Das Artensterben als Entertainment-Reality-Show

Sybille Hilgert

Autor: Sybille Hilgert

Fotos: Esra Rothoff

05.01.2025

Kultur

Das Artensterben als Entertainment-Reality-Show 


Wer überlebt das Artensterben? Krokodil, Panda, Fledermaus – oder doch der Mensch? Das Autorenduo Yael Ronen und Itai Reicher hat das im Stück „Planet B“ thematisiert und das Berliner Gorki-Theater bringt die bitterböse Science-Fiction-Komödie auf die Bühne des Gütersloher Theaters.


Frau Ronen, wie sind Sie auf die Idee zu „Planet B“ gekommen?

… Yael Ronen: Ich war auf einem Retreat in Costa Rica, einem Land mit atemberaubender Natur und einer großen Artenvielfalt. Aber auch hier sind die Folgen des Klimawandels unübersehbar. Der Meeresspiegel steigt, die Strände sind weitestgehend verschwunden. Hier ist man nahe an der Natur und spürt den Klimawandel um so mehr. Wenn man in der Stadt ist, bleibt der Klimawandel eher abstrakt. Die Situation in Costa Rica hat mich so betroffen, dass ich mich quasi in meinem Kopf mit unterschiedlichen Tieren unterhalten habe. Und so entstand langsam die Idee, ein Stück über Klimawandel und Artensterben zu machen.


Kann man denn das Massensterben und die Klimakatastrophe als Komödie zeigen?

…Yael Ronen: Es ist sehr schwer, mit Menschen über diese Themen zu sprechen. Meistens kommen nur harte Daten und Fakten zur Sprache und damit kann man Menschen nicht berühren. Das funktioniert nur über Emotionen. Meiner Meinung nach kann man Menschen bei diesen ernsten Themen nur mit Humor und Storytelling wirklich nahebringen.

Im Stück sind unter anderem die Tierarten Huhn, Krokodil, Fledermaus und Panda vertreten? Warum ausgerechnet diese Tiere?


… Yael Ronen: Ich wusste ja, welche Darstellenden im Stück mitspielen. Das war meine erste Vorgabe. Auf der anderen Seite sollten die ausgewählten Tiere stellvertretend für gewisse Eigenschaften und Probleme stehen. Das Krokodil vertritt eine Spezies, die es schon Millionen Jahre gibt und die quasi jedes Massenaussterben überlebt hat. Das Huhn ist eine sehr erfolgreiche Spezies, wenn man danach geht, wie viele es von ihnen auf der Welt gibt. Auf der Seite werden Hühner durch die Massentierhaltung von den Menschen, mit denen sie ja eine sehr enge Beziehung haben, misshandelt. Die Fledermaus habe ich gewählt, weil sie einen lokalen Bezug zu Deutschland, speziell zu Berlin hat. Davon abgesehen hat sie ein sehr schlechtes Image. Und der Panda ist der Posterboy der Ausrottung. Im Stück wartet er nur darauf, dass er endlich aussterben darf.


Wie lange musste der Schauspieler Jonas Dassler für den Fledermaus-Stunt auf der Bühne üben?

… Yael Ronen: Für die Proben hatte er zwei Monate Zeit. Und in dieser Zeit hat er das perfekt hinbekommen. Ich weiß allerdings auch nicht, wie oft er in seiner freien Zeit geübt hat, lange Zeit kopfüber an einer Stange zu hängen.


Was ist das für ein Wettbewerb, in dem ein Mensch gegen die unterschiedlichen Tierrassen antritt?

… Yael Ronen: Der Wettbewerb heißt „Extinction Entertainment“. Die Regeln bleiben für die Zuschauenden, aber auch für die Darstellenden eher mysteriös. Eigentlich verstehen sie die Regeln nicht – ähnlich wie bei einer krassen Version von „Big Brother“.


Wie ist das Konzept für das Bühnenbild und die Kostüme entstanden?

…Yael Ronen: Ich habe mit zwei wunderbaren Künstlern zusammengearbeitet: Wolfgang Menardi für das Bühnenbild und Amit Epstein für die Kostüme. Ich habe ihnen meine Ideen vorgestellt. Daraus hat dann Wolfgang dieses kraftvolle Konstrukt zwischen Raumschiff und zerstörter Erde entwickelt, das noch dadurch unterstrichen wird, dass die Bühne schräg steht. Und die Kostüme von Amit, die die wesentlichen Tiercharakteristika herausheben, umschiffen die Gefahr, dass die Darstellenden aussehen wie die Teilnehmer einer Kinder-Geburtstagsparty. 



Planet B – das Stück

„Planet B“ vom Autorenduo Yael Ronen und Itai Reicher ist eine bitterböse Science-Fiction-Komödie über das Artensterben. In vielen Millionen Jahren erzählt eine der vielfältigen Humanoiden-Arten, die heute die Galaxien bevölkern, den Mythos, wie der Homo Sapiens vom Planeten Erde verschwand und zum Planeten B gelangte. Ihre Erzählung beginnt auf der Erde im 21. Jahrhundert, wo die Klimakatastrophe ungebremst wütet und viele Arten bereits ausgestorben sind. Da erscheinen plötzlich Außerirdische und teilen der Menschheit mit, dass das »Projekt Erde« in seiner jetzigen Form leider nicht verlängert werden könne. In der Reality-Show. In „Extinction Entertainment“ soll darüber entschieden werden, welche Arten aussterben und welche überleben und so konkurrieren der Mensch mit Panda, Huhn, Ameise, Fuchs, Krokodil und Fledermaus in einem Rennen der Spezies um die Neubesiedelung der Erde. Dabei geht es nicht um Fakten, sondern eher darum, wer das größte Unterhaltungspotential hat.

 

Planet B

Theater Gütersloh

Samstag, 18. Januar ½19.30 Uhr

Sonntag, 19. Januar  19.30 Uhr

 

https://youtu.be/SWPOW57SPos


Yael Ronen: Die östereichisch-israelische Autorin und Regisseurin schrieb das Stück „Planet B“ zusammen mit Itai Reicher.


Völlig losgelöst – das aufwändige Bühnenbild von „Planet B“.

Foto: Stefano Di Buduo


Wenn Aliens das Ende der Menschheit verkünden… Bei „Planet B“ spielen unter anderem Dimitrij Schaad und Niels Bormann.

Foto: Ute Langkafel Maifoto

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