Ich bin nicht der Allwissende ...

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Wolfgang Sauer

10.03.2021

Neuer Bürgermeister, neues gt!nfo. Für unseren Neustart haben wir natürlich als Gesprächspartner Bürgermeister Norbert Morkes (BfGT) ausgewählt. Die ersten „100 Tage plus“ seiner Amtszeit sind um. Wir wollen wissen: Was hat er gemacht? Mit wem hat er schon Kontakt aufgenommen? Wir ziehen eine erste Bilanz.


In deinem Bürgermeisterwahlkampf hast du mit prägnanten Slogans gearbeitet. Wir konfrontieren dich noch einmal damit. Was hast du – in der zugegebenermaßen kurzen und schwierigen Zeit – bereits anhand deiner Slogans umgesetzt? Oder gibt es zumindest erste Pläne? Wir sind gespannt auf deine Antworten. Feuer frei!


„Zusammenführen statt bevormunden ...“


MORKES: Wir befinden uns ja nicht auf einem Hundertmeterlauf, um das Bild für die „100 Tage“ aufzugreifen. Es ist eher ein Marathonlauf. Ich bin auf dem Weg, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kennenzulernen und zu schauen, wie wir gemeinsam arbeiten können. Ich habe immer wieder zu den Kollegen und Kolleginnen gesagt, dass ich ein tolles Team im Rathaus habe. Ich bin nicht der Allwissende und schreibe auch nichts vor. Offiziell bin ich der Dienstherr, aber ich möchte auch Partner der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein, denn ich bin ein Teil des ganzen Teams. Das ist der erste Schritt bei der Umsetzung meines Slogans: „Zusammenführen statt bevormunden ...“


„Für Sie da statt unterwegs ...


MORKES: Ich habe schon sehr viele Gespräche mit Bürgern und Bürgerinnen geführt. Auch die kleinste Anfrage geht über meinen Schreibtisch. Ich kann natürlich nicht alle Fragen selbst beantworten. Da verlasse ich mich auch auf die entsprechenden Fachbereichsleitungen und Mitarbeiter. Aber ich war in den ersten hundert Tagen tatsächlich vor Ort im Rathaus und nur einmal unterwegs - und zwar bei der Bezirksregierung in Detmold, um mich bei der Regierungspräsidentin vorzustellen.


„Kurze Wege statt langer Leitung ...“


MORKES: Das passt genau zu meinem Stil und ist wichtig – zum Beispiel für die Wirtschaftsförderung. Aus diesem Grund stehe ich neben unserem Fachpersonal als direkter Ansprechpartner für die Unternehmen zur Verfügung.


Bist du in der Verwaltung bereits gut angekommen – oder ist das ein riesiger Berg, vor dem du stehst? Weißt du überhaupt, auf was du dich mit diesem Verwaltungsapparat eingelassen hast?


MORKES: Ich habe in den vielen Vorstellungsgesprächen bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen immer wieder gesagt, dass ich seit dem 2. November 2020 in der Ausbildung bin. Das heißt im Klartext: Ich muss noch eine Menge lernen.



Bedeutet das: Christine Lang (Erste Beigeordnete; die Redaktion) ist die Chefin, und du bist der Azubi, der Lehrling?


MORKES: Nein. Ich habe ein Team, das mich beraten kann und das mir zeigt, wie es in der Verwaltung läuft. Dazu gehört nicht nur Frau Lang. Neben dem Verwaltungsvorstand gibt es 1.600 Kollegen und Kolleginnen, die ich gebeten habe, mich zu unterstützen und mich mit ihrem Know-how in die Arbeit einzuführen. Lernen muss ich den Umgang mit den gesamten Verwaltungsabläufen. Da gibt es tatsächlich einiges an Bürokratie und Formalitäten. Vieles ist festgeschrieben durch die Gemeindeordnung, durch Bundes- oder Landesgesetze. Es sind Vorschriften und Verordnungen, die man einhalten muss. Ich überlege, an welchen Stellen ich in der Zuständigkeit des Bürgermeisters Verwaltung entbürokratisieren kann. Das ist für mich eine zentrale Aufgabe.


Ist der Begriff „Ausbildung“ eine passende Metapher für einen Bürgermeister? Ein Bild für einen so verantwortungsvollen Job? Und wie lange soll denn diese sogenannte „Ausbildung“ dauern?


