
Autor: Heiner Wichelmann
Fotos: Lutz Hesker
07.07.2023
Stadt hofft auf Realisierung der innerstädtischen Verkehrsachsen Nord-Süd und Ost-West bis 2025 – Politik entscheidet nach Sommerferien
Seit Jahren steht in Gütersloh das Thema Mobilitätswende, politisch in Plänen und Konzepten beschlossen, auf der Agenda der Stadtverwaltung. Mobilität ist ein Querschnittsthema im Rathaus, beteiligt sind vor allem die Fachbereiche Stadtplanung, Tiefbau, Ordnung sowie Digitalisierung und Geoinformation. gt!nfo erkundigte sich nach dem Status Quo und den kommenden Ausbau- und Sanierungsprojekten für das Radwegenetz Gütersloh.
Gregor Küpper, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Stadtplanung, hat eine gute Nachricht: Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 wird die Verwaltung konkrete Pläne zur Umsetzung des Innenstadtkonzeptes von 2021 vorstellen können – sechs Jahre nach Verabschiedung des Masterplans Klimafreundliche Mobilität, von dem, so Küpper, der Fachbereich Stadtplanung „nicht mehr so überzeugt“ ist. Als zielgenauer hat sich das Innenstadtkonzept erwiesen, auf dessen Basis nun Fahrradstraßen geplant und umgesetzt werden. Von dem Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger, Gütersloh zur Fahrradstadt zu machen, ist man allerdings noch weit entfernt.
Immerhin gibt es erste Schritte. Tobias Schwarzer, Radverkehrsbeauftragter der Stadt, nennt hier die von der Verwaltung vorgeschlagenen Fahrrad-Achsen Nord-
Süd (Achse Parkstraße-Dalkestraße-Berliner- Straße-Münsterstraße-Hohenzollernstraße) und Ost-West, die vom Bahnhof über die Strengerstraße, Schulstraße und über das Verbindungs-Pättken bis zur Hohenzollernstraße führen soll. Küpper: „Wir werden diese Planungen nach dem Sommer dem Mobilitätsausschuss mit einer Beschlussvorschlag vorlegen. Stimmt die Politik zu, können wir davon ausgehen, dass beide Fahrradstraßen bis zum Jahr 2025 realisiert sind.“ Sollte es aber zu weiteren Diskussionen kommen – nicht alle Fraktionen im Rat der Stadt haben es mit der Mobilitätswende gleich eilig –, wird Gütersloh noch länger auf die Innenstadt mit Vorfahrtsregelung für das Fahrrad warten müssen. Küpper nennt einen kritischen Punkt: „Durch Fahrradstraßen entfallen aller Voraussicht nach auch PKW-Stellplätze, daran reibt sich die Gesellschaft grundsätzlich.“ Allerdings: Seit 2020, also innerhalb von drei Jahren, wurden in Gütersloh bereits fünf PKW-Straßen zu Fahrradstraßen mit der Vorfahrtsberechtigung für Radfahrer umgewidmet: Am Röhrbach, Dalkestraße, Rhedaer Straße, Postdamm und Parkstraße.
Das Innenstadtkonzept sieht, so Küpper, auch mehr Möglichkeiten im Innenstadtbereich vor, das Fahrrad zu parken: „Da wollen wir was Kurzfristiges schaffen.“ Als weitere Maßnahmen nennt der städtische Verkehrsplaner Standorte für Fahrradab- stellanlagen an den TWE-Haltestellen, die grundsätzlich als Verknüpfungspunkte für die unterschiedlichen Formen von Mobilität verstanden werden. Auch das schulische Mobilitäts-Management – insbesondere an Grundschulstandorten – rückt stärker in den Fokus. Gregor Küpper: „Hier geht es insbesondere um möglichst sichere Schulwege für die Kinder.“
Woran aktuell gearbeitet wird
Aktuell hat der Fachbereich Tiefbau die Sanierungsarbeiten am 420 Meter langen Radweg der Thaddäusstraße begonnen, Fertigstellung ist bereits Mitte Juli. Ende des dritten Quartals dieses Jahres starten die Arbeiten des neuen, vor allem der Sicherheit der Radfahrer dienenden Kreisverkehrs auf der Kreuzung Unter den Ulmen/Blessenstätte. Hier soll voraussichtlich im November alles erledigt sein. Im zweiten Quartal 2024 beginnt die Stadt mit dem Umbau der Kreisverkehrsanlage Kreuzung Brockweg, Kattenstrother Weg, die zu einer Unfallhäufungsstelle geworden ist. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW beabsichtigt im Herbst dieses Jahres, mit dem Umbau der Verler Straße von der Autobahnbrücke in Richtung Verl über zunächst 250 Meter Länge zu beginnen. Hierzu gehört der Bau eines neuen Geh- und Radwegs. In drei Monaten will man damit fertig sein; der zweite, längere Bauabschnitt Richtung Verl bis zur Wiedenbrücker Straße (Stadtgebiet Verl) wird etwa 12 bis 15 Monate Bauzeit beanspruchen. Im Frühjahr 2025 sollen alle Arbeiten beendet sein. 2024 wird voraussichtlich die Brockhäger Straße von der B61 bis zur Höhe Haegestraße/Körnerstraße einschließlich Geh- und Radwegen (330 Meter beidseitig) erneuert.
