Autor: Thorsten Wagner-Conert
Fotos: Thorsten Wagner-Conert
16.03.2025
Er stammt gebürtig aus Syrien, seine Familie wanderte mit ihm, als er ein Jahr alt war, nach Libanon aus. Elf Jahre später fand er seine Heimat: in Gütersloh. Hier ist Nabil Anni seit 1989 zuhause. Und seit 1999 ist er Deutscher. Thorsten Wagner-Conert traf den weitgereisten 48-Jährigen auf dem Konrad-Adenauer-Platz, seinem Lieblingsplatz.
„Als hier noch eine Menge Parkplätze waren, war er das nicht.“ Seitdem die Stadt das aber geändert habe, der Platz grüne Rasenflächen habe und seit im Sommer das Wasser der Springbrunnenanlage plätschere, seitdem sitzt Nabil Anni gerne hier. Wenn er einen Termin im Rathaus zum Beispiel hat, dann kommt er eine halbe Stunde früher, holt sich einen Kaffee in der Nähe, setzt sich auf den Konrad-Adenauer-Platz und beobachtet das Treiben. Ihm fällt auf, dass der Mix auf dem Platz bunter sein könne: „Bei den Älteren haben auffallend viele einen Migrationshintergrund. Bei den Jüngeren ist das aber prima gemischt.“
Nabil Anni hat viele Termine im Rathaus: Der Mann, „verheiratet, Familienvater von drei wunderschönen Töchtern“, er ist ein Paradebeispiel von gelungener Integration. Und er hilft, damit das auch anderen gelingt. Zunächst hat er dem Integrationsbeauftragten der Stadt, Frank Mertens, als ehrenamtlicher Sprachlotse zur Verfügung gestanden. Von da aus ging es auch in den Integrationsrat, dessen Vorsitzender Nabil Anni nun seit November vergangenen Jahres ist.
Er selbst kommt „aus der aramäisch-assyrischen Community“, entstammt einem Volk ohne Land, weil das 1923 unter Syrien, der Türkei, Iran und Irak aufgeteilt worden sei.
Nabil Anni hat eine sensible Wahrnehmung: Aktuell kippe die Stimmung in Migrationsfragen in Deutschland „nicht nur in der Politik und bei den Behörden, sondern auch bei den Bürgern. Man merkt, dass das Fass fast voll ist. Deutschland ist ein Willkommensland, wir sind ein offenes Land – aber wenn wir die Leute reinlassen, dann müssen wir uns auch um sie kümmern. Wenn man das nicht kann, sollte man es lieber sein lassen“, urteilt der Vorsitzende des Integrationsrates.
Er befürchtet Schlimmeres, sollte es dazu kommen, dass auch langjährig hier lebende Geflüchtete, deren Kinder vielleicht schon in Deutschland geboren wurden, abgeschoben werden: „Das wird viele Menschen und Familien zerstören.“
Für Nabil Anni selbst ist klar: „Unsere Heimat ist Deutschland. Wir haben keine andere Heimat, wir fühlen uns gut hier und hoffen, dass es diesem Land weiter gutgeht und dass es auch für die Zukunft unserer Kinder sicher ist, weil wir nicht vorhaben, irgendwo anders hinzugehen.“
Nach dem Sturz der syrischen Assad-Diktatur war die Freude zunächst groß. Die Christen aber seien der neuen Regierung gegenüber misstrauisch. Nicht die Zeit allein werde Syrien in Ordnung bringen. Die westlichen Mächte aber könnten das schaffen. „Aber will der Westen das, wo sich auch hier einiges geändert hat?“ Nabil Anni hat Zweifel: Spätestens seit Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump seien die Meinungen gespalten.
Selbst ist Nabil Anni gerne Gütersloher: „Sehr gerne! Ich habe zwischendurch eine Zeit in Schweden gelebt und dort Gütersloh sehr vermisst. Dann bin ich zurückgekommen. Die Stadt ist genau mein Geschmack. Gütersloh ist schön, eine kleine, eine ruhige Stadt. Ich bin Familienvater – und Gütersloh ist genau die richtige Stadt, um Kinder darin großzuziehen. Sehr familiär.“
Der Konrad-Adenauer-Platz ist Nabil Annis Platz in Gütersloh. Und Gütersloh ist sein Zuhause - so sehr, als wäre das nie anders gewesen.
Nabil Anni Foto: Thorsten Wagner-Conert