„Den Schlaganfall kann man nur im Team bewältigen“

Sybille Hilgert

Autor: Sybille Hilgert

Fotos: Sybille Hilgert

01.11.2023

1993 gründete Liz Mohn die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Damit hat sie entscheidend dazu beigetragen, über den Schlaganfall und seine Behandlung aufzuklären. Heute überleben doppelt soviele Menschen einen Schlaganfall wie noch vor 30 Jahren. Gt-!nfo sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Michael Brinkmeier und Sylvia Strothotte, der stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftung über deren Geschichte und Zukunft.

 

Interview: Sybille Hilgert

 

Liz Mohn bezeichnet die Gründung der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe als beste Entscheidung ihres Lebens. Wie kam es dazu?

 

… Strothotte: Ihr jüngster Sohn erlitt im Alter von 15 Jahren eine Halbseitenlähmung. Die Befürchtung, es könnte ein Schlaganfall sein, hat sich zum Glück nicht bestätigt. Doch auf der neurologischen Station kam sie mit den dortigen Ärzten ins Gespräch, die sie fragten, ob sie sich vorstellen könne, sich für Schlaganfallpatienten zu engagieren. Nach längeren Überlegungen und Gesprächen mit ihrem Mann entschloss sie sich, die Stiftung zu gründen. Seitdem treibt sie mit großem persönlichen Engagement die Arbeit voran. Sie hat sich Partner gesucht, ihr eigenes Vermögen investiert und war erste Fundraiserin.

 

… Brinkmeier: Sie hat sich auch vor Ort in Kliniken informiert. Daraus entstand der Plan, die Stroke Units (Schlaganfallstationen) aufzubauen. Das hat sie mit sehr viel Engagement durchgesetzt. Heute gehören diese Stroke Units zur Regelversorgung und es überleben doppelt soviele Menschen einen Schlaganfall wie zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung.

 

..Strothotte: Frau Mohn steht auch heute immer wieder mit Betroffenen in Verbindung und hält Kontakt. Das hat sie übrigens auch uns allen mit auf den Weg gegeben: Nur wenn wir mit Betroffenen und ihren Angehörigen im Gespräch sind, dann können wir unsere Arbeit richtig machen. Diese Meinung vertritt auch unserer Kuratoriumsvorsitzende Brigitte Mohn.

 

… Brinkmeier: Diese soziale Komponente, der Umgang mit den Menschen ist die Grundlage unseres Handelns. Wir haben das Selbstverständnis einer Organisation für Betroffene und entsprechend handeln wir.

 

…Strothotte: Da sind zum Beispiel unsere Veranstaltungen. Sie sind zum einen dazu da, dass sich die Betroffenen und Angehörigen begegnen, Erfahrungen austauschen und sich vernetzten. Aber auch wir profitieren davon, denn wir kommen diesen Menschen näher und erfahren ihre Geschichten. Das ist sehr bewegend. Und wir erfahren sehr viel Dankbarkeit.

 

… Brinkmeier: Das erdet uns auch.

 

Wie beeinflusst der enge Kontakt mit den Betroffenen die Stiftungsarbeit?

 

… Strothotte: Wir bieten ganz konkrete Lösungen für Betroffene und Angehörige. Das sind neben unserem Service- und Beratungsteam natürlich auch die professionellen Schlaganfall-Lotsinnen und -Lotsen.

 

Wie kümmert sich denn eine Schlaganfall-Lotsin oder ein -Lotse um Betroffene?

 

… Brinkmeier: Diese Betreuer kommen einen Tag nach dem Schlaganfall auf die Station und bieten an, die Betroffenen ein Jahr lang zu begleiten. Die Lotsen helfen bei der Planung rund um Reha und Termine bei Fachärzten, kommen auch mal nach Hause, um dort nach dem Rechten zu sehen - ähnlich wie etwa eine Gemeindeschwester. Beim Lotsen kann man auch jederzeit anrufen und nachfragen. So eine Begleitperson sorgt für ein sicheres Gefühl.

 

… Strothotte: Dieses Angebot steht den Patienten bisher nur in einigen Modellregionen wie hier in Ostwestfalen-Lippe zur Verfügung. Unser Ziel ist es, dass die Krankenkassen in Zukunft die Kosten übernehmen.

