Ist Fleisch nachhaltig?

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Antoine Jerji

26.08.2021

Exklusiv: Streitgespräch zwischen Thomas Dosch und Stefan Schneidt


Eine Frage mit großem Diskussionspotential: Fleisch und Nachhaltigkeit – wie passt das eigentlich zusammen? gt!nfo startet den Versuch der Klärung und lud zwei starke Persönlichkeiten zum Streitgespräch: Stefan Schneidt und Thomas Dosch. Stefan Schneidt ist Tierrechtsaktivist und engagiert sich bei Fridays for Future. Er setzt sich für verbesserte Umwelt-, Arbeits- und Tierrechte ein. Thomas Dosch stand zwölf Jahre lang an der Spitze des Ökobauernverbandes Bioland. 2014 holte ihn Agrarminister Christian Meyer (Grüne) ins Ministerium nach Hannover. Dort blieb das Grünen-Mitglied Dosch auch unter Ministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Dosch koordiniert seit einigen Monaten bei Tönnies die Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne einer nachhaltigeren Agrar- und Ernährungswirtschaft. Markus Corsmeyer traf sich mit den beiden „Kontrahenten“ und fasste das Gespräch zusammen.



Thomas Dosch und Stefan Schneidt über ...


... einen möglichen Konsens zwischen den beiden


Thomas Dosch:.Ich denke, im Kern sind wir nicht weit auseinander. Uns geht es um eine nachhaltige Lebensmittelproduktion in Deutschland. Die Herausforderungen liegen auf dem Tisch. Wir werden sie hier diskutieren ...



Stefan Schneidt: Der Dissens ist da. Das Unternehmen Tönnies ist nicht nachhaltig, es belegt Rang 24 der Weltrangliste der agroindustriellen Klimakiller laut Studie der Umweltorganisation Grain. Ein Konzern, der allein bis zu 30.000 Schweine täglich an diesem Standort schlachtet, kann nicht nachhaltig sein. Zeitgleich landet jedes fünfte Schwein, also 13 Millionen pro Jahr, in Deutschland in der Tierkörperbeseitigung.



.... über Veränderungen im Unternehmen


Thomas Dosch: Ich weiß nicht, von welcher Rangliste Sie sprechen und mit welchen Daten dies erstellt sein soll? Wenn es die ist, die ich vermute, ist diese drei Jahre alt und basiert auf Annahmen, ohne wissenschaftliche Basis. Ich befürchte aber, Sie überschätzen die Bedeutung von Tönnies. Zunächst mal ist Tönnies ein Schlacht- und Zerlegeunternehmen, das Nutztiere für die Herstellung von hochwertigem Fleisch verarbeitet um den Bedarf von Verbrauchern zu erfüllen. Diese Nutztiere kommen aus einer langen Lieferkette, vom Futtermittel über die Aufzucht. Der weitaus größte Teil von Ressourcen für die Herstellung findet in den vorgelagerten Stufen statt und nicht bei Tönnies. Dennoch arbeiten wir hart daran Emissionen auf allen Stufen zu senken. 

Aber mit ähnlichen Vorurteilen bin ich im vergangen Jahr zu Tönnies gekommen und habe darüber lange mit Clemens Tönnies diskutiert. Danach und nach weiteren Recherchen war für mich klar, dass hier bestimmte Dinge nicht so sind, wie Kritiker meinen. Ich bin überzeugt, dass Veränderung nur mit Unternehmen wie Tönnies möglich ist. In bestimmten Kreisen gibt es das Bild, dass gewisse Strukturen erst geschliffen werden müssen, um Veränderung zu schaffen. Ich bin zu alt, daran zu glauben. Es geht nur durch Veränderungen in Institutionen.


Stefan Schneidt: Wenn Clemens Tönnies sagt, dass ihm das Wohl der Menschen am Herzen liegt, glaube ich ihm das nicht – insbesondere wenn man darauf achtet, was er in den vergangenen Jahren mit seinen Mitarbeitern gemacht hat. Ich denke schon, dass Unternehmen grundsätzlich eine zentrale Rolle im Veränderungsprozess einnehmen. Allein 100 Unternehmen sind beispielsweise für 71 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Die Tönnies Holding macht nur 25 Millionen von sieben Milliarden Euro ihres Umsatzes mit Veggie-Produkten. Es wird aber hier viel zu wenig in Veggie-Produkte beziehungsweise in In-vitro-Fleisch investiert. In-vitro-Fleisch ist die Zukunft, wenn man schon an dem klassischen Fleischbild festhalten will. Hier ist Tönnies nicht vorbereitet.


