarbeit zwischen denen, die Ladenflächen anbieten können, und denen, die sie suchen.
Wie intensiviert Gütersloh Marketing diese Kontaktpflege, Frau Junkerkalefeld?
Junkerkalefeld: Der Austausch mit der Werbegemeinschaft, der Immobilien- und Standortgemeinschaft Mittlere Berliner Straße – ISG – oder dem Verkehrsverein war immer schon Teil unserer Arbeit. Er wird aber jetzt sicher ausgeweitet. Wenn es um die einzelnen Quartiere geht, wollen wir die jeweiligen handelnden Personen auch untereinander verknüpfen. Dafür ist die Netzwerkarbeit sehr wichtig.
Steigt damit Ihre Arbeitsbelastung?
Junkerkalefeld: Wir müssen uns entsprechend organisieren. Stand heute gibt es keine Personalaufstockung, wenn Sie darauf abzielen. Aber wir sind ja gerade im Umstrukturierungsprozess.
Gehle: Beim Thema Arbeitsbelastung kann uns die Förderzusage zugutekommen, auch wenn der städtische Haushalt für 2024 sich noch in der Aufstellung befindet. Denn die Stadt wird zur Inanspruchnahme der Fördermittel einen Eigenanteil beisteuern müssen. Dies vorausgesetzt, können wir zum Beispiel für die Netzwerkarbeit und die Durchführung von Veranstaltungen Unterstützung durch Fachleute oder Agenturen beauftragen.
Es wird also ein Budget für die Aufgaben des Zentrenmanagements im Haushalt 2024 geben?
Gehle: Die zugestandenen Fördermittel können nur eingesetzt werden, wenn die Stadt eigene Mittel in derselben Höhe dazusteuert. Wir haben dann also für das Zentrenmanagement und andere Bausteine wie den Verfügungsfonds Anmietung und „Innenstadtqualitäten“ – Wall-Paintings, Street-Art, Kunstobjekte – insgesamt etwa 510.000 Euro zur Verfügung, verteilt auf die nächsten drei Jahre. Grundlage für den Zugang zu weiteren Mitteln aus der herkömmlichen Städtebauförderung wird ein neues ISEK („Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept“ – Anm. d. Red.) sein. Fördermittel für das ISEK Innenstadt sind für unsere Arbeit – egal, ob für kurz-, mittel- oder langfristige Projekte oder auch im Rahmen der Profilierung unserer fünf identifizierten Stadtquartiere – von entscheidender Bedeutung, denn allein werden wir es nur schwer stemmen können. Das gilt auch für inhaltliche Arbeit: Wir arbeiten daran, dass nicht allein die Stadt es ist, die die Gestaltung der Stadt übernimmt, sondern auch die Bürger und Beteiligten. Die Innenstadt lässt sich nur gemeinsam gestalten und wir wollen gemeinsam nach vorn blicken.
Sie brauchen das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Wie wollen Sie das herstellen?
Wolf: Aus meinem Bereich der flächenspezifischen, eigentümerorientierten Themenstellungen kann ich als Beispiel die bereits erfolgreich eingeführte Immobiliensprechstunde nennen. Wir haben dadurch vielfältige Anfragen und Hinweise bekommen. Zum Beispiel, wie kann ich meine Immobilie weiter inwertsetzen? Wie verkaufe ich sie? Was muss ich bei einer geplanten Instandsetzung beachten? Wie läuft eine Nutzungsänderung, zum Beispiel für eine Gastronomie, ab? Die Immobiliensprechstunde werden wir jetzt zunächst vierteljährlich anbieten.
Gehle: Es geht uns als nächstes um die Verstetigung des Dialogs. Dafür wird es auch Innenstadtkonferenzen geben, bei denen die quartiersübergreifenden Themen im Mittelpunkt stehen. Und wir werden nach und nach Quartiersgemeinschaften anstoßen.
Wolf: Da sitzen dann Vertreter von beteiligten Fachbereichen der Stadt, von Stadtplanung, gtm und conceptGT zusammen mit den Anliegern des Quartiers, also Bewohner, Immobilieneigentümer, Gewerbetreibende, Vereine und so weiter, an einem Tisch und besprechen konkrete Projekte zur Attraktivitätssteigerung ihres Quartiers. Unsere Dialogformate werden dafür sorgen, dass Themen nicht versickern.
Das bedeutet, dass sie auch möglichst zügig die Dinge umsetzen wollen?
Gehle: Gerne, aber nicht unbedingt mit der Brechstange. Wichtig ist: Wir sind mit unserem Team handlungsfähig und das soll auch sichtbar werden. Noch sind wir ja beim Auftakt und wir brauchen auch die Zeit. Die Themen sind komplex, es gibt eine Vielzahl von Beteiligten. Wir müssen jetzt die Strukturen aufbauen – das geht nicht von heute auf morgen.
Das Tempo wird doch von außen diktiert: zunehmender Onlinehandel, Erhitzung der Innenstadt und so weiter. Also: wann wird es konkret?
