Gekommen, um zu bleiben

Sybille Hilgert

Autor: Sybille Hilgert

Fotos: Kreutz

07.04.2023

Kultur


Das „Forum Lied“ hat in Gütersloh eine einzigartige Erfolgsgeschichte geschrieben. Der Initiator Professor Peter Kreutz, der an der Musikhochschule Detmold und der Kreismusikschule Gütersloh unterrichtet, hat es geschafft, dass bürgerliche Kunstlied von seinem Podest zu holen und mit der Reihe „Forum Lied“ in der Gütersloher Kultur fest zu etablieren. Jetzt beendet er die erfolgreiche Liedreihe. Wir blicken mit ihm zusammen zurück auf 24 Jahre „Forum Lied“ und wagen einen Blick in die Zukunft.

 

Interview: Sybille Hilgert

Fotos: Forum Lied

 

24 Jahre „Forum Lied“, 117 Programme, 1.400 Lieder! Sie können auf eine sehr erfolgreiche Geschichte dieses einmaligen Formates zurückblicken. Wie sind Sie damals auf die Idee gekommen?

 

…Kreutz: Den Anstoß gab das 175-jährige Stadtjubiläum im Jahr 2000. Ein Jahr vorher hatte ich die Idee (in der Sauna übrigens), dass ich die 175 in diesem Jahr mit Kunstliedern feiern kann. So startete im Januar 2000 die Lied-Reihe unter dem Namen „175 Jahre – 175 Lieder“. Im Jubiläumsjahr der Stadt Gütersloh wurden in sieben auf das Jahr verteilten Konzerten insgesamt 175 Lieder mit Studierenden meiner Klasse für Liedgestaltung an der Musikhochschule Detmold entsprechend der Jubiläumszahl aufgeführt. Die Neue Westfälische nannte die Reihe den „Überraschungserfolg der Saison“. Über die Jahre ist das „Forum Lied“ dann immer mehr ein bekannter und wichtiger Teil im Gütersloher Kulturleben geworden.

 

Wie sahen die Anfänge konkret aus?

 

…Kreutz: 1999 gab es vom Kulturamt einen kleinen finanziellen Zuschuss, und ich konnte mit den Planungen beginnen. Ursprünglich war nur eine Reihe am Sonntagmorgen vorgesehen, die ich eigentlich mehr zum Spaß als Abo-Veranstaltung anbot. Doch die war – dank eines Adressverteilers, den ich von Sigmund Bothmann bekommen hatte – sehr rasch ausabonniert. Also kam das Konzert am Samstagnachmittag dazu, so dass wir weitere Tickets für Interessierte anbieten konnten. Seitdem werden die Programme immer an jeweils zwei Wochenendterminen angeboten: samstags um 17 Uhr und sonntags um 11.30 Uhr.



Was ist das Erfolgsgeheimnis? Warum hat das Genre Lied in Gütersloh so einen Zuspruch?

 

…Kreutz: Wir wollten das Lied von seinem Podest holen, es nahbarer machen. Wir haben immer Geschichten rund um das Lied oder die Künstlerinnen und Künstler erzählt. Das gefiel dem Publikum und wir konnten in den Konzerten mit unserer hohen Aufführungs-Qualität überzeugen. Außerdem war es ein Glücksfall, dass die Presse uns von Anfang an so wohlwollend begleitet hat.

 

Was waren das für Geschichten?

 

…Kreutz: Gleich zu Beginn waren es Zahlenspiele rund um die 175: Lied 1-27, Lied 28-47, hinter allen sieben Konzerten der Eröffnungssaison standen die entsprechenden Zahlen, Lied 100 war eine eigene Geschichte, Lied 175 blieb gutgehütetes Geheimnis. „Frauen Leben, Frauen lieben“, „Lausche, lausche, wie das Meer singt“ hießen spätere Programme, die ich ja auch moderiere. Beim vergangenen Festival war es „Der lange Dürre, der kleine Dicke und der Junge von Sylt“, ein Abend rund um Brahms. Wir haben 2012 ein Konzert im Dunkeln gemacht. Die Besucherinnen und Besucher haben Schlafbrillen bekommen, wurden an ihre Plätze geleitet und hörten die Lieder in kompletter Dunkelheit. Wir haben einen Abend zu den „Großen und kleinen Lastern“ gemacht, in dem von der Gier, der Untreue oder der Eitelkeit erzählt wurde. Im letzten Konzert gab es Lieder rund um die Liebe vom 16. Jahrhundert bis heute.

 

2002 wurde bei uns die 1. Winterreise mit vier jungen Baritonen aufgeführt. Sie waren in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, dass sie den Liederzyklus allein hätten singen können. So die Reise „auf den Himalaya der Liedkunst“, wie das die Presse damals titulierte, zu viert. Und es war eine vollwertige Winterreise mit kleinen Spielerwechseln.

 

2009 sind Sie ins Theater „umgezogen“.