Thomas Dosch: Da muss ich widersprechen. Wir haben In-Vitro früh auf dem Schirm gehabt und haben eine Zusammenarbeit mit einem israelischen Start-up. Derzeit ist dieses Segment aber noch nicht ausgereift genug. Wenn es soweit ist, werden wir uns auch damit beschäftigen. Und im Bereich Veggie haben wir in kurzer Zeit einen Umsatzsprung von mehr als 250 Prozent hingelegt. Uns hier Stillstand vorzuwerfen, ist nicht richtig.


... über Zukunft und Lösungen


Thomas Dosch: Es ist auch falsch, wenn Sie suggerieren, bei Tönnies seien Menschen gezielt und bewusst schlecht behandelt worden. Im Gegenteil. Tönnies hat sich für die Abschaffung der Werkverträge in der gesamten Branche ausgesprochen, übrigens weit vor dem Gesetzgebungsverfahren in Berlin. Doch dafür gab es bis dahin keine politische Mehrheit. Heute sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Tönnies fest angestellt. Leider gilt das nicht für alle Branchen. Und so verlassen uns Mitarbeiter, weil sie zum Beispiel auf dem Bau oder in der Autoindustrie in Werkverträgen arbeiten wollen. Auch im Hinblick auf die Wohnsituation hat Tönnies gehandelt. Hier haben wir seit vergangenem Sommer mehr als 800 Wohnungen und Häuser gemietet oder gekauft und sie renoviert und möbliert unseren Angestellten zu ortsüblichen Mieten zur Verfügung gestellt. Weitere Wohnungen sollen gebaut werden, wenn endlich Baugenehmigungen von den betroffenen Gemeinden erteilt werden. Übrigens wohnen mehr als 70 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in privat angemieteten oder gekauften Unterkünften. Bezüglich Veränderungsprozesse in der Landwirtschaft sind die Dinge etwas komplexer, als Sie es sich vorstellen. Ich bin Bio-Landwirt. Trotzdem erkenne ich an, dass der ökologische Landbau einen geringen Anteil an der gesamten Landwirtschaft ausmacht. Darüber hinaus sehe ich, dass 11.000 überwiegend konventionelle Betriebe ihre Produkte an Tönnies liefern. Wenn ein Veränderungsprozess eingeleitet werden soll, müssen wir diese mitnehmen. Es wäre das schlimmste, wenn ein Unternehmen sich von heute auf morgen entscheidet, eine 180-Grad-Kehrtwende hinzulegen. Das betrifft die Autoindustrie mit ihren Zulieferern wie auch Unternehmen in der Landwirtschaft und der Schlachtbranche. Soll heißen: Die Betriebe, die uns die Schweine liefern, brauchen Lösungen. Die Politik ist hier mit in der Verantwortung.


Stefan Schneidt: Ich denke die Landwirte mit. In den Niederlanden gibt es Ausstiegsprogramme für Schweinemäster. Es gibt auch eine Umfrage vom vergangenen Jahr aus Deutschland unter rund 445 Landwirten. Hier war die Mehrheit der Befragten für Ausstiegsprogramme. Das kann nur die Zukunft sein. Der IPCC-Report, der vor kurzem erschienen ist, dokumentiert, dass wir den Methangehalt in der Atmosphäre senken müssen. Methan ist auf 20-Jahres-Sicht 87 Mal klimaschädlicher als CO2. Wir müssen die Menge an Nutztieren – insbesondere an Rindern – verringern. Die Politik muss drastisch umsteuern, Werbetricks für tierische Erzeugnisse, die eine falsche Realität darstellen, müssen unterbunden werden. Gleichzeitig müssen Anreize für pflanzliche Produkte geschaffen werden. Subventionen von tierischen Produkten sowie die klimaschädliche Subvention in Form der Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf tierische Produkte müssen gestrichen werden. Insbesondere der Import von Futtermittel und tierischen Produkten aus Südamerika gehört eingedämmt.

