Autor: Sybille Hilgert
Fotos: Wolfgang Sauer
01.01.2025
Kinder und Jugendliche werden in unserer Gesellschaft häufig überhört. Dabei möchten und müssen sie mitreden können. Das geht beim Kinder- und Jugendbeirat der Bürgerstiftung Gütersloh. Er bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich aktiv an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Wir sprachen mit den Beiratsmitgliedern Anouk Gomersall und Jannis Fiedler sowie der Projektverantwortlichen Beate Hinrichs über die Arbeit des Beirates.
Der Kinder- und Jugendbeirat der Bürgerstiftung Gütersloh besteht seit etwa 1,5 Jahren und hat das Ziel, seine Mitglieder frühzeitig an gesellschaftliches Engagement heranzuführen, um später auch als Erwachsene für andere Verantwortung zu übernehmen. Initiator der Beiräte ist die Organisation „Children for a better world“ aus München, die gerade ihr 30-jähriges Jubiläum feierte. „Insgesamt gibt es ca. 15 Kinder- und Jugendbeiräte in Deutschland, die aber nicht nur bei Bürgerstiftungen, sondern auch bei großen Firmen und natürlich bei „Children“ selbst beheimatet sind“ so Beate Hinrichs.
Der Gütersloher Beirat unterstützt Projekte gemeinnütziger und öffentlicher Einrichtungen, bei denen die Förderung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund steht, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die sich aufgrund ihres materiellen, körperlichen, seelischen oder geistigen Zustands in besonderen Notsituationen befinden. Ein Schwerpunkt liegt auch auf Projekten, die Hilfe zur Selbsthilfe sowie eine Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen ermöglichen.
„Wir wollen etwas bewirken“
Die erste Sitzung in Gütersloh fand im November 2023 statt. Anouk (16 Jahre) und Jannis (12 Jahre) sind von Anfang an dabei. Anouk, die an der Gesamtschule Ahornallee ist und hier unter anderem am Projekt „Green School“ beteiligt war, hat besonders begeistert, dass man mit der Projektarbeit wirklich etwas bewirken kann. Jannis, der zum ESG geht, findet es toll, dass man Menschen helfen kann, aber auch Verantwortung übernehmen muss.
Das Thema Verantwortung spielt eine große Rolle im Beirat. Dieser tagt zweimal im Jahr und entscheidet über eingegangene Projektanträge. Die Bürgerstiftung stellt dafür jährlich
10.000 Euro aus dem Wössner Jugendfonds zur Verfügung. Pro Sitzung steht ein Budget von 5.000 Euro zur Verfügung, das auf unterschiedliche Projektanträge verteilt werden muss. Genehmigte Projekte werden bis zu einer Höhe von 1.500 Euro gefördert.
Die Jugendlichen beschäftigen sich mit Projekten, für die sie jeweils zu zweit die Präsentation übernehmen, besuchen die Antragsteller zum Teil auch vor Ort und stellen die Projekte dann bei der Beirats-Sitzung vor. In der Gruppe wird diskutiert, welches Projekt den vorgegebenen Kriterien Dringlichkeit, Nachhaltigkeit, Reichweite, Wirkung und Konzept am meisten entspricht und danach wird entschieden, wer wie viel Geld bekommt.
„Das macht mich richtig stolz“
„Und da muss man Prioritäten setzen“, sagt Beate Hinrichs, „denn die 5000 Euro müssen gerecht verteilt werden“. „Nach ein paar Monaten schauen wir uns die umgesetzten Projekte noch einmal an und dann sehen wir, dass sich wirklich etwas geändert hat. Und das macht mich richtig stolz“, freut sich Anouk. Grundsätzlich können die Jugendlichen Anträge auch ablehnen, erzählt Hinrichs. Das Wichtigste aber ist: „Die Kinder entscheiden allein. Ich moderiere das Ganze, wobei ich in Zukunft von Axel Rotthaus, dem ehemaligen Leiter des Städtischen Gymnasiums, unterstützt werde.“
„In den Diskussionen muss man schon Kompromisse eingehen. Ich habe gelernt, dass ich meine Meinung auch zurücknehmen kann und muss“, so Jannis, dem das früher immer schwergefallen ist. Anouk fügt hinzu, dass man auch lernt, mit Geld umzugehen und verschiedene Sichtweisen zu akzeptieren. „Mir sind Projekte am wichtigsten, bei denen Jugendlichen Skills beigebracht werden, die sie im Leben wirklich brauchen und die sie im Elternhaus nicht gelernt haben, etwa der Umgang mit Geld. An der Anne-Frank-Schule haben wir ein Projekt bewilligt, bei dem Jugendliche lernen sollen, Zug zu fahren, sich an Bahnhöfen und in fremden Städten zu orientieren oder auch einkaufen zu gehen“, so Anouk.
