„Die 21 Termine von Freitag18 erhalten!“

Heiner Wichelmann

Autor: Heiner Wichelmann

Fotos: Heiner Wichelmann

06.02.2025

Max Oestersötebier (Vorsitzender der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz) und Teammitglied Holger Rinne im gt!nfo-Exklusivinterview

 

Seitdem 2023 ein in der Innenstadt wohnendes Anliegerpaar mit einer Klage wegen Lärmbelastung durch die Veranstaltungen im Kulturviertel zwischen Dreiecksplatz und Theaterplatz gedroht haben, sind die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz, die Stadtverwaltung und die Politik um eine rechtssichere Regelung der verbleibenden Traditionsveranstaltungen Gütersloh International, Langenachtderkunst sowie der Woche der kleinen Künste und der Musikreihe Freitag18 bemüht. Im Gespräch mit gt!nfo setzen die Vorstandsmitglieder der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz Max Oestersötebier (Vorsitzender) und Holger Rinne auf einen Schulterschluss von Politik, Stadt, Anliegern und Verein.

 

 Interview: Heiner Wichelmann

 

Hintergrund

Noch ist nach der Lärm-Klageandrohung eines etwa 500 Meter entfernt wohnenden Anlieger-Paares von 2023 der „Leitfaden für Veranstaltungen im öffentlichen Raum am Dreiecksplatz“ nur eine Beratungsvorlage für drei Fachausschüsse des Rates, aber das Ziel ist klar: Für den Bereich Hans-Werner-Henze-Platz (geplante Festlegung als Freizeitanlage 1) und Theodor-Heuss-Platz/Dreiecksplatz (geplant: Freizeitanlage 2) sollen ab 2026 rechtliche Rahmenbedingungen für Veranstaltungen festgelegt werden, die sich aus dem Runderlass Freizeitlärm NRW und der TA Lärm ergeben. Von den Lärmschutzregelungen kann nach dem Landesimmissionsschutzgesetz in begrenztem Umfang und Ausmaß abgewichen werden. Bei diesen sog. „seltenen Ereignissen“ ist unter bestimmten Voraussetzungen die Überschreitung von Lärmgrenzwerten erlaubt, aber nur an 18 Tagen im Jahr je definierter Freizeitanlage. Konsequenz-Vorschlag der Stadtverwaltung für das gesamte Kulturviertel: deutliche Reduzierung der inzwischen 40 Veranstaltungen und speziell für den Dreiecksplatz: Die Freitag18-Musikreihe wird von 21 Veranstaltungen auf 9 reduziert. Die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz wehrt sich gegen diese Einschränkung, der Vorstand hat andere Vorstellungen.

 

Max und Holger, wie groß war der Schreck, als ihr mit der Klageandrohung aus der weiteren Umgebung des Dreiecksplatzes konfrontiert wurdet?

Oestersötebier: Den Schockmoment hatten wir schon vor eineinhalb Jahren. Da war noch Hans-Hermann Strandt im Amt. Damals wurde der Verein vom Ordnungsamt informiert, dass unsere Veranstaltungen, seitdem es die Androhung einer konkreten Klage gab, nicht mehr so durchgewunken werden könnten, wie das früher mal war. Hans-Hermann hatte für den Verein die Stadt um eine rechtssichere, politische Lösung gegen die an das Ordnungsamt herangetragenen Klageandrohungen gebeten. Das Ergebnis war dann also die Erkenntnis, dass die Genehmigungen für unsere Veranstaltungen auf ganz, ganz schwammigem Boden stehen.

Rinne: Natürlich war in dem ganzen Prozess die Stadt bemüht, unser Angebot zu schützen und natürlich haben wir in unseren Gesprächen mit allen Beteiligten immer die Position vertreten, dass man die Vielzahl der Veranstaltungen zwischen Theater und Dreiecksplatz – es sind inzwischen ja um die 40, davon 23 bis, bei gutem Wetter, theoretisch 26 auf dem Dreiecksplatz – lärmmäßig nicht alle in einen Topf werfen kann.