In Deutschland werden effektiv 10 Millionen Hektar für Futtermittel benutzt. Das sind mehr als 50 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Zum Vergleich, wir besitzen etwa 11 Millionen Hektar Wald. Wenn man Schritt für Schritt aus der Produktion von tierischen Produkten aussteigt, hätten wir viel Platz, um mehr Wald zu generieren. Wälder haben viele Vorteile, unter anderem speichern sie CO2 und sind enorm wichtig für die Artenvielfalt und Biodiversität. Tönnies kennt keinen Weg für den Ausstieg aus der Tierproduktion. Wenn man ganz wissenschaftlich denkt, gibt es nur zwei Optionen: Entweder macht das Unternehmen so weiter wie bisher, und wir fahren mit dem Klima gegen die Wand, oder Tönnies steuert drastisch auf pflanzliche Produkte zu. Sonst wird es das Unternehmen in 20 Jahren nicht mehr geben, wenn wir es ernst mit dem Klimaschutz meinen.


Thomas Dosch: Ich nehme den IPPC-Bericht sehr ernst. Aber von Ausstiegsprogrammen halte ich gar nichts. Nachhaltige Landwirtschaft ohne Nutztierhaltung funktioniert übrigens überhaupt nicht. Ohne Mist als Dünger, kein Gemüse – wenn wir Salat und Gemüse nicht mit erdölbasiertem Kunstdünger zum Wachsen bringen wollen.


Wir brauchen die Nutztierhaltung, und das Geld ist besser ausgegeben, wenn Betriebe für ihre Umweltleistungen honoriert werden. Im Übrigen sind die 60 Prozent, die Sie da in der Studie genannt haben, nicht korrekt. Lediglich ein Drittel hat angegeben, komplett aussteigen zu wollen, wenn es entsprechende Programme gibt. Das ist der Not der Betriebe geschuldet. Ihr freier Wunsch ist es sicher nicht. Thema Rinder: Von welcher Rinderhaltung denken Sie, spricht der IPCC-Bericht? Rinderhaltung in Südamerika, die unmittelbar mit Abholzung von Regenwald verbunden ist, ist ein absolutes No Go. Rinderhaltung in Deutschland hat eine wichtige Funktion im Ökosystem. Rinder wandeln Gras, das wir Menschen nicht verzehren können, in hochwertiges Eiweiß. Und Grasland ist nach Mooren und vor Wäldern und vor Ackerland der wichtigste Kohlenstoff-Speicher. Kühe bewahren Grasland und sind damit gut fürs Klima. Und wenn wir über Methan diskutieren, muss man beachten, was gemeint ist – fossiles oder biogenes Methan. Das biogene Methan der Kühe wird in CO2 umgewandelt und dann wieder im Gras gebunden, das die Kühe fressen. Das ist ein Nullsummenspiel und insgesamt positiv fürs Klima. Kühe gab es schon immer zu Millionen auf der Erde – vom Wisent bis zum Bison. Klimawandel ist fossil und menschengemacht. 


Stefan Schneidt: Die Tönnies Holding importiert Fleisch aus Brasilien, wofür nachweislich auch Regenwald gerodet worden ist. Die Tierhaltung ist für bis zu 91 Prozent der Zerstörung des Amazonas verantwortlich. Der Amazonas ist gekippt – er ist die Lunge des Planeten. Der Amazonas imitiert aktuell mehr CO2 als er aufnehmen kann.


Thomas Dosch: Tönnies importiert fast kein Rindfleisch aus Südamerika und setzt sich bei den Supermarktketten dafür ein, dass nur regionales Rindfleisch aus Deutschland angeboten wird. Wir haben Vereinbarungen geschlossen, an denen Greenpeace in Südamerika beteiligt ist. Sie beinhalten, dass Fleisch niemals aus Amazonas-Rodungsgebieten kommen darf. Tönnies hat überhaupt kein Interesse daran, Fleisch aus Südamerika zu importieren.


... über klimaschutzfreundliche Tierhaltung und Fleischproduktion


Thomas Dosch: Klimaschutz muss einhergehen mit artgerechter Tierhaltung. Eine wichtige „Baustelle“ ist für uns die Förderung von Offenfront-Ställen zur tiergerechten Haltung von Schweinen mit Stroh. Aufgrund absurder Bauvorschriften können solche Ställe aus bürokratischen Gründen so gut wie nicht gebaut werden. Wer sich für Offenstall entscheidet, bekommt heute kaum eine Genehmigung. Es gibt emissionsrechtlich keinen Grund, Offenställe zu verbieten. Wir unterstützen deshalb die Kampagne der Interessengemeinschaft der Schweinehalter „Stallbaubremse lösen“, damit klima- und tiergerechte Ställe realisiert werden können.