Zukunftsprojekte sind zum Beispiel die Radwegeführung für die Erikenstraße inklusive eines Brückenbauwerks – das würde den Lückenschluss darstellen zum Radwegenetz auf dem Bielefelder Stadtgebiet. In Angriff genommen werden soll auch die Steinhagener Straße von der Haller Straße bis zur Straße „Am Pfarrkamp“. Sie soll umgebaut werden; dabei wird ein Schwerpunkt auf die Radwegführung gelegt. Der Ausbau der Windelsbleicher Straße ist für 2026/27 geplant.
Drei Straßenkontrolleure vom Fachbereich Stadtreinigung prüfen das 470 Kilometer umfassende Gütersloher Straßennetz in regelmäßigen Abständen. Für die Reparaturarbeiten sorgt die Abteilung Straßenunterhaltung des Fachbereichs Tiefbau. „Je länger man mit Reparaturarbeiten wartet, umso teurer wird es“, sagt Sven vom Hofe, stellvertretender Fachbereichsleiter Tiefbau. Der entscheidende Grund: die dünne Personaldecke.
Allgemein dauern Baumaßnahmen lange. Von der Planung bis zur Beantragung von Fördermitteln und Genehmigungen über die Vergabe und letztlich bis zur baulichen Fertigstellung können schon mal drei Jahre ins Land gehen. Hinzu kommt, dass Straßenbauvorhaben oftmals mit Kanalbaumaßnahmen kombiniert werden. Klaus Meiertoberens vom Fachbereich Tiefbau stellt eine theoretische Rechnung auf: „Wenn wir heute beispielsweise den Auftrag für den Bau eines Rad- und Gehwegs bekämen, würde ein neuer Rad- und Gehweg erst 2026 freigegeben werden können. Sofern die Maßnahme förderfähig wäre, müsste der Fördermittelantrag bis Ende Mai 2024 bei der zuständigen Bezirksregierung Detmold vorliegen. Der Baubeginn wäre dann aber grundsätzlich erst im Folgejahr möglich.“
„Brauchen eine strategische Zielsetzung“
Auch wenn Gütersloh „auf einem guten Weg zur fahrradfreundlichen Kommune“ ist, wie ihr die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS) im vergangenen August mit Verleihung eines entsprechenden Siegels durch NRW-Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer bescheinigte, blickt Verkehrsplaner Gregor Küpper voraus: „Um die Mobilitätswende zu forcieren, brauchen wir aus dem politischen Raum eine strategische Zielsetzung, wo wir im Jahr x stehen wollen als Stadt Gütersloh. Um überhaupt strategische Zielsetzungen formulieren zu können, wurde im März 2023 eine so genannte Modal-Split-Erhebung durchgeführt, die eine repräsentative Aussage über das aktuelle Mobilitätsverhalten der Gütersloher Bürgerinnen und Bürger liefern wird.“ Dafür wurden mehr als 6.000 Gütersloher Haushalte angeschrieben und gebeten, an bestimmten Tagen zu notieren, welche Verkehrsarten sie benutzt haben. Die Ergebnisse der Erhebung werden laut Küpper am 10. August im Mobilitätsausschuss vorgestellt. „Anschließend wird es einen Abstimmungsprozess geben zwischen Verwaltung und Politik, um entsprechende Ziele zu definieren und am Ende einen Ratsbeschluss herbeizuführen.“ Welcher Zeitraum wäre realistisch? „Bis eine nachhaltige Veränderung im Mobilitätsverhalten beobachtet werden kann, vergehen lange Zeiträume, so dass strategische Zielsetzungen bis ins Jahr 2035 oder 2040 definiert werden müssen“, erläutert Küpper. „Zum Erreichen dieser Ziele müssen aber möglichst zeitnah die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden.“
gt!nfo sprach mit
Gregor Küpper, stellvertretender Leiter Fachbereich Stadtplanung,
Tobias Schwarzer, Radverkehrsbeauftragter der Stadt Gütersloh,
Sven Vom hofe, stellvertretender Leiter Fachbereich Tiefbau,
Klaus Meiertoberens, Abteilungsleiter Fachbereich Tiefbau