Gut für das soziale Klima

Autor: gt!nfo

Fotos: Susanne Zimmermann

07.10.2024

Im Gespräch: Dr. Ursula Pantenburg (links) und Jutta Schmitz-Bücker.


Text: Susanne Zimmermann


100 Jahre Sozialdienst katholischer Frauen in Gütersloh. Was genau machen die eigentlich? – Ziemlich viel, was gut ist für das soziale Klima in unserer Stadt. Schwangerschaftsberatung, gesetzliche Betreuung, allgemeine Sozialberatung, Hilfe für Alleinerziehende, aber auch ein Café und zwei Second-Hand-Läden gehören zum Angebot. Im Gespräch mit GT info nehmen uns Dr.Ursula Pantenburg und Jutta Schmitz-Bücker vom ehrenamtlichen Vorstand mit in die Welt des SkF.

Interview: Susanne Zimmermann


100 Jahre Sozialdienst katholischer Frauen in Gütersloh – ein beeindruckendes Jubiläum. Was hat sich verändert, was ist nach wie vor aktuell?

Dr. Pantenburg: Geblieben ist der Grundauftrag: Frauen helfen Frauen. Das war ja um 1900 auch die Initialzündung. Am Anfang stand in Dortmund Agnes Neuhaus, die beim Besuch junger Mädchen, die unverheiratet ein Kind bekommen hatten oder mit Syphilis alleingelassen im Krankenhaus lagen, schnell erkannte, dass hier Hilfe nötig war und dass weibliche Hilfe hier am effektivsten ist. Der zweite rote Faden, der sich durch die Geschichte zieht, ist das Ehrenamt. In Gütersloh war der SkF bis weit in die Achtziger Jahre komplett ehrenamtlich organisiert. Erst in den Achtzigern unter der Leitung von Margarete Potthoff wurde eine erste hauptamtliche Stelle in der Schwangerschaftsberatung eingerichtet, später kam noch eine Verwaltungsstelle hinzu. Heute hat der Verband zwölf hauptberufliche und über 40 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen. Dieses Miteinander von Haupt- und Ehrenamt ist übrigens ein konstituierendes Merkmal bei allen123 SkF-Ortsvereinen in Deutschland.

Schmitz-Bücker: Geändert hat sich aber der gedankliche Ansatz. Im Ursprung war die Arbeit eine Reaktion auf Notsituationen. Heute liegt der Schwerpunkt eher auf der Vermeidung, sprich auf der Prävention. Dazu zählen bei uns in Gütersloh vor allem unsere Beratungsangebote, aber auch Angebote wie das Café „Franz“ und die Läden „Carla“ für Erwachsene und „Ringelsöckchen“ für Kinderkleidung, die komplett von Ehrenamtlichen betreut werden.


Inwieweit ist das Vorsorge?

Schmitz-Bücker: Mit dem Café und den beiden Second-Hand-Läden, gibt es einerseits einen Treffpunkt mit sehr preiswerten Angeboten von Kaffee, Kuchen und Getränken ebenso wie für Kleidung und Accessoires. Die Idee dahinter, beides sozusagen nebeneinander einzurichten, war das entspannte Shopping mit Cafébesuch, das man sich auch mit kleinem Geldbeutel leisten kann. Zum anderen ist das aber auch ein Bereich, um das Beratungsangebot kennenzulernen und eventuelle Hemmschwellen abzubauen.


Kann eigentlich jeder und jede ins Café und in die Läden kommen?

Dr. Pantenburg: Da gibt es keine Beschränkungen. Es ist ja auch ein Ort des Austauschs, und in den Laden kommen auch Menschen, die ganz bewusst nachhaltig Kleidung kaufen wollen. Und das Café wiederum soll ja auch ein Treffpunkt sein. Das Kleidungsangebot ist im Übrigen so groß, dass hier niemand jemandem etwas wegnimmt.

Schmitz-Bücker: Sehr wichtig: Hier ist alles günstig, aber es geht hier nicht um Almosen. Das Bezahlen ist ein Stück Wertschätzung und wird auch so wahrgenommen.


Kleidungsspenden sind immer willkommen?

Beide: Auf jeden Fall!


Und ehrenamtliche Mitarbeit?

Beide: Auf jeden Fall. Dafür werben wir ja auch auf unserer Website.

 

Kommen wir zu den Angeboten, die mit hauptamtlich Mitarbeitenden besetzt sind: Allgemeine Sozialberatung, Schwangerschafts- und Alleinerziehendenberatung Geburtslotsendienst, Eltern-Kind-Gruppen und gesetzliche Betreuung. Hier arbeiten Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen - ist der Fachkräftemangel auch bei Ihnen ein Thema?