 

Und alles wird von hier aus koordiniert?

 

… Brinkmeier: Wir sind die Zentrale für Deutschland. Es gibt hier keine weitere Stiftung, die sich des Themas so annimmt - ausgenommen die medizinisch orientierte Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und einige Fachverbände, mit denen wir natürlich zusammenarbeiten.

 

Die Akutversorgung scheint dank der Stroke Units gut zu funktionieren. Was muss im Umgang mit Betroffenen noch verbessert werden?

 

… Strothotte: Die Akutversorung und die Reha laufen gut. Wenn die Menschen nach Hause kommen, dann gehen sie uns verloren. Daher hat auch die Arbeit der Schlaganfall-Lotsinnen und - Lotsen so eine große Bedeutung. Essenziell sind ebenfalls die Selbsthilfegruppen. Hier schildern Betroffene die eigenen Erfahrungen und können sich gegenseitig wirklich Mut machen. Daher fördern wir die Selbsthilfegruppen auch ganz stark. Denn es ist wichtig, den Optimismus zu behalten und zu erkennen, dass das Leben auch nach einem Schlaganfall lebenswert ist.

 

Einen Schlaganfall kann man in jedem Alter bekommen - auch schon vor der Geburt. Gibt es Lotsen für betroffene Kinder?

 

… Strothotte: Ja. Sie betreuen die Kinder nicht nur ein Jahr lang, sondern begleiten sie bis zum 18. Geburtstag durch alle wichtigen Stationen, helfen bei der Suche nach Kindergarten, Schule und Fördermöglichkeiten. Die Projektfinanzierung läuft nächstes Jahr aus und wir suchen hier Unterstützer und Förderer.

 

 Und was ist mit der Prävention?

 

… Brinkmeier: Prävention ist der wichtigste Hebel. Denn zwei von drei Schlaganfällen würden bei der richtigen Lebensführung nicht passieren. Die Präventionsarbeit wird unsere Daueraufgabe bleiben. Wir machen dazu auch in Schulen Informationsveranstaltungen. Denn der Präventionsgedanke muss schon in den Kindern angelegt werden.

 

 In 30 Jahren hat die Stiftung unglaublich viel erreicht. Wird denn das 30. Jubiläum noch gefeiert?

 

… Strothotte: Wir haben ja bereits mit den Güterslohern in diesem Jahr beim Tag der offenen Tür gefeiert. In Berlin findet die große Feier am 24. November statt. Liz Mohn wird die Eingangsrede halten, unser Kuratoriumsmitglied Elke Büdenbender wird die Laudatio halten und Brigitte Mohn mit Fachleuten über die Fortschritte in der Versorgung sprechen. Dazu gibt es zahlreiche Vorträge. Wir laden Weggefährten aus ganz Deutschland ein und natürlich Betroffene, die über ihr Schicksal berichten. Das wird sehr emotional und berührend.

 

… Brinkmeier: Wir wollen uns damit natürlich auch bei unserer Stifterin bedanken, die sich mit Herzblut engagiert und bereits soviel erreicht hat. Klar ist: Den Schlaganfall kann man nur im Team bewältigen - die Betroffenen und ihre Familien, Ärztinnen und Ärzte, Lotsinnen und Lotsen und wir als Stiftung im Hintergrund.

 

INFO


Beim Verdacht auf einen Schlaganfall ist es wichtig, dass die Betoffenen innerhalb kürzester Zeit im Krankenhaus untersucht werden. Die Stroke-Unit in Gütersloh befindet sich im St. Elisabeth Hospital.

 

Mit der FAST-Test-App der Schlaganfall-Hilfe kann man schnell und einfach überprüfen, ob Schlaganfall-Symptome vorliegen. Erhältlich im Google-Play-Store oder im Apple-Store

 

Das Service- und Beratungsteam der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 14 Uhr unter 05241- 9770-0 zu erreichen.


Foto: Vorstandsvorsitzender Dr. Michael Brinkmeier und Sylvia Strothotte, stellvertretende Vorsitzende der Stiftung.

 

Weitere Infos gibt es unter www.schlaganfall-hilfe.de

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