MORKES: Eine Ausbildung ist nie abgeschlossen. Ich stehe dazu: Es ist die richtige Bezeichnung. Man lernt in der Ausbildung – unabhängig vom Alter. Ich lerne jeden Tag etwas Neues und bilde mich entsprechend weiter.


... aber du musst doch führen und entscheiden!


MORKES: Das tue ich auch. Die „Ausbildung“ bezieht sich auf das Erlernen der Abläufe und Formalitäten. Alles andere läuft parallel ...


Musst du überhaupt ein absoluter Verwaltungsfachmann werden? Oder erwarten die Gütersloherinnen und Gütersloher nicht vielmehr vom Bürgermeister Nobby Morkes, dass er den Transformationsprozess in Gütersloh aktiv mit Impulsen gestaltet! Die Leute wollen Veränderungen in dieser Stadt – gerade in der Zeit nach Corona.


MORKES: Die Impulse werden kommen. Ich bin fünf Jahre lang Bürgermeister. Du kannst in den sogenannten ersten 100 Tagen weder die Stadt noch die Welt bewegen. Viele Dinge passieren hinter den Kulissen. Ich habe zum Beispiel viele Gespräche zu aktuellen Themen geführt, ebenso mit vielen Institutionen, Interessenvertretungen sowie der Bürgerschaft. Die Gespräche werden zu Ergebnissen führen. Das bedarf aber auch einer gewissen Zeit.


„Miteinander statt gegeneinander“ ...


MORKES: Mir geht es darum, viele Initiativen an einen Tisch zu bekommen. Das Gleiche habe ich auch der Politik angeboten, um unter anderem zu klären, wie man gemeinsam in Corona-Zeiten Ausschuss-Sitzungen durchführt. Mit der Politik befinden wir uns im ständigen Austausch.


„Stimmgewaltig statt sprachlos“


MORKES: Ich bin mehr Bürgervertreter als Bürgermeister. Das habe ich in vielen Anrufen und Mails gemerkt. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass ich für sie da bin statt unterwegs zu sein ...


„Young Party statt Tote Hose“ ...


MORKES: Es kann nicht angehen, dass wir das Wapelbad oder das Parkbad immer um 22 Uhr schließen. Und es kann auch nicht angehen, dass wir die Wapelbeats beenden müssen, nur weil sich ein Anwohner beschwert, dass es zu laut sei. Es stellt sich die Frage, ob sich Interessen Einzelner über das Allgemeinwohl stellen. Hier müssen wir die Situation rechtlich prüfen lassen. Das ist bislang noch nicht erfolgt. In anderen Städten gehen die jungen Leute am Wochenende um diese Uhrzeiten erst mal zum „Vorglühen“, und in Gütersloh werden sie ins Bett geschickt ...


Das waren Antworten zu deinen Wahlkampfthemen. Themenwechsel: Eines deiner zentralen Themen ist der Bürgerrat. Wie weit bist du in dieser Sache? Und wie sieht „dein“ Bürgerrat nun aus? Und wer wird daran teilnehmen?


MORKES: Der Bürgerrat wird installiert. Einige Fraktionen finden ihn nicht so gut, weil es kein „Parallelgremium“ geben soll. Der Bürgerrat soll zu verschiedenen Themen tagen. zum Beispiel zu Themen wie Innenstadt, Gesundheitspolitik, Kulturszene oder auch Verkehrswende. Ziel ist es, Impulse aus der Bürgerschaft zu bekommen. In welcher Form das geschehen kann und wie er sich zusammensetzt, dazu werden wir Vorschläge machen. Ich kann noch nicht sagen, wann er zum ersten Mal tagen wird. Aber klar ist: Wir wollen ein Modell, das auf Gütersloh zugeschnitten ist.


Gibt es einen Austausch mit Anke Knopp von der Bürgerinitiative „Demokratie wagen“, die kritisiert, dass die Einrichtung eines Bürgerrates nicht richtig vorankommt?


MORKES: Ein gemeinsamer Gesprächstermin ist vereinbart.


Stichwort Digitalisierung: Wie wird das Projekt des früheren Bürgermeisters, die Digitale Agenda, von dir umgesetzt? Und wie weit ist das Thema Digitalisierung in der Verwaltung angekommen?


