Autor: gt!nfo
Fotos: Susanne Zimmermann
22.12.2023
Kontinuität hatte einen Namen: Brigitte Büscher. Um die 800 Sendungen lang brachte die Gütersloher Journalistin beim Polit-Talk „hart aber fair“ Zuschauerreaktionen auf den Punkt – sachlich, unaufgeregt, abwägend. „Fair“ eben. Am 11. Dezember sie stand zum letzten Mal mit Louis Klamroth am Moderatorentisch. Nach 23 Jahren endete die Ära Büscher, nicht aber die der Beiträge für unterschiedlichste Fernsehformate. Denn Brigitte Büscher ist vor allem eines: eine leidenschaftliche Journalistin.
Text: Susanne Zimmermann
Der Medienkritiker Hans Hoff hat Brigitte Büscher einmal als „Mutter Teresa in der Kältekammer des plappernden Egoismuswahns“ charakterisiert und sich mehr „Brigitte-Büscher-Momente“ bei „hart aber fair“ gewünscht. „Brigitte Büscher schafft es auf wundersame Weise, extremes Pro und ausuferndes Kontra zu einem Dialog zu verschmelzen.“ Über Zitate dieser Art gleitet sie geradezu abwiegelnd hinweg. Kein „Fishing for Compliments“ stattdessen Verweis auf das „tolle verlässliche Team“ der Produktionsfirma, zu dem etliche Kollegen und Kolleginnen ebenfalls seit 2001 gehörten. Und auch die liebevolle Persiflage von Comedian Pierre M. Krause, der auf You Tube den Song „Brigitte Büscher“ im gutsitzenden Business-Kostüm performt, kommentiert sie mit lächelnder Gelassenheit. Der allerletzte Beweis für Prominenz? „Na ja,“ sagt Brigitte Büscher. Sie sei damals zusammen mit Frank Plasberg in Krauses SWR-Late-Night-Show eingeladen worden. „Das hat Spaß gemacht.“ – „Und ich habe ihm gesagt, dass er die schöneren Beine hat.“
Das soll nun alles vorbei sein?
„Jetzt ist Zeit für was Neues,“ kontert Brigitte Büscher. Sie hätte bleiben können, auch nach dem anstehenden Wechsel der Produktionsfirma 2024. Sie ist geblieben, als Frank Plasberg voriges Jahr den Generationswechsel vollzog und an Klamroth übergab – ein bekanntes Gesicht als Konstante, das dem Nachfolger den Einstieg auch etwas leichter gemacht haben mag. „Doch irgendwann ist mal Schluss,“ sagt Brigitte Büscher ganz sachlich, wie das ihre Art ist und führt als Argument größere Freiheit ins Feld. 23 Jahre war die Woche über mindestens drei Tage bestimmt von Dreharbeiten, Sendungsvorbereitungen, langen Auto- und Bahnfahrten zu Drehorten und zur Aufzeichnung in Köln oder Berlin („fifty-fifty“), inklusive nächtlicher Rückreisen zur Familie nach Gütersloh, das immer Lebensmittelpunkt blieb. Dass dabei überhaupt noch Zeit war für Lokalzeit-Beiträge, für Porträts wie das über den Talkshow-affinen Politiker Wolfgang Bosbach oder für WDR-Dokumentationen zum Format „Heimatflimmern“ (zum Beispiel „Little Tokyo – Japan in NRW“) scheint da schon außergewöhnlich und ist wohl der strukturierten Arbeitsweise von Brigitte Büscher zu verdanken.
