Der aufgeweckte Portugiese

Autor: gt!nfo

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

07.05.2023


Miguel Loureiro ist fast 58. Sein ganzes Erwachsenenleben hat er bisher in Gütersloh verbracht. Und so wird’s wohl auch bleiben. Der verheiratete Vater von zwei Kindern hat nämlich eine weitere große Liebe: Unsere Stadt. An seinem Lieblingsplatz hat Thorsten Wagner-Conert den Hobby-Fotografen getroffen.

 

Text und Fotos: Thorsten Wagner-Conert

 

Wir sind hier an Ihrem Lieblingsplatz – einem großen Platz. Man weiß gar nicht so recht: Wo soll er denn nun hier sein in Stadtpark und Botanischem Garten? Wo ist denn hier Ihr Platz der Plätze?

 

…Loureiro: Der Botanische Garten ist es, diese Vielfalt an Blumen und Pflanzen, die Farben dieser Landschaft passen genau zu mir und zu meinen Fotos.

 

Sie fotografieren selbst sehr gerne. Wir sind in einer guten Jahreszeit dafür.

 

…Loureiro: Ja, sehr gerne. Und da bin ich Gütersloher mit Stolz auf den Botanischen Garten.

Und es gibt so viele weitere wunderschöne Ecken in Gütersloh.

 

Es gibt viele Menschen, die sind mit ihrem Alltag unzufrieden, mit ihrer Stadt unzufrieden, die schimpfen ganz viel. Nun treffe ich Sie – und Sie sagen: Dieses Gütersloh ist so wunderschön.

 

…Loureiro: Ja, ist es auch. Man muss einfach raus und genießen und beobachten: Es gibt so viele schöne Dinge, an denen man im Alltag einfach vorbeigeht und nicht richtig guckt. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man das Schöne an der Stadt.


 

Wenn Sie jemand so hört, wird er sagen: Der Portugiese ist wohl noch nie in Portugal gewesen, da ist’s doch viel attraktiver…

 

…Loureiro: (Lacht) Ich bin seit über 40 Jahren hier und: Ich liebe Gütersloh einfach. Wirklich!

 

Wie ist portugiesisches Leben in Gütersloh? Da gibt es die Portugiesische Vereinigung?

 

…Loureiro: Ja, da In der Worth ist am Wochenende geöffnet. Da kann jeder hin. Wir kochen da auch zu Mittag, das ist ein Geheimtipp. Oft haben wir Live-Musik da. Wir treffen uns und essen und trinken unsere portugiesischen Spezialitäten.

 

Was ist speziell? Was empfehlen Sie?

 

…Loureiro: Also: Fisch auf jeden Fall! Gegrillten Stockfisch mit einem bisschen Olivenöl, etwas Knoblauch, dazu einen Vinho Verde-Weißwein, lecker!

 

Sie sind Mohndrucker, kommen mal morgens, mal mittags, mal abends aus der Schicht und gehen dann in die Natur.

 

…Loureiro: Ja, das Schönste ist, wenn ich Nachtschicht hatte, laufe ich morgens um sechs hier durch den Stadtpark und sehe diese wunderschönen Farben und den Sonnenaufgang. Das kann ich nur jedem empfehlen.

 

Sie machen selbst 20.000 Schritte jeden Tag – das schafft der Durchschnittsdeutsche nicht, der schafft nicht einmal 10.000. Warum machen Sie das?

 

…Loureiro: Wenn man Gütersloh entdecken will, macht man die Schritte eher unbewusst. Man merkt gar nicht, dass man so viel läuft. Weil es einfach spannend ist – jetzt im Frühling zum Beispiel; besser geht es doch gar nicht.

 

In Coronazeiten ist ihr Hang zur Natur noch einmal intensiver geworden?

 

…Loureiro: Als man niemanden treffen durfte, da sind meine Frau und ich spazieren gegangen, und wir haben Gütersloh noch einmal neu entdeckt. Wir hatten vorher manche Dinge gar nicht richtig beobachtet, an denen wir täglich vorbeigegangen sind. Jetzt sehen wir das erst richtig: die Dalke, der Alte Kirchplatz, der Platz am Rathaus – es ist überall schön.

 

Eigentlich könnten Sie später zur Rente zurückgehen nach Portugal an den Strand. Aber das werden Sie nicht tun?

 

…Loureiro: Früher habe ich das gedacht, ja. Aber jetzt, also drei Monate im Jahr Portugal, ok – aber ohne Gütersloh, das geht gar nicht mehr, das geht einfach nicht mehr.

 

Jeder Mensch, der sich danach sehnt, in Portugal Urlaub zu machen, der hält Sie für verrückt…

 

…Loureiro: Das kann sein, ja. Natürlich fahre ich mal nach Portugal. Aber nach einer gewissen Zeit, da vermisse ich was: Dieses Gütersloh, den Park – und natürlich meine Bratwurst. Ich habe schon oft Bratwurst gegessen, aber hier gibt es einfach die beste.

 

Rund 200 portugiesische Familien leben im Kreis Gütersloh. Wie kann man so weit entfernt von seinem Herkunftsland portugiesische Kultur leben?

 

…Loureiro: Zum Beispiel am 1. Mai in unserer Vereinigung: Da kommt der Bürgermeister, der Ausländerbeauftragte – naja, und wir machen ansonsten viele Feiern…

 

Und was machen Sie am 1. Mai?

 

Fahrrad fahren!

 

Nicht wirklich?

 

…Loureiro: Doch, Portugiesen können auch Fahrrad fahren (grinst) – wir sind mit der Portugiesischen Vereinigung sehr bekannt für unseren 1. Mai. Und vor kurzem hatten wir Folkloregruppen hier, das war klasse.

 

Wenn Sie zuhause ihr Leben leben, ist das portugiesisch oder eher deutsch?

 

…Loureiro: Beides: Wir kochen deutsch und portugiesisch. Wir reden immer wieder portugiesisch zwischendurch – und mein Sohn heiratet eine Deutsche.

 

Sie bekommen Besuch aus Portugal, der sagt: Zeig‘ mir mal Deine Stadt! Wo geht dann der Weg lang?

 

…Loureiro: Zuerst natürlich in den Stadtpark und den Botanischen Garten, dann zum Alten Kirchplatz – diese alten Fachwerkhäuser, das kennt man in Portugal ja nicht. Dann an der Dalke entlang, später in Mohns Park, es gibt jede Menge Ecken, wo man hinmuss.

 

Und in welcher Jahreszeit fotografieren Sie diese Ecken am liebsten?

 

…Loureiro: Im Frühling und im Herbst – und dann morgens um sechs. Auch hier, meinen Lieblingsplatz.

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