Dr. Pantenburg: Grundsätzlich ja - dieses Thema wird und muss uns alle ja beschäftigen. Momentan haben wir glücklicherweise ein gut eingespieltes Team mit erfahrenen, aber auch einigen jungen Mitarbeiterinnen. Altersgemischt, wie man so schön sagt. Aber natürlich müssen wir uns über den Fachkräftenachwuchs Gedanken machen. Ich glaube, wenn man heute im sozialen Bereich qualifiziert ist, kann man sich die Stellen aussuchen. Wir bieten attraktive Arbeitsplätze und eine attraktive Vergütung. Außerdem unterstützen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch maximal flexible Arbeitszeiten, teilweise auch im Homeoffice.

Schmitz-Bücker: Vieles läuft bei uns über direkte Ansprache und persönliche Kontakte, das war auch so bei den jüngsten Einstellungen.


Muss man katholisch sein, um beim SKF arbeiten zu können?

Beide: Nein. Man muss sich mit unserem Leitbild und unseren Zielen identifizieren können. Der Verein ist der Arbeitgeber.


Und man wird auch nicht gekündigt zum Beispiel bei Scheidung und Wiederverheiratung?

Beide: Nein, das Privatleben ist tabu. Und das ist auch gut so.


Auch wenn man Ihre Beratungs- und Hilfsangebote in Anspruch nimmt, muss man nicht katholisch sein?

Dr. Pantenburg: Wir helfen jedem und jeder. Alle Weltanschauungen sind willkommen.


Könnte es Vorbehalte gegen die Katholische Kirche als Institution geben?

Schmitz-Bücker: Das könnte für einige vielleicht ein Hinderungsgrund sein. Aber in der Praxis nehmen wir das so nicht wahr.


Wie wird man auf Ihre Angebote aufmerksam?

Dr. Pantenburg: Das ist unterschiedlich. Nehmen wir zum Beispiel die gesetzliche Betreuung, das was man früher als Vormundschaft bezeichnete. Wir sind gut vernetzt im Sozialraum und werden normalerweise von der Stadt angesprochen, wenn es um die Übernahme von Betreuungen geht. Wir sind der einzige Betreuungs-Verein in Gütersloh. Das heißt, wir beraten und begleiten auch Menschen, die ehrenamtlich eine Betreuung übernehmen, so etwa Angehörige, die beispielsweise für ihre dementen Eltern sorgen oder für psychisch erkrankte Menschen. Sie haben das Recht, Beratung in Anspruch zu nehmen, die wir bieten. Und in diesem Zusammenhang sind wir auch verpflichtet Fortbildungen anzubieten. Das reicht von rechtlichen Fragen bis hin zum Stammtisch. Wir arbeiten dabei mit lokalen Partnern zusammen.

Schmitz-Bücker:  Die Nachfrage nach Betreuungen steigt. Zugenommen hat auch die Zahl jüngerer Menschen, die einen Betreuer oder eine Betreuerin an die Seite gestellt bekommen.


Also müssen Sie nicht für Ihre Angebote werben?

Dr. Pantenburg: Nein, besonders im Bereich der Allgemeinen Sozialberatung gibt es deutlich mehr Anfragen, als unsere Mitarbeiterinnen bedienen können. Auch in der Schwangerschaftsberatung sind die Fallzahlen hoch.


Obwohl Sie laut Beschluss der Bischofskonferenz seit 2000 keinen Beratungsnachweis mehr ausstellen dürfen?

Dr. Pantenburg: Ja, das ist so, obwohl wir uns als Verband damals intensiv für die Beibehaltung eingesetzt haben. Aber trotzdem finden Frauen, die in einem Konflikt sind, weiter zu uns. Genauso wie Frauen, die eine pränatale Diagnose bekommen oder ein Kind im Laufe der Schwangerschaft verloren haben und das Gespräch suchen. Diese Türen wollen wir unbedingt offenhalten, das ist uns wichtig. Deshalb arbeiten wir auch auf Bundesebene weiter daran, wieder ins System zurückzukommen, sprich den Nachweis ausstellen zu können. Und wir halten es in der augenblicklichen Diskussion um die Abschaffung des § 218 für wichtig, dass eine Beratungspflicht erhalten bleibt, nicht weil wir den Frauen im Schwangerschaftskonflikt nicht eine eigenverantwortliche Entscheidung zutrauen, sondern weil uns in der Beratung immer wieder Frauen begegnen, die sich in einer familiären Zwangssituation befinden und für die die Beratung ein wichtiger, vielleicht der einzige geschützte Raum ist, um ihre Situation zu reflektieren.

Schmitz-Bücker:  Die Schwangerschafts-Konfliktberatung hat bei uns in der letzten Zeit wieder zugenommen. Häufig geht es dabei um finanzielle Hilfen, aber eben auch um eine zweite Sicht auf die Konfliktsituation. Im Übrigen gilt: Das Angebot der Schwangerschaftsberatung erstreckt sich auf die Zeit bis zum dritten Lebensjahr, damit die Klientinnen auch in der ersten Zeit mit dem Kind Unterstützung erhalten und bei Fragen und Problemen nicht alleine sind.


