Autor: gt!nfo
Fotos: Susanne Zimmermann
11.02.2025
Im wohl ältesten Haus Güterslohs an der Daltropstraße treffen sich Stadt-, Familiengeschichte und Dokumente eines reichen künstlerischen Schaffens. Zeit für eine Tasse Tee und einen Blick ins phantastische Kunst-Universum von Christoph Winkler.
Das Haus Daltropstraße 2 stammt aus dem Jahr 1639. Mit dem so genannten „Weberhaus“ (Jahrgang 1640) an der Münsterstraße bildet es ein Fachwerk-Ensemble, das zu den Hinguckern im Stadtbild gehört. Besitzer beider Häuser ist Christoph Winkler. Seine Wohnung über der Weinhandlung, dem langjährigen Mieter, ist sozusagen Familiensitz. Sein Vater, der bekannte Künstler und Architekt Woldemar Winkler (1902-2004) hat es in den Fünfziger Jahren von der Münsterstraße 9 an diese Stelle transloziert und wieder aufgebaut. Seine Mutter Margret Winkler betrieb im „Weberhaus“ bis in die Sechziger Jahre ihre Weberei. Im Winter wohnte die Familie dort, ansonsten auch in Niehorst, wo Woldemar Winkler ein anderes ehemaliges Stadthaus wieder aufbaute und Atelier mit Wohnung einrichtete.
Für Christoph Winkler ist das gemütlich-verwinkelte Fachwerk an der Daltropstraße Heimat und Rückzugsort, verbunden mit vielen Erinnerungen an seine Familie, die einen nicht unerheblichen Anteil an der Entwicklung der bildenden Kunst in Gütersloh hatte. Es ist jedoch auch seine ganz persönliche Galerie, die ein sehr umfangreiches und reichhaltiges Kunstschaffen dokumentiert, denn Christoph Winkler, ausgebildeter Goldschmied, Restaurator, Museums- und Ausstellungstechniker, ist auch Künstler.
Das ist in der öffentlichen Wahrnehmung möglicherweise manchmal etwas zu kurz gekommen, wenngleich Christoph Winkler auf zahlreiche Ausstellung im In- und Ausland verweisen kann, in der näheren Umgebung unter anderem auf eine Präsentation im Gütersloher Kreishaus. In der Kunststadt Dresden wird er von der „Galerie Mitte“ vertreten, wo er 2022 „Traumsegler gegen den Wind“ – Assemblagen und Objekte – zeigte.
Dresden ist die zweite Heimat von Christoph Winkler, gemeinsamer Lebensort von ihm und seiner Frau Kerstin Uhlmann-Winkler, Architektin, Goldschmiedin und Künstlerin. Dresden ist jedoch auch ein Fixpunkt in der Familiengeschichte. Vater Woldemar Winkler war dort bis zum Zweiten Weltkrieg Leiter der Akademie für Zeichnen und Malen, hier waren seine Wohnung und sein Atelier, die beim Bombenangriff auf Dresden zerstört wurden. Christoph Winkler selbst ist schon seit langem ein Pendler zwischen Gütersloh und Dresden, unter anderem als regelmäßiger Teilnehmer der Sommerakademie.
Das Haus an der Daltropstraße beherbergt Werke aus beiden Welten. Weit gespannt ist auch Christoph Winklers künstlerischer Horizont. Überall finden sich Beispiele seiner Arbeit, die Bildhauerei, Malerei, Zeichnungen, Collagen, Assemblagen und phantastische Skulpturen umfasst. Ihre Nähe zur Kunst Woldemar Winklers können und wollen sie nicht verbergen, der Vater war Lehrer und Vorbild. Die Kindheit, in denen Christoph Winkler mit dem Vater durch die Wälder streifte, Wurzeln und Hölzer sammelte, schulte schon früh seinen Blick fürs Phantastische und Absurde. Der Vater zeigte ihm, wie mit Farbe, Federn oder anderen Materialien ein krummer Stock zu einer markanten Figur mutierte. Diese Faszination ist geblieben, auch wenn Christoph Winker gesteht, dass er lange Zeit gebraucht habe, „um den Mut zu haben, meiner Fabulierkunst endlich zu folgen und diese öffentlich zugänglich zu machen.“
„Ungesucht und gefunden,“ beschreibt er diesen Prozess, in dem ein unscheinbarer Holzscheit zum Körper eines Kriegers wird, gekrönt mit Pfauenfeder und einem winzigen Puppenkopf, der spielerisch das archaische Gesamtbild auffängt. „Wer sich meiner Bildwelt öffnet, wird feststellen, dass sie ihm freundlich zulächelt,“ hat Christoph Winkler einmal formuliert und die Wirkung auf das Auge des Betrachters damit auf den Punkt gebracht. Seine Collagen, seine Assemblagen, die in mehreren Schichten ein komplett unlogisches, aber in sich stimmiges Universum im Carrée einer Schachtel oder hinter Glas entfalten, strahlen nichts Bedrohliches aus. Sie sind aber keinesfalls kleinteilig-verspielt. Winklers geschulter Blick fürs Wesentliche erkennt Formstrenge genau dort, wo sie dem Bildaufbau dient. So wird man nicht müde, in diesen Welten herumzuwandern, ihre überraschenden Details zu erforschen, um aus der Distanz wieder das Ganze in den Blick zu nehmen.
„All diese Dinge entstehen aus dem Bauch heraus,“ kommentiert Winkler. „Dabei lasse ich sämtliche menschliche Logik an der Garderobe des Gehirns zurück.“ Die bildhauerischen Arbeiten, zum Teil in Sandstein, scheinen wiederum eine andere Sprache zu sprechen. Köpfe, die an antike Fundstücke erinnern, beeindrucken durch handwerkliche Präzision. Doch auch hier wird die Strenge der Form immer wieder aufgelöst, etwa wenn der Nase ein Stück hinzugefügt oder einem majestätischem Kopf ein Lächeln ins Gesicht gezaubert wird.
Ja, es ist tatsächlich zuberhaft, auf eine ganz entspannte Weise mit Christoph Winkler durch diese Hausgalerie zu gehen, wo sich in jeder Ecke eine Überraschung lauert. Wäre das nicht auch eine Idee für das „Weberhaus“, das seit Auszug der Buchhandlung Markus leersteht und bisher nur zwischendurch für einige Präsentationen genutzt wurde? – Christoph Winkler schwärmt vom „Scherbenfeld“ der Porzellan-Künstlerin Else Gold, eine Ausstellung im Weberhaus, die unter anderem zur Langennachtderkunst 2024 Publikum anzog, schüttelt aber dann den Kopf: Der Aufwand sei einfach zu groß, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund dieses Lebens an zwei Orten.
Die Zukunft des denkmalgeschützten Weberhauses ist dieser Tage noch ungeklärt. Interessenten gab es, aber bisher nichts Konkretes. Winkler kann sich manches vorstellen, ist aber auch offen für gute Ideen. Umgeben von der inspirierenden Wirkung seiner Kunst sollte der Phantasie da doch keine Grenzen gesetzt sein.
Dieses Haus lebt Kunst: Christoph Winklers Wohnung ist so inspirierend wie seine Bilder, Collagen und Skulpturen.
„Morbider Vogel“ hat Winkler diese Skulptur genannt. Der lebt auf großem Fu.
Ein Selbstporträt: „Was einem so alles im Kopf herumgeht.“
Miniaturen und große Formate: In Winklers Wohnung vereinigen sie sich zu Stilleben.