Der Platz-Halter

Autor: Thorsten Wagner-Conert

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

11.04.2024

Christian Heitmann liebt seinen Marktstand und den Berliner Platz.


Sein Leben findet an der frischen Luft statt – bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Der 31-jährige Christian Heitmann wurde in eine Markthändler-Familie hineingeboren – und genau diesen Beruf hat er im Blut. Thorsten Wagner-Conert traf sich mit dem jungen Mann an seinem Lieblingsplatz, der nicht wirklich überraschen kann: auf dem Berliner Platz und im Job.

 

Text und Fotos: Thorsten Wagner-Conert

 

Christian Heitmann ist eigentlich Herzebrock-Clarholzer (mit einem kurzen Wohn-Intermezzo in Gütersloh). Dreimal die Woche aber ist der Berliner Platz in Gütersloh sein Zuhause: „Der Berliner Platz ist wie Heimat“, sagt er, „hier lebe ich ja reichlich Stunden in der Woche und arbeite.“

 

Natürlich fallen ihm auch noch andere Gütersloher Lieblingsplätze ein, „kulturell ein guter Platz ist der Dreiecksplatz, das Wapelbad ist cool, die Weberei…“, aber diese Orte sieht er mangels Zeit kaum einmal.

 

Christian Heitmann trifft auf dem Berliner Platz den bunten Gütersloher Querschnitt:

„Jeden, von acht bis 80, ältere Damen und Herren, „freikulturelle“ Leute, Künstler, alle, es geht wirklich bunt durch die Gesellschaft“, sagt er und fühlt sich durch diese Begegnungen sehr bereichert.

 

Generell mache ihm jeder Kunde Spaß. Jeder sei etwas besonderes – und jeder bringe mehr oder weniger auch eine Lebensgeschichte mit. „Da kriegst du auch immer die Tagesform mit, ob es gerade gut oder schlecht läuft, wie es vorangeht im Leben – das ist das Spannende.“

 

Der junge Markthändler sieht viel – und er hört fast noch mehr. Er macht seinen Job schon seit fast 15 Jahren. „Da beobachte ich auch schon ganze Leben von der schwangeren Mutter hin zur 15-jährigen Tochter. Es ist unglaublich, aber du kriegst hier ganze Lebenswege mit.“

 

Zu vielen Stammkunden gibt es ein Vertrauensverhältnis – und da wird im Vertrauen auch eine Menge erzählt: „Wahrscheinlich weiß ich mehr, als man wissen dürfte” (lacht).

 

Der Arbeitsalltag von Christian hat so gar nichts mit 7,7 Stunden täglich zu tun – und natürlich auch nichts mit tariflichem Komfort: „Bei mir ist es aktuell so – gerade in der Hauptsaison mit Spargel, Erdbeeren, Kirschen und so weiter –  dass ich um 2 Uhr morgens anfange und ungefähr bis 20 Uhr abends arbeite. Das ist das daily business – und gerade sonntags ist dann meistens noch Büroarbeit dran.“

 

Während jeder „normale“ Arbeitnehmer sich auf die Suche nach einer Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen machen würde, nimmt Christian Heitmann sie schicksalsgleich hin: „Auf dem Wochenmarkt kannst du wahrscheinlich nicht normal sein. Ich bin hineingeboren worden, damit aufgewachsen, lebe mit den Kunden – das bewegt mich wohl, dabei zu bleiben.

 

Den Versuch, die unglaublich knappe Freizeit mit Sport zu füllen, hat er längst aufgegeben: American Football, Gewichtheben und Fitness, das war eine Leidenschaft, ist aber aktuell zeitlich überhaupt nicht mehr drin für den Marktmenschen, der auch noch Wochenmarktsprecher ist.

 

Mit seinen 31 Jahren, andere machen da normales Leben, Party, lernen Menschen kennen. Christian Heitmann aber hat das letzte Mal Alkohol vor wohl acht Jahren getrunken. Und die Disco oder der Club seien auch schon acht oder zehn Jahre her.

 

Die Freunde kämen immer zu kurz – „in der Nebensaison, im Winter ist es ein bisschen besser.“ Fast immer aber bliebe der Schlaf auf der Strecke.

 

Die Markthändler zoffen sich gerne mal mit Verantwortlichen über den Standplatz – nämlich immer dann, wenn es Aktionen gibt, die diesen Platz brauchen. Sie müssen dann an die Seite rücken oder direkt auf den Kolbeplatz gehen und sind deshalb genervt.

 

„Naja, jede Verlegung kostet uns 45 bis 50 Prozent Umsatz. Und das Geschäft wird nicht einfacher. Aber: Es sieht so aus, als könnte es sich zum nächsten Jahr hin deutlich verbessern für uns.“ Man sei in sehr guten Gesprächen mit Werbegemeinschaft, Ordnungsamt und Verkehrsverein, so dass es wohl bergauf gehen wird. Mehr verrät Christian Heitmann noch nicht. „Sagen kann ich aber, dass der Platz am Rathaus baulich vollkommen unbrauchbar ist und der Kolbeplatz nur die Hälfte der Stände fassen würde.“ Die Markthändler wollten ja keinen Krawall, aber der Wochenmarkt trage halt schon auch zur Belebung der Innenstadt bei.

 

Der junge Mann brennt eben für „seinen“ Platz, den Lieblingsplatz, den Berliner Platz. Der allerdings bekommt schon bald lebendige Konkurrenz. Ende Mai/Anfang Juni wird Christian Heitmann Vater. Er freut sich – und er weiß: Der Markt in Gütersloh wird dann seine zweitliebste Beschäftigung sein.

 

 


 

Unsere Website verwendet Cookies. Bleibst Du weiter auf unserer Website, scheinst Du nicht nur von der Seite begeistert zu sein, sondern stimmst auch der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen findest Du hier