Wie geht Glück?

Sybille Hilgert

Autor: Sybille Hilgert

Fotos: Katrin Helena Ernst

11.03.2024


Wie geht Glück?

 

Der Internationale Tag des Glücks wird jedes Jahr am 20. März 2024. Mit dem Tag soll die Bedeutung des Strebens nach Glück und Wohlbefinden bewusst gemacht werden. Aber was ist Glück und wie kann man glücklich werden? Das wollten wir von Katrin Helena Ernst, Coach und Supervisorin, wissen.

 

Was ist Glück für Dich?

 

…Ernst: Für mich ist Glück immer eine Wahl: Ich glaube, dass ich in vielen Situationen die Wahl habe zwischen unterschiedlichen Wegen. Das Leben fragt mich an und es geht darum, eine sinnerfüllte Antwort darauf zu finden. Diese Fragen des Lebens muss man erst einmal wahrnehmen, darauf reagieren und dann das Gefühl haben: Ich lebe mein Leben und nicht das Leben von jemand anderem. Das ist für mich Glück. Es hat für mich viel mit dieser Freiheit der Wahl zu tun.

 

Wann hast Du in letzter Zeit Glück empfunden?

 

…Ernst: Ich war zum ersten Mal an der Vorbereitung und Durchführung der Vesperkirche beteiligt. Diese eine Woche in der Martin-Luther-Kirche hatte einen ganz besonderen Zauber. Hier kamen so viele unterschiedliche Menschen und Lebensentwürfe zusammen und es gab Raum für alle. Diese Begegnungen, das Geben und das Nehmen in all der Unterschiedlichkeit war eine besondere Form, miteinander in Resonanz zu kommen.

 

Sind Neugier und Offenheit wichtig für das Glücksgefühl?

 

…Ernst: Für mich ist Neugier auf das Leben ganz wichtig. Neues kann nur entstehen, wenn wir das Gewohnte durchbrechen. Unser Gehirn ist aber so strukturiert, dass es das Vertraute als sicher wahrnimmt. Daher ist es nicht so einfach, Neues auszuprobieren. Aber wenn wir neue Pfade betreten, entstehen auch neue Verbindungen im Gehirn.

 

Kann man sich dazu bewegen, neugieriger zu werden?

 

…Ernst: Unser Gehirn kann einer Sache nicht widerstehen - und das sind Fragen. Wir können uns selber befragen und miteinander ins Gespräch kommen. Fragen öffnen und zeigen uns neue Wege. Gerade wenn wir denken, wir kennen uns schon so gut, kann es sehr inspirierend sein, mit einer neuen Brille auf das Gegenüber zu schauen. Eine Weile lag bei uns am Küchentisch das Kartenset Spiel „90 Fragen, die verbinden” mit herrlichen Anregungen!

Ich kann mich aber auch selber nach meiner inneren Zustimmung fragen: Mag ich mein Leben, mit all dem, was es ausmacht? Mag ich mich in meinem Leben? Wie würde ich leben, gäbe es kein morgen?


 Wenn wir solche Gewohnheitstiere sind … Wie kann ich etwas ändern?

 

…Ernst: Warum nicht mal einen ‚verkehrt herum’-Tag einlegen? Einfach nur, um uns und unser Gehirn auf gute Weise zu irritieren: Das fängt beim Frühstück, beim alternativen Weg zur Arbeit und Kleinigkeiten wie neuer Musik an. Warum nicht mal wieder alte, bereits in Vergessenheit geratene Lieblingsbeschäftigungen wieder aufleben lassen? Wir können immer wieder schauen, wo unsere Kraftquellen liegen. Diese Dinge können wir dann zur Gewohnheit werden lassen - und zwar in ganz kleinen Schritten. Das Geheimnis liegt im Dranbleiben.

 

Hat man ein Recht auf Glück?

 

…Ernst: Mir gefällt der Satz nicht. Denn damit sucht man die Verantwortung im Außen und nicht bei sich selbst. Das klingt wie ein quengelndes Kind und hat so eine wütende Anspruchshaltung. Ich bin für mein Leben selbst verantwortlich und kann nicht immer andere für mein Glück oder Unglück verantwortlich machen.

 

 

Wo kann man im Alltag Glück finden?

 

…Ernst: Überall. Ich bin eine große Anhängerin von Viktor Frankl und seinem Schüler Alfried Längle, bei dem ich eine Ausbildung gemacht habe. Viktor Frankl hat in seinem Buch „… und trotzdem Ja zum Leben sagen” von seinen Erlebnissen im Konzentrationslager berichtet. Er hat gesagt: „Ihr könnt mir nicht alles nehmen.”, hat sich bei den fürchterlichen Morgenappellen an der Morgenröte und dem Zwitschern der Vögel erfreut. Auch das ist für mich Glück: In so einer Situation nicht nur das Schlimme zu sehen. In jedem Unglück steckt auch etwas anderes.

 

Das ist aber wirklich die hohe Kunst!

 

…Ernst: Mir fällt das auch nicht immer leicht, wenn liebe Menschen erkranken oder wir Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Gleichzeitig glaube ich, dass wir unterschiedlich mit Situationen umgehen können. Denn ich habe immer die Wahl, wie ich meine Geschichte schreibe.

 

Was ist mit weniger Privilegierten?

 

…Ernst: Es gibt immer noch viele Umstände, die Ungleichheit produzieren. Das will ich nicht beschönigen. Ganz viel meiner Privilegien hat beispielsweise damit zu tun, dass ich in diesem Land geboren wurde, die Möglichkeit zu einer guten Ausbildung hatte und eine liebevolle und wohlwollende Umgebung. Da war ganz viel vorher schon klar, auf das ich keinen Einfluss hatte. Was nicht heißt, dass man in der ärmsten Hütte dieser Welt unglücklich sein muss. Denn wie schon gesagt, ich habe immer eine Wahl, wie ich mit den Dingen umgehe. Und doch gibt es noch zu unterschiedliche Startpositionen in Biographien.

 

In vielen asiatischen Ländern machen viele Menschen trotz der dort herrschenden Armut zumindest nach Außen einen glücklichen Eindruck.

 

…Ernst: Ich war noch nie in diesen Ländern, habe aber mal einen tibetischen Mönch zum Thema Glück interviewt. In unserem Gespräch erzählte er, wie er in Europa das erste Mal vor einem Wasserhahn stand und ihm jemand erklärte, wie der funktioniert und einfach Wasser herausströmte. Diese Freude, die er damals empfunden hat, die schwappte in unserem Gespräch ungefiltert auf mich über. Ich habe selten einen erwachsenen Menschen erlebt, der so eine kindliche Freude in sich hatte. Vielleicht ist auch das ein Glücksgeheimnis: Sich ganz viel Kindliches zu bewahren und die Freude an dem, was uns das Leben schenkt, wach zu halten.

 

 

 

 


Unsere Website verwendet Cookies. Bleibst Du weiter auf unserer Website, scheinst Du nicht nur von der Seite begeistert zu sein, sondern stimmst auch der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen findest Du hier