Stefan Schneidt: Eine Massentierhaltung kann nicht umweltfreundlich sein. Eine Studie der Universität Augsburg zeigt, konventionelles Fleisch müsste 173 Prozent teurer sein, wenn man die Klimafolgen verursachergerecht auf den Preis aufschlagen würde. Artgerecht ist die Tierhaltung auch niemals. Egal ob Haltungsstufe 1 mit 0,75 Quadratmetern Fläche oder Stufe 4 mit 1,5 Quadratmetern. Ein Schwein möchte nicht eingesperrt leben – das ist nicht artgerecht! Die Produktion von Fleisch ist niemals effizient. Die Industrie verbraucht mehr Wasser und Nahrungsmittel, als die Menschheit selbst konsumiert. Daraus resultiert, dass die Viehzucht deutlich mehr Kalorien verbraucht, als sie am Ende für den menschlichen Verzehr bereitstellt. Nach einer Berechnung des UN-Umweltprogramms könnten die Kalorien, die bei der Umwandlung von pflanzlichen in tierische Lebensmittel verloren gehen, theoretisch 3,5 Milliarden Menschen ernähren. Für mich fehlen die Visionen aller Betriebe. Die Frage muss daher lauten: Wie bekommen wir es hin, den Konsum tierischer Produkte unter 75 Prozent zu senken?

Es geht mir grundsätzlich nicht darum, dass das Unternehmen Tönnies schließt. Ich möchte nur, dass das man sich hier bewusst macht, welche Probleme man mitverursacht. Wir haben Probleme mit Reserveantibiotika, multiresistenten Keimen und mit Gülle. German Watch belegt die Gefahr durch Nutztiere. 56 Prozent der getesteten Hähnchen weisen resistente Erreger auf. Bei jedem dritten Hähnchen waren sogar Resistenzen gegen Reserveantibiotika auffindbar. Hinzu kommt die Gefahr von Pandemien, Zoonosen und multiresistenten Keimen, Die Schweinegrippe ist nur eines von vielen Beispielen. Laut der Studie „Livestock and climate change“ fallen bis zu 51 Prozent der weltweiten Emissionen auf die Nutzviehhaltung und dessen Folgen zurück. Laut IPCC sind es etwa 25 Prozent. Es muss darum gehen, wie man die Schlachtmenge so schnell wie möglich verringert. Man muss die Rahmenbedingungen für vegane Produkte schaffen, darüber hinaus muss Laborfleisch endlich marktfähig werden.


Thomas Dosch: Viele Themen die Sie hier aufwerfen, sind oft wiederholte Vorwürfe, die damit nicht richtiger werden. Die Vorstellung, dass Tönnies keine Lösungen bietet, ist nicht richtig. Problemen stellen wir uns. Beispiel Antibiotika: Die Verringerung um 61 Prozent in den vergangenen Jahren in der Veterinärmedizin oder 30 Prozent weniger Antibiotika in der Schweinemast in Deutschland sprechen für sich. Schweine- und Rindfleisch von Tönnies ist nahezu rückstandsfrei von Antibiotika. Das belegen die vielen tausend Proben, die jedes Jahr im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung und im Labor gemacht werden. Genau dazu unsere Antibiotika-Reduktionsstrategie beigetragen, die wir mit unseren landwirtschaftlichen Erzeugern verfolgen und die wir vorantreiben. Und antibiotikaresistente Keime sind leider nicht nur ein Thema in der Tierhaltung, sondern leider auch im Abwasser von Haushalten und sogar in Krankenhäusern. Ich fühle mich in meiner Rolle hier im Unternehmen wohl, weil ich in der Agrarministerkonferenz als Abteilungsleiter im Landwirtschaftsministerium Niedersachsens und stellvertretender Staatssekretär einst für eine Liste mit Reserveantibiotika, die in der Landwirtschaft nichts zu suchen haben, gekämpft habe. Die Zahlen der Studie zum Klima stammen übrigens aus 1998 und wurden inzwischen von den Autoren zurückgenommen. Ja, die Landwirtschaft trägt momentan zu ca. 7,5 Prozent der Treibhausgasemissionen bei, aber vergessen Sie nicht, dass auch 83 Millionen Menschen in Deutschland ernährt werden müssen.