MORKES: Zum Thema Digitalisierung ist ein eigener Ausschuss gegründet worden. Im März werden wir die Digitale Agenda in diesem Ausschuss zur Diskussion bringen. Die Gerüchteküche sagt, dass ich den gesamten Digitalen Aufbruch stoppen möchte. Das stimmt nicht. Ich habe lediglich deutlich gemacht: Bevor man draußen die Sturmglocken läutet und mit einem großen Aufwand die Werbetrommel rührt, muss man zunächst im Rathaus das Fundament schaffen, damit man als Verwaltung diese Aufgaben übernehmen kann. Hier in der Verwaltung gibt es noch viel aufzuarbeiten, zum Beispiel in der Infrastruktur sowie in der personellen Ausstattung. Ich habe mich in einem ersten Schritt mit dem IT- Team zusammengesetzt und zugehört. Wie sollen wir den Digitalen Aufbruch schaffen, wenn es bei uns im Haus nicht rund läuft?


Miele hat ein neues und innovatives Luftreinigungsgerät auf den Markt gebracht. Wäre es nicht absolut wünschenswert, dass die Stadt Gütersloh gemeinsam mit unserem Weltkonzern diese Luftfilter für die Schulklassen an den Start bringt?


MORKES: Mit dem Unternehmen Miele sind wir bereits im Gespräch. Miele hat der Stadt Gütersloh zwei Geräte zur Verfügung gestellt zu dem Zweck, sie im Grundschulbereich testweise einzusetzen und sich über die entsprechenden Schulalltags-Erfahrungen auszutauschen. Die Geräte sind seit Mitte Februar in der Grundschule Blankenhagen im Einsatz. In der Grundschule Isselhorst hat uns die Firma Schröder zwei fest installierte Anlagen unentgeltlich zur Verfügung gestellt, die von der Stadt übernommen wurden und gewartet werden.




Werden die Einzelhändler in der Innenstadt alleine gelassen? Wo sind die Impulse, die flankierenden Maßnahmen, um der Gütersloher Innenstadt während der Pandemie zu helfen. Das Stadtmarketing ist in diesem Zusammenhang aufgerufen. Wie stehst du zum Gütersloher Stadtmarketing?


MORKES: Die GTM ist ein Eigenbetrieb der Stadt. Einer meiner Vorschläge war es, dass ich als Gesellschaftervertreter in der GTM vertreten bin. Das wurde bedauerlicherweise von CDU und Grünen nicht gewünscht. Darüber habe ich mich geärgert, denn ich hätte Impulse und Ideen direkt mit einbringen können. Ich habe mich aber mit Jan-Erik Weinekötter geeinigt, dass wir regelmäßige Gespräche führen werden. Ich habe mich auch in der Vergangenheit mit der BfGT immer sehr intensiv für das Thema Innenstadt eingesetzt. Als Bürgermeister werde ich auch weiterhin meine Vorstellungen mit einbringen. 


Thema Verkehrswende: Gibt es bestimmte Vorstellungen des neuen Bürgermeisters?


MORKES: Die Verkehrswende ist ein Zukunftsthema für die Stadt. Um unsere Stadt weiter lebenswert zu halten, benötigen wir die schnelle Umsetzung eines Gesamtkonzepts für Mobilität, das nicht nur einzelne Bereiche wie Radverkehr, ÖPNV oder innerstädtisches Parken im Fokus hat. Es geht darum, alle Verkehrsteilnehmer an einen Tisch zu bringen und niemanden auszugrenzen. Ziel ist eine bezahlbare Mobilität für alle – Familien, Schulkinder, Pendler, Gäste, Senioren und regionale Wirtschaft – so zu gestalten und zu verknüpfen, dass der öffentliche Raum optimal genutzt wird und die Aufenthaltsqualität besonders in der Innenstadt und den Ortskernen gestärkt wird.

„Aufenthaltsqualität“ ist im Übrigen auch ein Stichwort, das sich nicht nur auf Innenstadt und Ortsteile bezieht, sondern auch auf die Luft zum Atmen, die wir brauchen. Trotz aller Wohnraum-Probleme darf unsere Stadt nicht zugebaut werden, Erhalt und Ausbau von Grünflächen müssen ebenso gewährleistet sein wie die weitere Entwicklung von Grünanlagen und Parkflächen, denn sie kühlen die Luft herunter.


