Autor: Heiner Wichelmann
Fotos: Pexels
09.09.2024
Das fiktive Interview mit dem idealen Bürgermeisterkandidaten
Text: Heiner Wichelmann
Am 17. November werden die Gütersloherinnen und Gütersloher über die Nachfolge des im Juni spektakulär abgewählten Ex-Bürgermeisters Nobby Morkes abstimmen. Mit Henning Matthes (CDU), Matthias Trepper (SPD) und Gitte Trostmann (Grüne) bewerben sich drei gestandene Kommunalpolitiker bzw. Verwaltungsvertreter für den vakanten Posten. Die drei haben einen kurzen, aber intensiven Wahlkampf vor sich; die örtliche Presse wird ihnen, dazu gehört nicht viel Phantasie, gehörig auf den Zahn fühlen. Da die gt!nfo-Redaktion in der Mai-Ausgabe schon mal das Profil eines „idealen Bürgermeisters“ beschrieb, wollen wir diesen Gedanken weiterverfolgen. Wie würde der/die ideale Kandidat/in auf Fragen von gt!nfo antworten? Wir machen den Versuch – und sind gespannt auf künftige Äußerungen im Wahlkampf. Und natürlich: Wir wünschen an dieser Stelle allen drei Kandidaten Fortune in den anstrengenden Wochen, die vor ihnen liegen.
Liebe(r) ideal(e)r Kandidat(in), Sie wollen Bürgermeister werden in herausfordernden Zeiten: Die Stadtkasse ist ein Fall für den Notarzt, Zukunftsprojekte sind Fehlanzeige und die Stimmung im Volk ist gefühlt eher fatalistisch, bei tendenziell fallender Betriebstemperatur. Warum wollen Sie den Job, der Ihnen wenig Aussicht auf Ruhm und Ehre verspricht, was können Sie Ihrer Meinung nach bewirken?
Wenn ich nicht überzeugt wäre, für Gütersloh gestaltend arbeiten zu können, würde ich mich nicht bewerben. Gehen Sie davon aus: Ich möchte mich schlicht für diese Stadt einsetzen, die ich für absolut lebenswert und entwicklungsfähig halte. Geldknappheit ist ja nun auch kein neues Thema. Die Frage ist immer, was man mit dem gegebenen Budget umsetzen kann und da braucht es intelligente Lösungen: bei der Steuerung des Gesamtkonzerts Stadtmanagement, bei der Herstellung von Transparenz für den Bürger, bei der Entwicklung vieler kleiner Projekte, die unsere Stadt lebendig erhalten und attraktiv für die Zukunft machen. Offen gesagt: Mich überrascht, wie wenig Gestaltungsfreude aus Ihrer Frage spricht.
Vielleicht ist das eher Realismus auf unserer Seite?
Mit Verlaub: nein. Glauben Sie wirklich, die Zukunft in Gütersloh ist allein pessimistisch oder gar negativ zu beschreiben? Dann können Sie ja gleich die ganze Republik zumachen. Wir sollten nicht an populistische Einschätzungen glauben. Das Gegenteil ist richtig: überzeugen, mitmachen, zupacken. Ich habe richtig Lust darauf und übrigens: immer im Team. Ich bin Teamplayer.
Das sagen alle.
Ich halte das ein, prüfen Sie es nach. Bei mir finden Sie keine Soloaktionen. Ich will den Erfolg und das geht nur mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Freude an ihrer Arbeit haben. Und mit einem Rat, den ich als Gesamtvertreter aller Bürgerinnen und Bürger sehen: jede Stimme ist wichtig. Ausnahme ist alles, was diskriminierend, rassistisch, ausländerfeindlich ist. Nicht mit mir.
Wie nahe sehen Sie sich bei den Bürgern unserer Stadt?
Ich bin einer von ihnen. Ich bin Typ Nachbar, freue mich über jeden Kontakt. Ich bin auch am Wochenende ansprechbar. Der Job des Bürgermeisters ist ein hohes Gut, für mich ist die Gesamtbevölkerung gewissermaßen der Bürgerrat, ich habe kein Problem mit Nähe, bin in Vereinen verortet, kenne Hinz und Kunz und ich weiß Kritik und Sorgen einzuschätzen.
Wie haben Sie die letzten zwei Jahre Ratsarbeit bzw. Arbeit im Rathaus erlebt?
Der Konflikt mit dem Amtsvorgänger wirkte lähmend und ernüchternd. Es ist gut, dass es eine Entscheidung durch den Bürger gab. Für mich war sie auch ein Auftrag an die Nachfolger im Amt, die richtigen Lehren aus den Erfahrungen zu ziehen.
... die da wären?
Ich will es allgemein sagen: Nichts ist schlimmer als ein öffentlich ausgetragener Streit innerhalb der Führung in der Verwaltung, der im Extremfall nicht nur das Rathaus, sondern sogar die Bürgerschaft spalten kann. Das darf nie wieder passieren. Wir sind in der Verantwortung für die Stadt, für die Bürgerinnen und Bürger. Dafür arbeiten wir.
Werden wir konkret: Nennen Sie uns bitte Ihre zentralen politischen Projekte, die Sie mit Rat und Verwaltung umsetzen möchten.
Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung: Ein zentrales Projekte kann einem vermeintlich kleineren die nötige Aufmerksamkeit stehlen. Wir müssen ein Stadtmanagement immer als ein Gesamtorchester sehen und da sind Anliegerbeiträge in einer sanierten Straße oder die Vergabe von Fördergeldern beim Bau einer Immobilie für konkret Betroffene zum Beispiel wichtiger als allgemeine Klimaschutz-Vorgaben zur Senkung der CO2-Belastung. Natürlich will ich helfen, Gütersloh so attraktiv wie möglich zu erhalten und zu gestalten. Ich möchte, dass unsere junge Generation sich hier wohlfühlt und ein passendes Umfeld für die berufliche, schulische und kulturelle Entwicklung vorfindet. Das heißt also: Der Fokus liegt auf der Zukunft. Wie schaffen wir es, den Einzelhandel in der Stadt zu beleben oder eine Verkehrswende zu realisieren, die diesen Namen auch verdient, gleichzeitig aber auch alle Interessen so gut es geht einvernehmlich berücksichtigt? Wie können wir Unternehmen, die sich erweitern wollen, helfen? Wie unterstützen wir Start-ups bei ihren spannenden Projekten am besten? Die zügige Gestaltung des Bahnhofvorplatzes liegt mir so am Herzen wie eine gelungene, moderne und innovative Wohnbebauung des Marten-Geländes. Wir müssen uns auch auf eine künftige Nutzung der früheren Karstadt-Immobilie vorbereiten, sollte der jetzige Mieter seinen Vertrag irgendwann nicht verlängern wollen.
Die wichtigsten Themen sind gesetzt ...
Ja, dazu gehören ja auch die Mansergh Barracks und der Flughafen. Aber ich sage ganz klar: Überall müssen wir mehr PS auf die Straße bringen! Auch beim Umweltthema, das längst ein Grundpfeiler der Kommunalpolitik ist, was auch für die Gestaltung unserer kulturellen Infrastruktur gilt und – ganz wichtig – für die Sozialpolitik. Wir verfügen über eine hervorragende Schullandschaft, sorgen wir hier dafür, dass kein Kind wegen Geldmangels zu Hause auf schulische Angebote verzichten muss. Ich will mich auch für eine ausreichende Zahl an Sozialwohnungen einsetzen und wir brauchen einen intensiveren Dialog mit den migrantischen Familien in unserer Stadt.
Das klingt viel nach Mainstream. Wo würden Sie Ihr eigenes Profil noch schärfer sehen?
Ich höre immer häufiger den Wunsch von älteren Menschen, in einem Mehrgenerationenhaus leben zu wollen, das ist ein hochinteressantes Thema, das ich gerne verfolgen möchte. Oder: Es gibt die Idee einer Stadtgalerie, sicherlich zurzeit nicht finanzierbar, aber warum nicht mal über alternative Finanzierungsmodelle diskutieren? Wir müssen offen bleiben für solche Themen, ich werde mir dafür Zeit nehmen. Zum Beispiel auch für die Neuaufstellung der Weberei, deren Sanierung ja 2026 startet. Die alten Strukturen des Webereibetriebs müssen modernisiert werden, dabei ist es mir wichtig, dass die soziokulturelle Ausrichtung des Hauses mit Elementen der Selbstverwaltung erhalten bleibt – vor allem programmatisch.
Da kommt einiges zusammen, wir müssen Sie ja in Ihrem Redefluss richtig unterbrechen ...
... weil die Kommunalpolitik immer als Ganzes zu sehen ist. Aber wir wissen natürlich alle, dass Kommunalpolitik selten ein Sprint ist, in der Regel ist sie ein Marathon. Erwarten Sie also keine neue Welt, weil es einen Wechsel im Bürgermeisterbüro gibt. Aber mit einem neuen Bürgermeister gibt es auch eine neue Führungskultur. Ich traue mir zu, führen und auch Begeisterung wecken zu können. Ich will die besten Kräfte der Stadt an den Tisch holen. Frauen und Männer aus der Wirtschaft, aus der Kultur, aus bürgerschaftlichen Initiativen. Das Rathaus muss sich öffnen – sollte ich gewählt werden, verspreche ich eine neue Diskussionskultur. Ich bin überzeugt, dass die Zeiten des eitlen Parteienstreits vorbei sind, die Bürger wenden sich davon ab, es interessiert sie in der Masse einfach nicht. Da keiner im Besitz der absoluten Wahrheit ist, müssen wir das Pferd neu aufzäumen.
Und das alles kann ein neuer Bürgermeister?
Eben nicht alleine. Aber das ist meine Idee des Gebundenseins in der Stadtgesellschaft, der Achtung vieler Erfahrungen und Standpunkte. Die Dinge zusammenführen, darum geht es und ich glaube fest daran, dass auch meine Erfahrung in überregionalen Netzwerken und die Kenntnis klassischer Verwaltungsabläufe und wie man sie noch effektiver, offener und flexibler machen kann, das ermöglichen kann, was wir alle hier in Gütersloh brauchen: Vertrauen auf die eigene Kraft, Zuversicht bei der Zukunftsgestaltung und Mut, loszulegen.
Haben Ihre Vorgänger anders gearbeitet?
Da verstehen Sie mich falsch. Diese Elemente hat es immer schon gegeben. Denken Sie an die Autorität und ruhige Hand von Stadtdirektor Dr. Gerd Wixforth, an die Fortschrittsbegeisterung von Henning Schulz mit dessen Digitalem Aufbruch und an die starke integrative Arbeit von Maria Unger. Die Vorbilder sind ja da, aber auch neue Herausforderungen. Die will ich im Falle meiner Wahl angehen.