Der grüne Lang-Rat

Autor: gt!nfo

Autor: Thorsten Wagner-Conert

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

03.11.2022


Sven-Georg Adenauer, warum sind ausgerechnet die Dalke-Auen der Lieblingsplatz?

 

Hier ist im positiven Sinn was von Menschenhand an der Natur gemacht worden. Hier kann man in Ruhe entspannen. Man merkt, dass sich die Menschen wohl fühlen – und so geht’s mir auch.

 

Ist der schwarze Landrat eigentlich ein Grüner?

 

Ich war immer schon grün. Mein Großvater (Konrad Adenauer, erster deutscher Bundeskanzler (CDU) von 1949 bis 1963) war sogar schon grün. Ich bin als Kind sehr, sehr oft in Schweden gewesen und habe die Natur da genossen. Und ich habe lange in der Eifel gelebt. Insofern: Natur gehört zu mir.

 


Vom Bundeskanzler zurück zum Landrat Adenauer: Der hatte sich möglicherweise vor zwei Jahren überlegt, ich mache mir eine angenehme letzte Legislaturperiode …

 

Wer sagt das denn? Also, ich kann das nicht gewesen sein. Das mag der ein oder andere vielleicht behauptet haben. Der Beruf macht mir wahnsinnigen Spaß. Wir sind jetzt in der Mitte dieser Wahlperiode. Die Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, ist noch nicht gekommen. Ich schätze mal, so in einem Jahr sehe ich da für mich klarer.

 

Aber die aktuelle Legislaturperiode hatten Sie sich so nicht gedacht: Plötzlich ist die Welt eine andere – und sie fordert Dinge, die man gar nicht vorhersehen konnte.

 

Das stimmt schon: Wer von uns hätte gedacht, dass es mal einen amerikanischen Präsidenten gibt, der Trump heißt und der wie ein Trampel agiert? Es hatte auch niemand gedacht, dass es eine weltweite Pandemie geben könnte, und es hat auch niemand gedacht, dass es mitten in Europa mal einen Krieg gibt.

 

Bleiben wir im Lokalen: Es hatte auch niemand gedacht, dass der Kreis Gütersloh Europas größter Hotspot in der Pandemie wird. Da bekam doch auch ein Landrat Adenauer kalte Füße?

 

Das stimmt. Das war eine besondere Herausforderung, und da waren wir in Deutschland auch nicht gut gelitten. Die Bundeskanzlerin rief bei mir an, das passiert ja auch nicht jeden Tag. Wir waren länger im Lockdown als andere in Deutschland, hatten keinen besonders guten Ruf. Das ist Gott sei Dank vergessen. Wichtig war damals, dass das Virus nicht in die allgemeine Bevölkerung überspringt – und das ist gelungen.

 

Bei der Geschichte wurde aber auch reichlich Porzellan zerdeppert …

 

Ja klar, das war ja auch eine Zeit des Kommunalwahlkampfes. Da wollte man dem Landrat ans Bein … Man hat das auch gemacht, aber ich konnte die Hose schnell wieder säubern. Das war schon eine harte Zeit – die Zeit, die mich am meisten beansprucht und gefordert hat.

 

Wie ist das Verhältnis heute zum Unternehmer Clemens Tönnies, in dessen Betrieb das Desaster ausbrach?

 

Es ist heute, wie es vorher auch war: Professionell-distanziert. Man kennt sich natürlich. Als Unternehmer hat er aus kleinsten Anfängen Tausende von Arbeitsplätzen hier in den Kreis Gütersloh geholt, das ist auch wichtig zu sagen. Natürlich gibt es Dinge, die man kritisch beäugen muss. Das ist auch geschehen, und in der Branche hat sich viel getan. Aber das Verhältnis war vorher professionell, und das ist es jetzt auch.

 

Nach der Pandemie – die noch nicht zu Ende ist – der Ukraine-Krieg mit reichlich Flüchtenden, die auch im Kreis Gütersloh ankommen: Ist das eine weitere Forderung oder eine Überforderung?

 

Eine weitere Herausforderung. Wobei ich diese Flüchtlingswelle anders erlebe als die von 2014/2015. Die Menschen, die jetzt in den Kreis Gütersloh kommen, sind oft nicht lange hier. Egal, ob Jobcenter, die Ausländerbehörde oder andere Institutionen und auch die Kommunen – wir kriegen das bis jetzt noch gut hin. Aber es dürfen auch nicht viel mehr werden. Doch genau das ist zu befürchten, wenn der Krieg noch länger andauert.

 

950.000 Ukrainer sind aktuell in Deutschland. Sie haben über „Sozialtourismus“ jetzt nicht geredet?

 

Nein, habe ich nicht. Ich halte den Begriff auch in dem Zusammenhang für deplatziert. Die Menschen, die jetzt zu uns gekommen sind, weil in ihrem Land die Bomben fallen, die haben aus meiner Sicht einen wahren Grund. Den Begriff „Sozialtourismus“ halte ich in dem Zusammenhang für falsch.

 

Blickt Sven-Georg Adenauer auf das nächste Jahr mit Angst oder Zuversicht?

 

Ich bin grundsätzlich ein zuversichtlicher, optimistischer Mensch. Das fällt mir im Moment aber verdammt schwer. Also, ich hoffe, dass da oben (blickt zum Himmel) doch jemand ist, der dafür sorgt, dass die Dinge in die richtige Richtung gehen. Erstmal aber steht uns ein harter Winter bevor. Und es wird nur dann besser werden, wenn der Krieg so schnell wie möglich zu Ende geht.

 

Zu dem „da oben“ scheinen Sie tatsächlich eine Verbindung zu haben?

 

Das ist so. Ich bin Katholik und bekenne mich auch offen dazu. Es ist einfach gut zu wissen, dass da jemand ist, an den man sich immer wenden kann. Das tue ich auch hin und wieder. In der heutigen Zeit und gerade jetzt ist das auch ein wichtiger Ansprechpartner für mich, aber auch für viele andere Menschen.

 

Funktioniert der Draht nach oben auch mittags in der Pause hier in den Dalke-Auen?

 

Wenn ich nicht gestört werde (lacht), dann klappt auch das, ja. Und wenn es besonders schön ist, dann ist auch mal Gelegenheit, dem da oben Danke zu sagen.

 

Unsere Website verwendet Cookies. Bleibst Du weiter auf unserer Website, scheinst Du nicht nur von der Seite begeistert zu sein, sondern stimmst auch der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen findest Du hier