Gehle: Wie gesagt: Wir orientieren uns am grundlegenden Ziel, das die Gütersloher sich wünschen: Unsere Stadt soll grün, gemütlich, genussvoll sein. Das ist die Basis. Das gilt für Kleinprojekte und Großprojekte gleichermaßen.
Junkerkalefeld: Bei allem Gestaltungswillen: Wir müssen auch sehen, dass unsere Möglichkeiten letztlich begrenzt sind. Stichwort Karstadt, Restaurant am Berliner Platz und andere mehr. Da müssen auch immer die Eigentümer mitmachen. Das ist häufig entscheidend.
Kann man mit ersten Ergebnissen vielleicht schon im Jubiläumsjahr 2025, wenn Gütersloh sein 200-jähriges Stadtjubiläum feiert, rechnen?
Junkerkalefeld: Wir werden Starterprojekte anstoßen, zum Beispiel die Beet-Patenschaften am Bahnhof. Ein Probezeitraum wird jetzt angesetzt, da werden wir sehen, ob es sich lohnt oder nicht. Oder ein temporäres Klavier auf dem Kolbeplatz: Wir sind in den ersten Planungen. Woher erhalten wir das Klavier? Wer kümmert sich darum? Wo kann es untergestellt werden? Das gehört zu unserer Netzwerkarbeit.
Gehle: Wir haben den Staffelstab für das Zentrenmanagement übernommen. Jetzt geht es darum, den Diskussionsprozess weiter voranzutreiben. Wenn sich daraus zusätzlich Synergien für Aktivitäten im Jubiläumsjahr ergeben, umso besser.
Welches Quartier nehmen Sie sich als erstes vor?
Gehle: Das können wir heute noch nicht beantworten. Wir haben erst seit Kurzem die Förderzusage. Wenn man sich die Quartierprofilierungen anschaut, sieht man schnell, dass manches näher an der Realität ist als anderes. Das bewerten wir jetzt und schauen, ob wir uns kleinere oder größere Maßnahmen vornehmen. Alles gleichzeitig wird nicht gehen.
Wolf: Wir sind da in der Findungsphase.
Gibt es einen Zeithorizont oder ist das ein Job for ever?
Wolf: Wir müssen immer am Ball bleiben. Das ist ein stetiger Prozess.
Wie wichtig ist für Sie die Vitalisierung der Innenstadt? Wie optimistisch sind Sie?
Wolf: Die Innenstadt wird immer ein Ort des Zusammentreffens für alle Gütersloherinnen und Gütersloher sein, den es zu gestalten und attraktiv zu halten gilt. Damit die Menschen gerne in die Stadt kommen und sich dort wohlfühlen. Also: sehr wichtig. Wir sind da auf gutem Weg.
Gehle: Die gesteuerte Vitalisierung über das Zentrenmanagement ist sehr wichtig, denn wenn wir die Entwicklung der Innenstadt dem Zufall überlassen würden, könnte es sein, dass Entwicklungen gegeneinander verlaufen und dass Synergien verloren gehen würden. Wir brauchen also die Kanalisierung von Prozessen der Innenstadtentwicklung, das Einordnen von Themen. Natürlich sind wir optimistisch, dass uns das gelingen wird. Zusammen mit den Beteiligten in der Innenstadt.
Junkerkalefeld: Über die bisherige Beteiligung der wesentlichen Akteursgruppen der Innenstadt und das Interesse an der Zusammenarbeit haben wir uns sehr gefreut. Das wird sich durch unser Dialogformat in Zukunft noch multiplizieren und somit wird das Netzwerk größer. Wir brauchen verschiedene Personengruppen, um vital zu bleiben und am Zahn der Zeit.
Wo sehen Sie persönlich die Stärken von Gütersloh?
Junkerkalefeld: In dieser Stadt kann man sich schnell wohlfühlen. Es ist alles gut erreichbar. Die Menschen in Gütersloh träumen nicht von irgendwelchen Großinvestitionen, sie wollen vielmehr den grundlegenden Charakter unserer Stadt schärfen: dass Gütersloh im Kern grün, gemütlich, genussvoll bleibt. Diesen Zielen fühlen wir uns als Team verpflichtet.
Gehle: Gütersloh ist wirtschaftlich stark, gleichzeitig kleinteilig und überschaubar. Was in den bisherigen Diskussionen deutlich wurde: Wir verkaufen uns häufig unter Wert. Man sollte mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen. Menschen von außen nehmen unsere Stadt und vor allem die Innenstadt meistens positiver wahr. Wir sollten im Zweifel den Blick nach vorn richten.
Wolf: Wir haben eine gute Basis. Und es gibt ein gutes Gemeinschaftsspiel aller Akteure, das wir weiter ausbauen wollen. Entscheidend wird sein, dass unsere Konzepte langfristig bestehen können, dass neue Nutzungen von Geschäftsräumen innovativ sind und die Innenstadt bereichern. So können wir auch die Bedingungen für den Förderrahmen bei den Bewerbungen einhalten. Alles ist unserem Ziel, die Innenstadt für die Zukunft fit, vital und attraktiv zu machen, untergeordnet.