... über Antworten auf die Klimakrise


Stefan Schneidt: Ich habe bereits darauf hingewiesen, wie schädlich die Nutztierhaltung ist. Wir müssen den Bestand laut IPCC drastisch reduzieren. Was ich mitbekomme, ist eine Kapazitätserweiterung bei Tönnies. Ich sehe hier keine Lösungsansätze, wie man das Klima schonen kann.


Thomas Dosch: Eine Kapazitätserweiterung ist bei uns doch gar nicht geplant oder gar beantragt worden. Das ist eine falsche Annahme, Herr Schneidt. Wenn Tönnies mehr schlachtet als andere, ist es der Tatsache geschuldet, dass wir nicht das vorfinden, was sich beispielsweise CDU-Ministerinnen in Düsseldorf und Hannover wünschen - kleine regionale Schlachtstätten. Es liegt aber nicht am Unternehmen Tönnies, dass sich kleine Schlachtung heute nicht mehr rechnen und die nötigen Fachkräfte fehlen. Wir haben reagiert, sind regional aufgestellt und haben dabei die Schlachtung so effizient aufgebaut, dass Erzeugnisse von Höfen aus unseren Regionen, die im Vergleich mit Wettbewerbern aus Spanien und Osteuropa relativ klein sind, im Markt mithalten können. Wir sorgen durch die Effizienz der Schlachtung dafür, dass Herkunft und Haltung im deutschen Markt eine größere Rolle spielen.


Stefan Schneidt: Wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen, müssen wir – global gesehen – mindestens 75 Prozent unseres aktuellen Konsums von tierischen Produkten senken. Was ist denn die Antwort der Firma Tönnies darauf? Wie sollen wir das Klimaschutzabkommen einhalten?


Thomas Dosch: Wir müssen gemeinsam so arbeiten, dass 11.000 Lieferbetriebe die Möglichkeit haben, zu überleben und dabei unseren Beitrag zu Paris 1,5 leisten. Ich setze mich seit Jahren für eine Transformation der Landwirtschaft ein, bei der sich umwelt- und tiergerechte Haltungsformen für die Bauernhöfe rechnen. Deutsche Betriebe konkurrieren mit Erzeugnissen aus der ganzen Welt. Zu glauben, dass bei uns die Grenzen dicht gemacht werden, um Import von billigem Fleisch zu verhindern, ist aus handelspolitischen Gründen völlig unrealistisch. Eine klimagerechte Landwirtschaft können wir aber durchsetzen, wenn Bäuerinnen und Bauern die dazu nötigen Leistungen honoriert bekommen. Und dazu muss Politik den Rahmen bieten. Politik kann zum Glück keine Preise festsetzen. Aber sie kann Rahmenbedingungen setzen. Bei Tönnies gehört es zu meinen Aufgaben, mich für eine umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft einzusetzen.



... und ein kleines Fazit gibt es auch


Stefan Schneidt: Die industrielle Viehzucht ist nicht mehr zeitgemäß. Sie ist ineffizient, zerstörerisch, menschenverachtend und vernichtet kostbare Ressourcen. Wenn wir es ernst mit diesem Planeten meinen, muss diese Indurstrie in der jetzigen Form gestoppt werden. Wenn wir die Klimakrise aufhalten möchten, müssen wir die Ernährung mitdenken. Wir haben heute viel über Nachhaltigkeit geredet, aber nicht über die Tiere und die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das darf man in dem Kontext nie vergessen.


Thomas Dosch: Tierhaltung und Fleischerzeugung ist Teil der Lösung und nicht das Problem. Sie muss Teil einer kreislauforientierten Lebensmittelerzeugung in Deutschland bleiben. Ich plädiere dafür, genau hinzuschauen, wie die Bedingungen in den jeweiligen Regionen sind. Für mich ist Landwirtschaft als Agrar-Kultur existentiell. Agrarpolitik und gesellschaftliche Entwicklung haben zu Veränderungen geführt, die heute missfallen und die Probleme verursachen. Anspruch und Wirklichkeit müssen wieder in Einklang gebracht werden. Und – wir müssen auch in Zukunft wissen, woher unsere Lebensmittel kommen. Ich möchte nicht, dass wir aus Deutschland nur noch Industrieprodukte exportieren, Lebensmittel importieren und in Krisenzeiten nicht wissen, wie Menschen hier satt werden sollen. Corona und fehlende Gesichtsmasken lassen grüßen. 


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