„Spüren, wie Stadtgesellschaft funktioniert!“

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Wolfgan Sauer

16.12.2021

Gespräch mit Dr. Nils Wigginghaus, Mitglied des Steuerungskreises der Vesperkirche Gütersloh.


Herr Dr. Wigginghaus, Sie haben stellvertretend für den Steuerungskreis der Vesperkirche den mit 5.000 Euro dotierten Ehrenamtspreis der Bürgerstiftung erhalten. Wie haben Sie sich gefühlt?


Wir haben uns sehr durch die Preisverleihung geehrt gefühlt und sind wirklich stolz darauf, nunmehr auch in der Reihe der Preisträgerinnen und Preisträger zu stehen. Seit 1998 sind immer tolle Projekte ausgezeichnet worden. Wir empfinden uns als Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Stadtgesellschaft, die diesen Preis entgegengenommen hat.


Was verstehen Sie unter dem Begriff Vesperkirche?


Die Vesperkirche hat zwei Säulen. Eine Säule ist die Essenausgabe. Wir verschenken Essen ohne Ansehen der Person. Es ist keine Armenspeisung, jeder soll zu uns kommen. Die andere Säule ist die ehrenamtliche Tätigkeit. Pro Tag haben wir zwischen 30 und 40 Ehrenamtliche, die für uns im Einsatz sind. Es muss eigentlich vom Zufall abhängen, auf welcher Seite ich sitze. Die Frage lautet: Werde ich bedient oder bediene ich? In der Vesperkirche herrscht ein bestimmter Geist, eine ausgeprägte Stimmung der Zugewandtheit. Man spürt, wie Stadtgesellschaft eigentlich funktionieren sollte.


Die Vesperkirche ist auf einen kurzen Zeitraum begrenzt. Ist dieser Spirit über die Veranstaltung hinaus nachhaltig in unserer Stadt nachhaltig zu spüren?


Ich glaube schon, dass es zu einer nachhaltigen Veränderung im kleinen Rahmen führt. Die Leute merken, dass ein anderes Miteinander, eine Begegnung in Würde möglich ist. Das verändert die Menschen in der Tat insgesamt – auch das ganze Jahr über. Mich persönlich hat das Projekt sehr geprägt, und ich weiß von mehreren Ehrenamtlichen, die sich engagieren, dass es ihnen auch so geht. Viele Gütersloherinnen und Gütersloher freuen sich darüber hinaus auf die nächsten Veranstaltungen der Vesperkirche in ihrer Stadt.


Sie haben 2018 die Vesperkirche von Süddeutschland nach Gütersloh gebracht. Warum?


Nach einem Telefonat mit einem meiner Freunde in Süddeutschland, wo ich studiert habe, war ich von der Idee spontan so begeistert, dass ich Stefan Salzmann gefragt habe, ob man auch in Gütersloh eine Vesperkirche organisieren könne. Er war auf Anhieb dabei. Wenn nicht mehrere Leute in dieser Stadt sofort Feuer gefangen hätten, wäre das Projekt Vesperkirche in Gütersloh nicht zu realisieren gewesen. Alleine schafft man es nicht. Von der ersten Kontaktaufnahme mit Stefan Salzmann bis zur ersten Vesperkirche in Gütersloh sind anderthalb Jahre vergangen.


Ist die Vesperkirche in Gütersloh vergleichbar mit anderen Vesperkirchen in Deutschland? Oder ist sie einzigartig?


Wir sind kein rein kirchliches Projekt- Das unterscheidet uns von anderen Vesperkirchen in der Republik. Die evangelische Kirchengemeinde stellt uns die Kirche zur Verfügung und unterstützt uns mit Anteilen von Hauptamtlichkeit. Wir sind ausgeprägt bürgerschaftlich ausgerichtet, verleugnen aber nicht die kirchlichen Wurzeln dieses Projektes. Grundsätzlich kann man sagen, dass sich alle Vesperkirchen in Deutschland inhaltlich und organisatorisch voneinander unterscheiden. Unsere Vesperkirche ist mit ihrem stark in die Stadtgesellschaft wirkenden Ansatz einzigartig.


Die Gütersloher Vesperkirche erfährt vom ersten Tag an einen überraschend großen Zuspruch. Wie kommt es, dass eine soziale Aktion auf Anhieb so erfolgreich ist?


Wir haben offensichtlich einen Nerv getroffen. Für uns war es wichtig, dass wir uns in die bestehende Spendenlandschaft einpflegen Wir wollten auch nie anderen tollen Organisationen Spenden abgraben.


Woher generieren Sie die Gelder für die Vesperkirche?


Wir finanzieren uns zu 100 Prozent durch Klein – und Großspenden. Es gibt Gütersloher Unternehmen, die auch schon mal vierstellig spenden. Darüber hinaus unterstützen uns Stiftungen oder Serviceclubs, aber auch viele Tagesspender – unabhängig von ihren Vermögensverhältnissen. Das meiste Geld brauchen wir für die Essensausgabe, dafür kalkulieren wir ungefähr  30.000 Euro. Für Kultur und Ähnliches benötigen wir ungefähr noch weitere 5.000 Euro – das ist unser Budget.

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