Wo siehst du die Entwicklungschancen für die Stadt? Wie sieht die Zukunft der Stadt aus?


MORKES: Chancen für unsere Stadt bietet auf jeden Fall die Entwicklung des Mansergh Quartiers als neuer Stadtteil mit seiner Verbindung von Wohnen, Lernen, Forschen und Raum für innovative Unternehmen und Start-ups, die Weiterentwicklung des FH-Standortes, die Projekte, die wir im Rahmen der Förderung von „Smart City made in Germany“ entwickeln werden und auch die Möglichkeiten, die sich aus der Nachbarschaft von Naturräumen und Gewerbe am Flughafen ergeben.


Als Fraktionsmitglied warst du bei Personalaufstockungen eher skeptisch? Warum so viel neue Mitarbeiter? Muss das sein in Zeiten der Sparmaßnahmen?


MORKES: ,Keine im aktuellen Stellenplan aufgeführte Stelle ist eine zu viel‘, habe ich in meiner Haushaltsrede neulich gesagt. Dazu stehe ich und gebe zu, dass man eine andere Perspektive einnimmt, wenn man die Möglichkeit hat, „hinter die Kulissen“ zu schauen. Ich habe in den vergangenen Monaten mit vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gesprochen. Gütersloh ist gewachsen und mit der Stadt die Aufgaben, aber der Personal-Bestand ist in vielen Bereichen seit 20 Jahren gleich geblieben. Tatsächlich arbeiten Mitarbeiter in manchen Bereichen am Limit, um die anfallenden Aufgaben zu erfüllen. Und auch aus politischen Entscheidungen entstehen Anforderungen und Aufgaben, die wir umsetzen und fachgerecht erledigen wollen. Das geht nur mit dem entsprechenden Personalbestand.


Du mahnst zur Sparsamkeit. Da ist wenig Raum für Investitionen. Auf der anderen Seite sollen Investitionen aber nicht radikal runterfahren werden. Wie passt das zusammen?


MORKES: Sparen heißt nicht, kein Geld mehr für Investitionen in die Hand zu nehmen. Das wäre der falsche Ansatz, der unweigerlich mittelfristig zu einem Investitionsstau führen würde. Aber Augenmaß ist gefordert. Priorität haben Schulen und Kitas, der Ausbau des Offenen Ganztags zum Beispiel oder der Ausbau des Schulstandorts Nord, das ist ein wichtiger Invest in die Zukunft unserer Stadt. In meiner Eigenschaft als Fraktionsvorsitzender habe ich aber bereits vor Jahren darauf hingewiesen, dass wir nur Projekte in den Haushalt aufnehmen sollten, die auch tatsächlich im vorgesehenen Jahr umgesetzt werden können. Das haben wir im aktuellen Haushalt berücksichtigt. Und ich habe an die Politik mit Blick auf die Bundestagswahl appelliert, keine vorgezogenen „Wahlgeschenke“ zu verteilen.


Wie geht es weiter bei folgenden Projekten: Flugplatz, Mansergh und Klinikum?


MORKES: Nächste Schritte für das Mansergh Quartier hatten wir am 1. März gerade im Hauptausschuss – das ist ein Projekt, das bis zur Umsetzung einige Jahre brauchen wird, aber die Planungen gehen gut voran. Auch die Abstimmung mit der Fachhochschule Bielefeld läuft erfreulich. Zum Flugplatz, zum Mansergh Quartier und auch zu den Wohnungen der Briten habe ich – als einen meiner ersten Termine im Amt – die Gespräche mit der BiMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) wieder aufgenommen. Ich denke, hier sind wir auch auf gutem Weg. Was das Klinikum anbetrifft: Ich habe mich auch als Fraktionsvorsitzender der BfGT immer an der Frage ausgerichtet: „Was sind uns die Gesundheit und die medizinische Versorgung unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen wert?“ Uns dürfte allen klar sein, dass auch hier Investitionsmittel bereitgestellt werden müssen, um den Gesundheitsstandort Gütersloh nachhaltig zu stärken.


Im Gespräch

Norbert Morkes

Norbert Morkes

"Nobby" ist Event-Manager und Gründer der BfGT und sagt über sich selbst, dass er noch in der Ausbildung sei.

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