 

…Kreutz: Karin Sporer hat uns damals gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, die Reihe ins Theater zu verlegen. Ich habe mich über die Anfrage sehr gefreut, mich aber auch gefragt, was wir damit aufgeben. Es gab tatsächlich einige Abonnenten, die mit dem Umzug gehadert haben. Aber die Verlegung ins Theater war genau der richtige Schritt. Seit 2010 sind wir an dieser wunderbaren Spielstätte.

 

Unsere Künstlerinnen und Künstler, die ja meist aus anderen Orten kommen, sind jedes Mal total begeistert vom Theater. Die Studiobühne ist für uns einfach ideal. Es ist zwar bei sonnigem Wetter anstrengend für das Publikum in das große Panoramafenster zu blicken, aber der Ausblick ist einfach klasse. Ich freue mich auch immer, wenn Sängerinnen und Sänger von außerhalb kommen und total geflasht sind vom Theater – und von unserem begeisterten Publikum. So etwas gibt es wirklich nur in Gütersloh.  

 

 So ganz aufgegeben haben Sie die Kirchstraße aber nicht.

 

…Kreutz: Ab 2002 habe ich die Studierenden der Detmolder Gesangsklassen einmal im Jahr zu einwöchigen Kursen eingeladen, für zwei öffentliche Unterrichtstage sind wir Jahr für Jahr in die Musikschule gekommen. Mit deren Abschlusskonzerten wurde dann traditionell die neue Saison von „Forum Lied“ und gleichzeitig auch die Theatersaison eröffnet.

 

Wir haben vieles weiterentwickelt, aber auch einige Traditionen beibehalten – zum Beispiel das Plakat. Das hat über die Jahre einen hohen Wiedererkennungswert erreicht. Und dann gibt es ja noch die Geschichte mit den Blumensträußen. Die Blumensträuße, die am Samstag verteilt werden, werden wieder eingesammelt und am Sonntag noch einmal verteilt. Das wissen alle, und die Sängerinnen und Sänger haben daran sehr viel Spaß.

 

 Gibt es ein Lieblingskonzert?

 

…Kreutz: Mein Lieblingskonzert ist immer dasjenige, an dem ich arbeite. Beim Programm, das ich gerade übe, bin ich immer mit ganzem Herzen dabei.

 

Was zeichnet das Gütersloher Publikum aus?

 

…Kreutz: Wir haben ein sehr treues und gemischtes Publikum, das über die Jahre gewachsen ist. Diejenigen, die zu Beginn der Konzertreihe noch zu jung waren, die kommen jetzt.

 

 Was ist das Besondere am Kunstlied?

 

…Kreutz: Beim Lied treffen zwei Künste aufeinander: die Lyrik und die Musik. Das Kunstlied ist eine stille Kunstform, bei der eine unglaubliche Intimität und Konzentration entsteht. Auf der Bühne sind nur eine Sängerin oder ein Sänger und der Mann am Klavier. Nichts lenkt davon ab. Ich finde es sehr faszinierend, wie still es in unseren Konzerten auch im Publikum ist. Das berührt mich sehr.

 

 Warum hören Sie auf, wenn es doch so schön läuft?

 

…Kreutz: Ich muss ja irgendwann aussteigen, sonst wird es eine unendliche Geschichte. Es kommt dazu, dass das Forum Lied auch in meinem Privatleben sehr viel Platz eingenommen hat. Viele Geschichten habe ich für das Forum Lied mit erzählt in Pressegesprächen und Reportagen, auch hier im gt-!nfo. Für einen Bericht mit einem Tageszeitungs-Redakteur bin ich morgens mit ihm laufen gegangen. Das hätte ich als Privatperson Peter Kreutz wohl eher nicht getan, aber für das Forum Lied schon. Ich freue mich darauf, mich etwas mehr in die zweite Reihe zu stellen und mehr Zeit für die Familie zu haben.

 

 Fällt Ihnen der Abschied schwer?

…Kreutz: Bei der Ankündigung habe ich mir gewünscht, dass wir alle diese letzte Runde genießen. Ich wollte eine fröhliche Saison machen und das ist auch gelungen. Das letzte Konzert mit dem Titel „Zu guter Letzt“ – schon wieder eine Geschichte- wird noch einmal richtig innig und zu Herzen gehend und das ist zum Abschied genau richtig. Ich bin allerdings schon ein wenig emotional und ein bisschen wehmütig.

 

Aber es ist ja nicht komplett Schluss…

 

…Kreutz: Aus „Forum Lied“ wird „Fokus Lied“, eine Lied-Reihe als reguläres Theater-Abo, das ist für mich die größte Würdigung, die ich bekommen kann. Das finde ich einfach großartig. Mein hauptamtlicher Kollege Manuel Lange, mit dem ich zusammen in Detmold an der Hochschule unterrichte, wird diese Reihe gestalten. Er wird es anders machen als ich und das ist auch gut so. Das „Forum Lied“ verabschiedet sich, aber das Lied bleibt in Gütersloh.

 


 

 

 

 

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