 

Was ist euer Ziel?

Oestersötebier: Rechtssicherheit für uns als Veranstalter – unter Berücksichtigung der Anwohnerinteressen. Es müssen klare Vorgaben der Stadt entwickelt werden unter Anerkennung der herausragenden Bedeutung unseres Areals für das Kulturleben und überhaupt für die Vitalität unserer Innenstadt. Die Stadt hat alle beteiligten Interessenten zur Situationsaufnahme und Konsensbildung an einen Tisch geholt und sehr umsichtig nach einer Lösung gesucht. Tatsache ist ja, dass der Dreiecksplatz und der benachbarte Theodor-Heuss-Platz über die Jahre einen Reiz auch für andere Veranstalter entwickelt haben. Von daher begrüßen wir es, dass der Fachbereich Stadtplanung mit einem „Leitfaden für Veranstaltungen im öffentlichen Raum am Dreiecksplatz“ eine Grundlage für künftige Genehmigungen ab 2026 schaffen möchte.

 

Max, warum hast du dich in der Ortspresse mit vollem Verständnis für den Diskussionsvorschlag der Stadt zitieren lassen, die Anzahl der bis zu 21 Freitag18-Veranstaltungen auf 9 zu reduzieren, bevor sich die beteiligten Fachausschüsse mit dem Thema auseinandergesetzt haben?

Oestersötebier: Zunächst: Ich bin richtig zitiert, aber nicht zu allem befragt worden, deswegen kam das in der Wirkung so falsch rüber. Das war eine erste Stellungnahme zu einem rechtlich sehr, sehr komplexen Vorgang. Der Leitfaden bestätigt den rechtlichen Rückhalt der Stadt für die Arbeit der Kulturgemeinschaft und würdigt sie. Andere Veranstalter dürfen mit ihren Projekten den jetzt geplant definierten Freizeitort Theodor-Heuss-Platz/Dreiecksplatz eben quasi nicht mehr nutzen – bis auf Gütersloh International und die Langenachtderkunst – und müssen auf andere Freizeitanlagen ausweichen

 

Der Verein zählt inzwischen 1.400 Mitglieder. Warum wurden sie nicht am bisherigen Diskussionsprozess beteiligt?

Oestersötebier: Hätten wir hier die Öffentlichkeit per Diskussion gesucht, hätten noch andere Veranstalter Interesse an einer gleichberechtigten Beteiligung anmelden können. Mit dem Wohlwollen der Verwaltung und der Anwohner haben wir es geschafft, den größten Teil des Kuchens abzubekommen. Zudem hätte das "Anwohner"-Paar, das ihr Klagevorhaben bereits konkret hinterlegt hat – das Paar wohnt offenbar irgendwo im Bereich Bohlenstraße, Marienfelder Straße, Prekerstraße, mehr ist uns aus Datenschutzgründen bisher nicht bekannt –, womöglich schon in diesem Jahr die Durchführung unserer Veranstaltungen stoppen können beziehungsweise Nachahmer gefunden. Nochmal: Alle bisher erteilten Genehmigungen durch das Ordnungs- beziehungsweise Gewerbeamt sind mit ziemlicher Sicherheit anfechtbar gewesen!

 

Die Reihe Freitag18 dauert nur eine Stunde, wird aber zu den sogenannten "seltenen Veranstaltungen" gezählt, die aus Lärmschutzgründen genehmigungspflichtig sind und die Grenze von 18 Events im Jahr nicht überschreiten dürfen. Akzeptiert ihr das?

Oestersötebier: Leider sind alle Veranstaltungen, die die Lärmschutzvorgaben überschreiten, zunächst gleichwertig als Ereignis zu bewerten, nahezu unabhängig von Dauer und Ausmaß. Die Richtlinie an sich ist, pardon, bekloppt, da sie viel zu undifferenziert ist. Unser Ziel ist, die 21 Termine von Freitag18 zu erhalten.