Aktualität ist Teil der Büscherschen DNA
Ihre langjährige Erfahrung im Bereich „Aktuelles“ kommt ihr dabei ebenfalls zugute. „Aktuelle Stunde“, „hart aber fair“, „Lokalzeit“: schnelles Arbeiten, Umdenken, wenn ein Thema kurzfristig aktualisiert oder gar geändert werden musste, ist Teil der Büscherschen DNA. Dass das noch am Sendetag geschieht, kam zwar eher selten vor, war aber nicht ausgeschlossen. Als der deutsche Kardinal Ratzinger zum Papst Benedikt wurde, war das so, erinnert sich Büscher. Das hieß fürs Team: Neue Gäste, neue Beiträge. Glücklicherweise sei damals Norbert Blüm für das ursprüngliche Thema eingeladen gewesen, der wiederum kompetente Beiträge auch zum neuen Papst liefern konnte. Ein Problem weniger.
Ebenso blieb die Veränderung Konstante der Sendung, auch wenn das Format „hart aber fair“ zu den Langzeit-Überlebenden in der analogen Fernsehlandschaft gehört. Am Anfang spiegelte sich die Bindung zum Publikum an den Bildschirmen über ein Telefoncenter wider, das sichtbarer Teil des Studios war. Mit den Websites kam der Eintrag ins Gästebuch und später schließlich der Kommentar über Social Media.
Dass sich auch die Diskussionskultur in all den Jahren verändert hat, gilt nicht nur für die Gäste, sondern auch für die Zuschauer. Wie überall ist der Ton rauer und emotionaler geworden, es gibt laute Stimmen und häufig die „schweigende Mehrheit“, die nicht mit Klarnamen die Diskussion befeuern will. Auch Brigitte Büscher, die – unterstützt vom Team – die Auswahl der Stimmen zusammenstellt, kennt die Dauerschreiber, die Nörgler und diejenigen, die hinter jeder Auswahl den „linken Sender“ wittern, der nur das ins Bild setzt, was ihm genehm ist. Manchmal ist die Grenze zur Beleidigung erreicht. Bedrohungen habe es aber nicht gegeben, bilanziert Brigitte Büscher.
Der Abschied: „Kurz und hoffentlich schmerzlos“
Umso wichtiger sind ihr angesichts solcher Entwicklungen der direkte Kontakt über die Straßenumfragen, „wo die Menschen ihr Gesicht zeigen“ und die Einordnung der Zuschauer-Meldungen in repräsentative Umfragen, die über Grafiken eingeblendet werden. Die Straßen-Interviews führten sie durch die ganze Republik, für einen Beitrag-Dreh zum Thema „Erziehungsideale“ flog sie in der Vergangenheit auch einmal drei Tage in Shanghai („Das ist aber schon lange her“). Überhaupt: Der direkte Kontakt zu den Menschen und die unendlich vielen Geschichten, die sich daraus entwickeln, bleiben auch für die Zukunft der Schwerpunkt in Brigitte Büschers beruflicher Agenda. Den Menschen, die sie dabei in 23 Jahren „hart aber fair“ unterstützt haben, hat sie in ihrer letzten Sendung Dankeschön gesagt, freundlich, professionell – fast wie immer. Aber wir haben ein kleines Glitzern in ihren Augen gesehen.
Hintergrund:
Brigitte Büscher, 56 Jahre, in Gütersloh geboren, aufgewachsen und geblieben, hat nach ihrem Studium, die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg absolviert und kam danach als freie Journalistin zum WDR. Brigitte Büscher ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Bis 2022 verantwortete sie elf Jahre lang ehrenamtlich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Gütersloher Bürgerstiftung.
Frank Plasberg, ihr Chef bei der Aktuellen Stunde, holte Büscher 2001 ins Team für die neue Sendung „hart aber fair“, deren Grundprinzip die aktive Einbindung der Zuschauer, der direkte Faktencheck und die Alternative zur eher unstrukturierten Ego-Performance einiger damaliger Polit-Talkshows war. Plasbergs Produktionsfirma hat die Sendung nach seinem Ausscheiden Ende 2022 weiter produziert. Für die Art und Weise des nun anstehenden Wechsels hat er seinen Nachfolger in einem Interview deutlich kritisiert.