Kulturaufbruch 2022

Autor: gt!nfo

Fotos: gt!nfo

03.05.2022

Kulturaufbruch 2022: „Nie war er so wertvoll wie heute!“


Die Älteren erinnern sich an diesen Klosterfrau-Melissengeist-Slogan des Sixties-Werbefernsehens: Damals stand der Nonnenschwips im Zeichen der Kubakrise! Deren Nuklear-Drohung war uns in 60 Jahren nicht mehr so nah. Wurde 1962 trotzdem gefeiert? Und ob: die Beatles im Star-Club! „Let’s Twist Again“ in Gütersloher Tanz-Schuppen! Tristan und Isolde in Bayreuth als „erotische Atombomben“! Na, bitte!


Gütersloh und die Komfortzone

Zeitenwende: Wir stellen uns vor, im Mai 2019 hätte an dieser Position mein Kulturaufbruchs-Loblied gestanden – auf das Erblühen der Bäume am Dreiecksplatz, rechtzeitig zum Freitag-18-Stelldichein. Auf die Straßenmusiker rund um den Berliner Platz. Die Woche der kleinen Künste, Langenachtderkunst, niedliche Läden mit ihren Außen-Auslagen, Eisdielen, Weinbars: Die achselzuckende Reaktion hätte im Echo des „Dinner For One“-TV-Kults nur heißen können: „Same procedure as every year!“ 


Dann die Pandemie: Schockstarre. Lock-Downs. Ödnis. Geisterklänge auf dem Dreiecksplatz. Der am häufigsten gehörte Kultur-Slogan wurde: „Ich kann keine Streaming-Konzerte mehr sehen!“ Kultur auf dem Handy, Konzert auf dem Laptop, Theater per Tablet – irgendwann flimmerte es nur noch! Die Teil-Erlösung kam im Sommer 2021: Das „Festival der Kleinen Künste“ ging nach dem einzigen Aussetzer des Vorjahres wieder an den Start – kritisiert, aber vor allem dankbar angenommen. Das Lagerfeuer-Gefühl des Dreiecksplatzes, „Freitag 18“, stieg noch in der Diaspora des Parkbades, doch mit umwerfender Resonanz, wie der Chronist selbst als Teil der Deutsch-Blueser Borsalino miterleben durfte: „Es ist nur Rock’n’Roll“ – aber wir haben es sooo vermisst!“


Tanz auf dem Vulkan – erlaubt!

Und JETZT sollte es eigentlich kein Halten mehr geben: In DIESER warmen Saison kann jeder Event auch in Gütersloh wieder Masken-, Mecker- und Machtwort-frei laufen. 

Es darf in Feiern, Film-Festspielen und Flaniermeilen geschwelgt werden: überall steigen Feten, sind im BambiKino oder im Filmwerk nicht nur Kinosäle, sondern auch einladende Foyers längst wieder rappelvoll! 


Alles vor der gefühlten Kulisse des falschen Friedefürsten Wladimir Putin. Vor dem Gütersloher Frühlingserwachen stieg auf dem Berliner Platz ein Spenden-Konzert für Flüchtende und schaffte in Minuten eine Mega-Plastik-Säule voller Euroscheine! – Aller Ehren wert und mit musikalischem Juwel, den Clips der GT-Rockoper „Denken Verboten“, dazu raffinierte Latin-Klänge. Das alles dennoch nicht das, was den sorglosen Ausbruch knospend weltoffener, wohlklingender Kultur sonst auf dieser Plaza ausmacht.


Dürfen wir überhaupt zwei Flugstunden vom Kriegsdonner entfernt Kultur genießen? 

YES! 


Wenn in den Kellern Ukrainischer Städte mitten im Artilleriefeuer Theaterproben und Jazzkonzerte laufen, dann muss das auch hier zwingend erlaubt sein. Kultur ist die dritte Kraft nach „Kost & Kammer“. Das ist nicht nur Eskapismus: Als ich mir kürzlich Kenneth Brannaghs aktuellen Film „Belfast“ über den Nordirland-Konflikt ansah, spürte ich von meinem vibrierenden Kinositz aus per Breitwand und Dolby-Surround, wie sich ein explodierender Panzer in Belfast anfühlt. Wohl so wie in Charkiw, allerdings in Komfortzone. Aber wir haben zum Glück genügend Kultur ohne Assoziationen an Krise-Krieg-Katastrophen:


Revue der Vorfreude

Wenn Sie sich beeilen, können Sie für den 28. April noch eine Karte zu einem starken Konzert in der Martin-Luther-Kirche ergattern. Das Berliner Lisa-Bassenge-Trio präsentiert uns „Mothers“, die Mütter kreativer Singer-Songwriting-Sensationen einer Joni Mitchell oder Carole King. Und das ist nur ein Höhepunkt einer inspirierten Reihe von Gigs im schönen Gotteshaus. Ab 6. Mai steigt „Freitag 18“ – endlich wieder auf dem Dreiecksplatz. Schiere Massen sind zu erwarten. Die Langenachtderkunst lockt am 21. Mai an verschiedenste Locations unserer Stadt – dabei die bezaubernden Psychedelik-Säulen „Amorphia Cube“, mit flirrenden Farbspielen „mobil gemacht“ und durch live performte Weltraum-Sounds vom ebenfalls „gelenkigen“ DJ-Pult gesteuert.


Vom 8. bis 12. August glänzt das mittlerweile legendäre Festival der Kleinen Künste erneut international besetzt: Interpreten im europäischen Uhrzeigersinn: Niederlande, Irland, Dänemark, Österreich. Dazu Überraschungen aus den USA und dem kleinen, aber feinen La Réunion im Indischen Ozean. Die Medizin-Elite der Stadt rät zu täglichem Besuch mindestens von sieben bis zum Nachglühen!


Gütersloh bleibt für mich Europa im Kleinen: Die grenzüberschreitend besetzten Sazerac Swingers animieren in Dutzenden von Venues. Unsere walisisch-englisch-germanische Folk-Jazz-Combo Barfly lockt in die Weberei. Irische und britische Barden geben sich regelmäßig im „Green’s“ die Gitarren in die Hand. Dazu am 1. Mai und 11. Juni pulsierend-prickelnde „Wapelbeats“ im Grünen.


Vor vierzig Jahren sang die Neue-Deutsche-Welle-Kapelle Geier Sturzflug im Zeichen des damals umstrittenen NATO-Doppel-Beschlusses: „Besuchen Sie Europa, so lange es noch steht!“ Ich mag das eigentlich nicht umwidmen, aber angesichts der Lage - sicher ist sicher: 


„Besuchen Sie mal Gütsel, so lange es noch geht!“


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