 

Holger, du organisierst mit deinen Mitstreitern das Freitag18-Event. Ganz konkret: Wie wollt ihr das schaffen, dass an dem wöchentlichen, also verlässlichen Freitag18-Termin von Mai bis September nicht gerüttelt wird?

Rinne: Indem wir die rechtlichen Grenzen der Lärmbegrenzung respektieren. Wir können uns lärmmäßig einschränken, unser Programm danach ausrichten. Dass wir sagen: Es geht vielleicht auch ganz anders. Dass man also gar nicht unter dem Schirm einer genehmigungspflichtigen Veranstaltung bleibt.

Oestersötebier: Das zentrale Element, um das es geht, ist die regelmäßige Begegnung der Menschen auf dem Platz. Jetzt müssen wir sehen, dass wir diese Regelmäßigkeit erhalten. Freitag18 ist eine Musikreihe, mit der wir uns in einer Grauzone bewegen. Aber Kultur ist ja mehr als nur das Musikformat. Vielleicht gibt es ja sogar die Möglichkeit, noch viel mehr zu machen, dass wir uns noch andere Kunst- und Kulturformen, die eine Begegnung ermöglichen, überlegen. Und wir brauchen jetzt die Politik.

 

... Pantomine, Theater?

Oestersötebier: Zum Beispiel. Nach der Freizeitlärmrichtlinie könnten wir auch 52 Veranstaltungen anbieten. Theoretisch.

Rinne: Der Dreiecksplatz ist für das soziale Miteinander in der Stadt ungemein wichtig. Das sollte nicht eingeschränkt werden und mit ein bisschen gutem Willen gelingt uns das auch.

 

Wie sicher ist der Fortbestand der Woche der kleinen Künste in der gewohnten Form?

Oestersötebier: Die Woche ist geschützt. Die fünf Abende fallen unter die 18 Veranstaltungen, für die es im Rahmen der Lärmschutzrichtlinien Ausnahmegenehmigungen gibt. Notwendige Lärmschutz-Anpassungen haben wir bereits 2024 durch ein neues Einmessen der Beschallung vorgenommen. Hinter der Baumreihe fällt der Schall um 20 Dezibel ab. Die Wirkung war sehr positiv: Wir haben uns nach dem vergangenen Veranstaltungssommer mit der Stadt und Anliegern ausgetauscht. Eine unmittelbare Nachbarin, die die Musik auf dem Dreiecksplatz in den Jahren zuvor in der Regel als störend empfand, hatte mit ihrem Handy, das ihrer Meinung nach hochgradig akkurat kalibriert sei, bei offenem Schlafzimmerfenster 85 Dezibel in der Spitze gemessen. Sie sagte, sie könne damit leben und wisse unsere Bemühungen sehr zu schätzen.

 

Es soll auch Anlieger geben, die sich vom Gemurmel der Menschen mehr gestört fühlen, als durch die Musik. Liegt da eine Gefahr für eure Veranstaltungen?

Oestersötebier: Nein. Der Dreiecksplatz wird eine definierte Freizeitanlage sein, für die die Freizeitlärmrichtlinie des Landes Anwendung findet. Das hilft uns sehr. Allein nach der Technischen Anleitung Lärm ist ja schon lautes Lachen auf der Friedrichstraße zu viel. Daran stört sich natürlich keiner. Es ist bei den direkten Anliegern die Menge an Veranstaltungen im Kulturviertel, die als belastend empfunden wird. Natürlich haben wir dafür in den fairen Gesprächen Verständnis gezeigt.

 


 

Nehmen Stellung zur Diskussion um die Zukunft des Dreiecksplatzes: Max Oestersötebier (rechts) und Holger Rinne, Mitglied des erweiterten Vorstands der Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz.

 

Foto: Heiner Wichelmann

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