Erfolg, der nachdenklich stimmt

Autor: gt!nfo

Fotos: Archiv

16.12.2021

Die Gütersloher Suppenküche wird in 2022 bereits 20 Jahre alt. Es ist beeindruckend, was Inge Rehbein mit ihrem Team hier auf die Beine gestellt hat. Die Gütersloher Suppenküche ist nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken, denn sie leistet eine wichtige und großartige Arbeit. Doch trotz des Erfolgs – oder eher genau deshalb – bin ich bedrückt. Sollten wir als Gesellschaft nicht längst an dem Punkt angelangt sein, dass wir eine Suppenküche nicht mehr benötigen? Ich habe Inge Rehbein, Gründerin der Suppenküche, zu einem Gespräch getroffen.


Von Stefan Schneidt

 

Frau Rehbein, Sie haben die Suppenküche 2002 ins Leben gerufen. Wie blicken Sie auf die Jahre zurück?

 

„Ich blicke mit Wohlwollen, Respekt und Demut auf die Jahre der Entwicklung und Umsetzung der Ziele unserer Einrichtung zurück. Sie waren geprägt durch ehrenamtliches Engagement und ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft und Weitblick. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, eine gute Organisation sowie Lebensmittelsponsoren und ein Förderer sorgten mit dafür, dass die Umsetzung des von mir geschriebenen Konzeptes gelingen konnte. Nach anfangs nur einem Ausgabetag für Erwachsene, erkannten wir sehr schnell, dass auch Familien mit Kindern und Jugendlichen zu unserem Essensangebot kamen. Mit einer kurzen Planungsphase konnten wir die Kinderküche „die Insel“ eröffnen und Familien, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, mit individuellen Angeboten niederschwellig unterstützen. Neben kostenlosen warmen Mahlzeiten bieten wir bis heute auch ärztliche Sprechstunden, Weitervermittlung in andere Hilfesysteme, Gespräche, Lernpatenschaften, Kinderkochkurse, eine Familienhebamme und vieles weiteres an.“

 

Welche Werte sind bei Ihrer täglichen Arbeit wichtig für Sie und ihr Team?

 

„Es ist unerlässlich in unserer Arbeit mit von Armut betroffenen Menschen, Grundwerte wie Respekt, Toleranz, Wertschätzung, Menschenwürde zu verwurzeln, um ihnen frei begegnen zu können und sie nicht als Bittsteller oder Bittstellerinnen zu sehen. Qualität in allen Bereichen ist uns in unserer Arbeit wichtig.“

 

Wie viele Menschen kommen zu Ihnen?

 

„Im Normalbetrieb kommen pro Woche an unseren Ausgabetagen bis zu 170 Kinder und Jugendliche zu uns, im Erwachsenenbereich sind es zirka 160 Personen pro Essensausgabe. Um ihnen eine kostenlose warme Mahlzeit anbieten zu können, kochen wir 700 Essen wöchentlich aus Lebensmittelspenden unserer Sponsoren. Lebensmittelzukäufe sind trotzdem notwendig.“

 

In einigen Tagen steht Weihnachten vor der Tür. Wie sieht ein gewöhnliches Weihnachtsfest in der Suppenküche aus?

 

„Die Adventszeit und das Weihnachtsfest sind aufregend für unsere Kids, aber auch für die Erwachsenen. In der Kinderküche „die Insel“ verpacken Bürgerinnen und Bürger liebevoll Herzenswünsche, die später in einer Kinderweihnachtsfeier festlich überreicht werden. Es ist ein organisatorischer Kraftakt mit gut durchdachtem Zeitmanagement, um 360 Kinder und Jugendliche in unserer Einrichtung zu beschenken. Ganz anders ist es bei den Erwachsenen. Seit 2002 feiern wir vom 15 bis 18 Uhr den Heiligen Abend mit allen, die einsam und allein sind, in der Gütersloher Suppenküche. Für zirka 120 Personen gestalten wie ein Rahmenprogramm mit warmem Buffet, einer kleinen Andacht, Weihnachtsliedern und jeweils einem Weihnachtsgeschenk mit persönlichen Wünschen von mir. Unterstützung erhalten wir auch von Güterslohern, die sich an der „Paket mit Herz“-Aktion beteiligen und dabei kleine Wünsche mit Dingen, die im Alltag fehlen, erfüllen.“

 

Was für einen Einfluss hat die Pandemie auf Ihre Arbeit?


Nachdem wir unsere Einrichtung im April 2020 komplett schließen mussten, haben wir nach Alternativen gesucht, um unseren Gästen weiterhin eine kostenlose warme Mahlzeit bieten zu können. Wir entwickelten eine Fensterverteilung, ein Hygienekonzept und weitere neue Wege unter Corona-Bedingungen. Bei der wöchentlichen Vorbereitung und Essensausgabe sind bis zu 30 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Einsatz. Auch für unsere hauptamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Küchenbereich gibt es Änderungen. In zwei Teams wird stundenreduziert gearbeitet. Mit einem Einteilungsbuch ist die Nachverfolgung im Falle einer Ansteckung möglich. Es gibt neue Öffnungszeiten, um verpacktes, frisch gekochtes Essen abzuholen. Wir verteilen täglich 120 Portionen, das sind monatlich etwa 2.000. Tendenz steigend! Diese Vorgehensweise hat bis heute Bestand. Im Bereich der Kinderküche hält unser pädagogisches Team mit Aktionen den Kontakt zu den Kindern bis vor die Haustür aufrecht. Wenn es um die Covid-19-Impfung geht, stellen wir fest, dass es gerade bei Familien mit Migration große Vorurteile gibt. Durch Aufklärung, zum Beispiel in kurdischer Sprache, ist es gelungen, die ersten Mütter und Väter in unserer Einrichtung durch einen Impfarzt zu impfen. Im Anschluss gab es für jeden ein Bonuspaket mit Grundnahrungsmitteln, die so oft in den Familien fehlen. Inzwischen sind die meisten unserer Gäste doppelt geimpft, genau wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Einrichtung. Das wird uns helfen, wenn wir zum Normalbetrieb zurückkehren können.“

 

Frau Rehbein, was ist Ihre Vision, wenn Sie in die Zukunft blicken?

 

„Ich wünsche mir für die Zukunft, dass durch gezieltes politisches Handeln Perspektiven für Menschen, die in Armut leben, geschaffen werden. Wir sollten Hürden minimieren, um gleiche Möglichkeiten für alle zu ermöglichen.“

 

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