Immer wieder neue Herausforderungen

Markus Corsmeyer

Autor: Markus Corsmeyer

Fotos: Wolfgang Sauer

10.03.2021

Menschen, die im Krankenhaus arbeiten, leisten gerade in der Corona-Pandemie Enormes. Für Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltungsmitarbeiter und viele andere ist das Virus eine extreme Herausforderung. Physisch und physisch. Um einen Blick in den Krankenhausalltag werfen zu können, hat uns das Klinikum Gütersloh exklusiv seine Türen geöffnet. Markus Corsmeyer und Wolfgang Sauer durften für das gt!nfo den Krankenhausalltag des Klinikums erleben und haben mit Chefarzt Professor Fikret Er, Pflegedirektorin Andrea Eickhoff und Pflegekraft Sandra Littlejohn über ihren Alltag im Klinikum während der Corona-Pandemie gesprochen. Fest steht: Bisher ist das Haus gut durch die Pandemie gekommen, doch die Dauer und ständig neue Herausforderungen bringen das Personal natürlich an seine Grenzen ...


Immer mit Maske


Sie gehören in allen Bereichen des Krankenhauses seit nunmehr einem Jahr auch für das Pflegepersonal als unverzichtbarer „Begleiter“ zum Alltag: FFP2-Schutzmasken. „Wir starten unseren Arbeitstag natürlich immer mit der Maske. Auch wenn wir uns für den Dienst umziehen, bleibt die Maske im Gesicht“, erklärt Pflegekraft Sandra Littlejohn. Ein weiteres ständiges Ritual seit rund zwölf Monaten ist der Corona-Schnelltest, den die junge Mitarbeiterin vor Dienstantritt in der Station regelmäßig machen muss. Absolute Sicherheit – das ist die oberste Maxime. Der Arbeitsalltag für die Pflegekraft auf der Onkologie-Station ist natürlich in diesen Zeiten – wie für alle Kolleginnen und Kollegen auch – wesentlich anstrengender als sonst. Insbesondere bei älteren Patienten, die unter Demenz leiden oder andere neurologische Erkrankungen haben, treffen die notwendigen Corona-Vorsichtsmaßnahmen auf Unverständnis, auch die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und Patienten ist durch den Mund-Nasenschutz oft gestört. Zur allgemeinen Situation: Auf der Onkologie-Station, in der Sandra Littlejohn tätig ist, arbeiten zurzeit 14 Pflegekräfte. Diese Station hat insgesamt 31 mögliche Bettenkapazitäten, da dort aber auch häufig Patienten ohne negatives PCR-Testergebnis zunächst in einem Zweibettzimmer isoliert werden müssen , kann selten die Maximalzahl an Patienten aufgenommen werden. Momentan befinden sich 23 Patienten auf der Station. „Wir müssen in Coronazeiten das Belegungskonzept aber immer wieder an aktuelle Situationen anpassen“, erklärt Pflegedirektorin Andrea Eickhoff.


Der Alltag hat sich geändert


Im Klinikum gibt es eine Isolierstation, auf der zurzeit alle Corona-Fälle liegen. Das Team arbeitet auf dieser Station 1 gesondert und isoliert von den restlichen Kollegen in der Klinik. Das gilt auch für die Intensivstation. „Unsere Intensivstation ist quasi zweigeteilt“, so Chefarzt Professor Fikret Er, der in der Kardiologie und Intensivstation arbeitet

Der Alltag im Klinikum hat sich für alle Ärzte komplett geändert. Ein Beispiel: Vor der Coronapandemie haben sich die Kardiologen jeden morgen um 7.30 Uhr getroffen, um alle Befunde des Vortages noch einmal zu analysieren und Probleme der Patienten gemeinsam bei einer Tasse Kaffee zu besprechen. Jetzt stehen die Ärzte vor dem offenen Fenster, und die Anzahl der Mitarbeiter ist auf ein absolutes Minimum reduziert worden. Soll heißen: Besprechungen werden zwar immer noch durchgeführt, die zwischenmenschliche Komponente der Arbeit bleibt jedoch zum Teil auf der Strecke. Ein Beispiel: Verabschiedungen finden jetzt immer ohne das gewohnte Händeschütteln statt. „Früher haben wir bereits beim Betreten des Krankenzimmer am Gesichtsausdruck der Patienten vorab schon häufig sehen können, wie es ihnen geht – das geht aufgrund der Masken nicht mehr und erschwert natürlich unsere Arbeit“, so Professor Fikret Er weiter. Auch die medizinische Arbeit hat sich durch die Pandemie verändert, die Ärzte passen sich aber an und achten jetzt noch auf andere Parameter. Hat es in der Vergangenheit gereicht, die Patienten im ersten Kontakt anzuschauen, um zu sehen, ob die Haut gelblich verfärbt ist oder ob die Lippen trocken sind, müssen jetzt andere Körperpartien in diesem Zusammenhang untersucht werden.