Ihre Beratung zeigt also auch Unterstützungsmöglichkeiten auf, wenn frau sich für das Kind entscheidet …

Dr. Pantenburg: Ja, dazu zählt die Vermittlung von finanziellen Hilfen, die Unterstützung bei der Beantragung von Sozialleistungen, aber auch der Platz in einer unserer Eltern-Kind-Gruppen, wenn noch kein Kita-Platz vorhanden ist.


Womit wir beim Angebot der Allgemeinen Sozialberatung wären.

Schmitz-Bücker: Auch hierbei geht es sehr oft um finanzielle Probleme, oft auch um die Hürden, die mit der Beantragung von Mitteln verbunden sind.

Dr. Pantenburg: Die Allgemeine Sozialberatung ist eine erste Anlaufstelle, eine Art Clearingstelle, in der die notwendigen weiteren Schritte geklärt und von der aus die Hilfe Suchenden dann weitervermittelt werden.

Schmitz-Bücker: Der Bedarf ist hier weit höher als das Angebot, das wir machen können. Wenn wir Termine erst in zwei Monaten vergeben können, ist das in einer Notlage nicht unbedingt hilfreich. Aber da fehlt uns einfach die Refinanzierung.

Dr. Pantenburg: Wir refinanzieren dieses Angebot aus einem kleinen städtischen Zuschuss, aus Kirchensteuer-Mitteln und aus Spenden. Die Schwangerschaftsberatung ist eine öffentliche anerkannte Beratungsstelle und finanziert sich zu 80 Prozent aus Landesmitteln, den Rest deckt das Erzbistum ab. Die Honorierung der gesetzlichen Betreuung ist durch das Bundesgesetz geregelt. Da sind zwar gerade höhere Pauschalen in Aussicht gestellt, aber aus unserer Sicht ist das nicht ausreichend. Wir kommen im Moment gerade so hin, nicht gedeckt sind jedoch die kompletten Overhead-Kosten.


Viele Baustellen, auch für einen ehrenamtlichen Vorstand. Und trotzdem sind sie beide und Frau Poggenpohl seit langem dabei. Ganz persönliche Frage: Warum?

Dr. Pantenburg: Der SkF-Claim heisst: Engagiert mit Haltung. Dieser Satz motiviert mich immer wieder aufs Neue. Ich engagiere mich mit Überzeugung in einem Frauenverband mit einem christlichen Wertegerüst, hinter dem ich sehr gut stehen kann. Außerdem ist es wichtig, dass Frauen in unserer Kirche eine Rolle spielen und eine Stimme haben. Und weil ich finde, dass wir hier ein wunderbares Team aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden haben, das hochprofessionell und hochengagiert wertvolle Arbeit leistet. Dass wir dafür als Vorstand die Rahmenbedingungen schaffen können, ist eine hohe Motivation.

Schmitz-Bücker: Als mich Frau Potthoff vor 18 Jahren wegen Mitarbeit im Vorstand ansprach, habe ich gedacht, ich seh mir das mal an – eher um festzustellen, dass das nichts für mich ist. Aber dann kam alles ganz anders. Und beim Umzug ins Franziskus-Haus 2007 war sowieso klar, dass ich hier richtig bin.

Dr. Pantenburg: Ein Glücksfall. Frau Schmitz-Bücker ist Innenarchitektin.


Zum Geburtstag darf man sich was wünschen …

Schmitz-Bücker: Eine sichere Refinanzierung für bestimmte Bereiche, damit wir uns nicht von Jahr zu Jahr weiterhangeln müssen - wie zum Beispiel für die Beratung Alleinerziehender. Daran hängen ja auch sichere Arbeitsplätze, da schließt sich der Kreis zur Frage des Fachkräftemangels.

Dr. Pantenburg: Ja, Alleinerziehende sind eine Gruppe, in der es hohen Bedarf gibt, und die Arbeit entspricht auch unseren Zielsetzungen. Die  Lotsenstelle für Alleinerziehende weiterführen zu können, das wäre ein Wunsch, das wäre so wichtig.  Und ich träume immer noch von Wohnungen, in denen wir Frauen und ihre Kinder vorübergehend unterbringen können, bis sich ihre akute Notsituation geklärt hat.

Beide: Dass es auch unter sich dramatisch verändernden Rahmenbedingungen eine gute Zukunft gibt für den Sozialdienst katholischer Frauen hier in Gütersloh und wir diese wertvolle Arbeit aufrechterhalten können. Ohne diese Arbeit wäre die katholische Kirche um so vieles ärmer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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