Einsatz für mentale Gesundheit
Auch das Thema mentale Gesundheit liegt Jannis und Anouk sehr am Herzen. So wurde etwa der Antrag der Soul Buddies aus Rheda-Wiedenbrück, die sich auch um junge Menschen in Gütersloh kümmern, unterstützt. „Kinder und Jugendlichen in psychischen Problemlagen können ohne lange Wartezeit dort Unterstützung finden, bis sie einen Behandlungsplatz gefunden haben, was ja oft sehr lange dauert. Und das ist total wichtig“, sagt Jannis, der weiß, wie schlecht es Mitschülern geht, die zum Beispiel ein Elternteil verloren haben.
Beate Hinrichs war besonders beeindruckt vom Antrag des Jugendtreffs „Bauteil 5“. Hier sollte ein Fitnessraum für Jugendliche eingerichtet werden, damit diese nicht nur mehr in Bewegung kommen, sondern sich auch stark fühlen können. „Jetzt haben sie Fitnessgeräte, die sie unbedingt brauchen, und die Kinder können das Angebot gratis wahrnehmen.“
Anouk und Jannis sind überzeugt, dass ihnen die Arbeit im Beirat auch persönlich geholfen hat. „Es macht sehr viel Hoffnung, dass man aktiv werden und etwas verändern kann. Und diese Hoffnung möchte ich weitergeben“, sagt Anouk.
Beate Hinrichs betont, dass es besonders wichtig sei, dass die 16 Mitglieder des Beirates von allen weiterführenden Schulen in Gütersloh kommen. So sei eine große Heterogenität gewährleistet. Hinrichs freut sich sehr, dass die Bürgerstiftung den Kinder- und Jugendbeirat gegründet hat, und berichtet begeistert von einer Hospitation beim Verein „Children“ in München. Jede Sitzung des Beirates sei spannend und es sei frappierend, mit welcher Begeisterung und Konzentration die Kinder und Jugendlichen bei jeder Sitzung dabei seien. „Dieses Projekt ist für alle eine Schule fürs Leben.“
Der Kinder- und Jugendbeirat Gütersloh
Mitglieder sind 8 Mädchen und 8 Jungen im Alter von 10 bis 18 Jahren. Die Diversität in der Besetzung steht im Fokus, daher kommen die SchülerInnen von allen Gütersloher Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien. Die Sitzungen des Beirates gibt es zweimal jährlich. Etwa sechs Wochen vor der jeweiligen Sitzung trifft sich der Beirat zu einem gemeinsamen Essen, um Anträge zu besprechen, Aufgaben zu verteilen und sich auszutauschen. Die nächste Sitzung findet am 5. April 2025 statt.
Wer noch einen Antrag auf Zuschüsse einreichen will, der muss das bis zum 21. Februar 2025 machen.
www.buergerstiftung-guetersloh.de
Anouk Gomersall (16 Jahre) und Jannis Fiedler (12 Jahre) engagieren sich seit letztem Jahr im Kinder- und Jugendbeirat der Bürgerstiftung Gütersloh.
Beate Hinrichs leitet das Projekt bei der Bürgerstiftung.
Anouk sind Projekte wichtig, bei denen Jugendliche Skills lernen, die ihnen im Elternhaus nicht beigebracht wurdenn.
Jannis hat gelernt, in Diskussionen auch Kompromisse einzugehen.