In aller Stille

Autor: Thorsten Wagner-Conert

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

07.10.2024

Dr. Franz Jungbluth (45), verheiratet, zwei Kinder, Zugereister, auf dem Parkgelände des LWL-Klinikums Gütersloh, Friedhof im westlichen Teil.


Manchmal braucht es den: diesen einen Ort, wo man mal allein mit sich ist, Gedanken sortiert, runterkommt, Stille genießt. Und da werden ganz unterschiedliche Plätze bevorzugt.

 

Foto und Text: Thorsten Wagner-Conert

 

Der Gütersloher Historiker Dr. Franz Jungbluth jedenfalls war ganz schnell entschieden, als er nach seinem Lieblingsplatz gefragt wurde. Er nannte einen, der in Gütersloh ein weithin unbekannter Ort ist: Der Friedhof im Park des LWL-Klinikums ist sein Ort für die Seele – und es ist einer, der Geschichte(n) erzählt. Thorsten Wagner-Conert hat sich mit Franz Jungbluth dort getroffen.

 

Eigentlich aus dem Süden der Republik, sind Franz Jungbluth und seine Frau nach gelebter Fernbeziehung vor zwölf Jahren jobbedingt in Gütersloh gelandet und – die Familie planend - geblieben. Hier hat er das Stadtmuseum geführt, arbeitet fürs Stadtarchiv, beherrscht professionelle Kommunikation – und der Historiker kann von unserer Stadtgeschichte nicht lassen, steckt tief in den Themen, wie beispielsweise auch denen rund um das LWL-Klinikum. Gelegentlich bietet er Führungen durchs Gelände an.

 

Versteckt am Rande

 

Während der Park vielen bekannt ist, verhält es sich mit dem Friedhof ein wenig anders: Der liegt relativ versteckt am oberen westlichen Rand der weitläufigen Anlage. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hatte ihm vor einigen Jahren mehr Aufmerksamkeit gewidmet: Seitdem berichten Erklärtafeln von besonderen Grabstätten, Schicksalen und oft schwieriger Geschichte. Hermann Simon liegt hier, der erste Leiter der Einrichtung (1914 – 1934), in Nachbarschaft zu vielen Patienten und anderen Klinikangehörigen. Beerdigt wird hier von Zeit zu Zeit immer noch – zum Beispiel, wenn Patienten sich das so gewünscht haben für ihren eigenen Todesfall.

 

Franz Jungbluth hatte schnell Zugang zur Gütersloher Geschichte, als er damals hierherkam. „Die Stadtgeschichts-Szene ist ja nicht so groß, als Museumsleiter musste ich ja – und wenn man mal zwei Nachmittage mit Stephan Grimm (dem damaligen Stadtarchivar) oder Norbert Ellermann gesprochen hat, dann schwirrte einem zwar der Kopf, aber dann war man auch tief drin in den Themen und Personen“, sagt der Wahl-Gütersloher über seine Erstkontakte. In Mannheim hatte er über die dortige Stadtgeschichte promoviert, „die zwar ganz anders ist, aber man weiß dann schon, wie so etwas gegliedert ist, wo man am geschicktesten nachguckt.“ Seit er als Zehnjähriger die Salzburger Festung gesehen hat, interessiert er sich für alte Geschichte.

 

Ein verwunschener Ort

 

Und so verhält es sich für ihn auch mit dem Klinikgelände in Gütersloh. Historisch sei das, vielschichtig, immer noch in Betrieb – und der Friedhof sei es auch. Ein verwunschen wirkender Ort, an dem er wirklich Ruhe findet. Franz Jungbluth geht auch an die Dalke oder in den Stadtpark zum Joggen – aber richtig allein für sich ist man eben nur hier.

 

Auch die Klinik hat ihre NS-Geschichte, Kranke wurden damals deportiert und ermordet. Ein großes Mahnmal erinnert an die Toten. Auf dem Gütersloher Klinikfriedhof haben Menschen ihre letzte Ruhe gefunden, die oftmals auch kein leichtes Leben hatten, die aber nicht Opfer des NS-Terrors waren. Franz Jungbluth sieht den Friedhof als friedlichen Ort. Ob es auch ein Ort der Versöhnung sei, das sei schwer zu ergründen, weil hier Hermann Simon und andere Klinik-Beschäftigte neben Patienten lägen und kaum etwas über deren Verhältnis zueinander zu erforschen sei.   

 

Den Namen zurückgeben

 

Die gegenüberliegende Kreuzkirche, das sei ein Ort der Versöhnung, „ganz sicher“. Vor zehn Jahren sei da ein Namensband eingerichtet worden, auf dem man alle 1.017 Namen der bekannten NS-Opfer hinterleuchtet hat. „Das ist eine unglaublich starke Geste, weil man jedem seinen Namen zurückgibt“, sagt Franz Jungbluth.

 

2019 hatte sich der Historiker fokussiert mit der Klinikgeschichte beschäftigt – anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Einrichtung. Und seitdem hat ihn der Ort nie wieder richtig losgelassen – anders als bei anderen Ausstellungen, die er für das Stadtmuseum gemacht hatte. Beim Gang durchs Gelände findet er immer wieder Aufhänger, um sich in die Klinikgeschichte zu vertiefen – an einzelnen Gebäuden zum Beispiel. In seinen VHS-Führungen erzählt er zur Geschichte von der Gründung bis in die 1970er Jahre, zeigt den Festsaal, berichtet über das Besondere der Bernhard-Salzmann-Klinik und vieles mehr.

 

Berührungspunkte für viele Gütersloher

 

Und dann kommt er auch immer wieder bei „seinem“ Friedhof an, weil den ja kaum einer kennt. Aber, auch das stellt Franz Jungbluth immer wieder fest, viele Gütersloher haben Berührungspunkte mit der Gesamtanlage, weil Verwandte dort gearbeitet haben, weil jemand aus der Familie dort zur Behandlung war – oder auch weil man früher zum Beispiel bei einer der legendären Karnevalsveranstaltungen im Festsaal dabei war. „Die Klinik hier wird nicht als Angst-Ort wahrgenommen, hier werden auch Sonntagsspaziergänge gemacht“, sagt Franz Jungbluth, der selbst lieber seinen eigenen Weg geht, den Weg auf den Klinikfriedhof – „mein Break aus der Routine“, wie er sagt.

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto:

 

Dr. Franz Jungbluth (45), verheiratet, zwei Kinder, Zugereister, auf dem Parkgelände des LWL-Klinikums Gütersloh, Friedhof im westlichen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Dr. Franz Jungbluth (45), verheiratet, zwei Kinder, Zugereister, auf dem Parkgelände des LWL-Klinikums Gütersloh, Friedhof im westlichen

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