Aufwändige Versorgung der Coronapatienten


Die Situation stellt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Klinikum jeden Tag immer wieder vor große Herausforderungen. Kooperation ist gefragt, wenn das Intensivteam mit dem Team in der normalen Station eng zusammenarbeiten muss. Täglich wird entschieden, ob Patienten auf der Normal- oder der Intensivstation bleiben. Innerhalb des Krankenhauses wird der Transport unter Coronabedingungen durchgeführt. Mitarbeiter sind dann komplett vermummt, und die Patienten werden in speziellen Aufzügen auf die Intensivstation gebracht. Dort wird jeden Tag evaluiert, was die Patienten individuell benötigen. „Die Versorgung der Coronapatienten auf der Intensivstation ist weitaus aufwändiger als die Betreuung der normalen Intensivpatienten. Wir müssen bei ihnen ungefähr dreimal so viel Personal einsetzen“, fasst Chefarzt Er zusammen. Es ist immer wieder eine körperliche Höchstleistung für alle Mitarbeiter, die stundenlang direkt am Bett mit den Patienten in voller Montur und mit Maske arbeiten müssen. Erkrankte Patienten bleiben ungefähr drei Wochen auf der Station und werden dort entsprechend behandelt.



Das Klinikum verzichtet aufgrund der aktuellen Lage weitestgehend auf Besucher – eine schwere und belastende Situation für die Patienten, keine Unterstützung der Familie zu haben. Alle Mitarbeiter im Klinikum versuchen immer wieder, diese Ausnahmesituation zu kompensieren.

In Coronazeiten ist ein dynamisches Umdenken im Klinikum gefragt – auch eine große Aufgabe für Andrea Eickhoff, die als Pflegedirektorin umsichtig und verantwortungsbewusst planen muss. Sie muss die vielen Abstriche organisieren und auf Kontaktbeschränkungen achten, auch dürfen möglichst wenige Personalverschiebungen auf den Stationen vorgenommen werden. Eine echte organisatorische Herausforderung im Bereich der Personalplanung für die Pflegedirektorin. Corona bedeutet auch, „anders“ zu denken. Durch die Pandemie muss der Arbeitsalltag des Krankenhauses mit seinen Abläufen komplett neu strukturiert werden. Alles wird neu durchdacht, um schwere Coronaausbrüche zu verhindern. Gewohntes wird auf den Kopf gestellt. Im Prinzip laufen zwei Kliniken in einem Haus parallel. Manchmal eine verkehrte Welt.


„Hab-Acht-Situation“


Zurzeit ist die Situation im Klinikum entspannter als noch vor Monaten. Andrea Eickhoff spricht von einer „Hab-Acht-Situation“, weil alle Respekt vor Virus-Mutationen haben und nicht wissen, wie sich die Situation zukünftig entwickeln wird. Die sogenannte „Erste Welle“ hat das Klinikum hart getroffen. „Wir waren in dieser Zeit das ‚Corona-Krankenhaus’ im Kreis Gütersloh und befanden uns am absoluten Limit“, so Chefarzt Er. Die Zweite Welle hat das Klinikum gut gemeistert – jetzt sind alle Beteiligten im Umgang mit den neuen Herausforderungen geübt.


Professor Fikret Er, Andrea Eickhoff und Sandra Littlejohn sind sich einig: Die Krise hat die Mitarbeiter im Klinikum zusammengeschweißt. Alle wünschen sich dennoch wieder mehr Normalität im Krankenhausalltag, da die persönlichen Kontakte zwischen den Kolleginnen und Kollegen oft auf der Strecke bleiben und die Kontakteinschränkungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Klinikum sehr zu schaffen machen.


Das Klinikum im Überblick


Rund 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgen jährlich über 22.000 stationäre und mehr als 40.000 ambulante Patienten. Das Klinikum verfügt über 410 Betten in 11 Fachkliniken und einer Belegabteilung. Um komplexe Krankheitsbilder auf dem neuesten Stand der Wissenschaft versorgen zu können, werden Spezialdisziplinen in interdisziplinären Organ-Zentren gebündelt.




Im Gespräch

Andrea Eickhoff

Andrea Eickhoff

Die Pflegedirektorin muss die organisatorischen Abläufe koordinieren.

Professor Fikret Er

Professor Fikret Er

Chefarzt Professor Fikret Er im Gespräch. Schwierige Bedingungen für die Ärzte.

Sandra Littlejohn

Sandra Littlejohn

Für Pflegekraft Sandra Littlejohn ist der Alltag zurzeit auch strapaziös.

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