Alles kann, alles soll, alles muss!

Birgit Compin

Autor: Birgit Compin

Fotos: Pixels

27.01.2022

Alles kann, alles soll, alles muss!


Im Herbst starteten wir unsere Serie über das Ziel der EU bis 2050 klimaneutral zu sein. Green Deal nennt sich das Konzept, das bis 2030 eine Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 einfordert. Wie soll das gehen? Verkehrswende, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Landwirtschaft, technische Innovationen, Forschungslabore … alles steht auf dem Plan. Frei nach dem Motto alles kann, alles soll, alles muss! Bestenfalls.


Erste kleine Schritte wurden sichtbar, viele andere lassen nach wie vor auf sich warten. So bemängelte ich (und tue es immer noch) die zu wenigen öffentlich zugänglichen Ladestationen für ein künftiges Mehraufkommen an E-Cars in unserer Stadt und nannte als Beispiel das Dortmunder Konzept, das Ladestationen mit Straßenlaternen koppelt. Die BfGT stellte im Ausschuss Umwelt und Klima einen Prüfantrag, ob dies auch in Gütersloh möglich sei. Das wurde von der Verwaltung zwar verneint, doch versprach man, dem Ausschuss einen Vorschlag zu unterbreiten, wie sich die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge verbessern lässt. Das wird auch dringend nötig, sollte nicht jeder, der kann, demnächst sein E-Auto via Verlängerungskabel im Hinterhof am häuslichen Stromnetz aufladen müssen.


Du bist nicht allein

Doch die Stadt ist da nicht allein. Die Frage nach genügend Ladestationen für alle stellt sich im ganzen Land. Trotzdem ist sie nur ein Baustein auf dem Weg zur Verkehrswende. Rund 25 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU sind auf die aktuelle Verkehrssituation zurückzuführen. Wie also geht eine nachhaltige Reduzierung von Treibhausgas- und Schadstoffemissionen, Lärm, Unfällen und Überlastung? Die Antwort wird eine bittere Pille für Automobilfreunde sein: Soll die Mobilitätswende schnell und nachhaltig gelingen, sind E-Cars nur der erste Schritt auf dem Weg zum langfristigen Verzicht und hin zu alternativen Transportmitteln. Eine gute digitale Infrastruktur vorausgesetzt, gehört ein bestens vernetztes elektrifiziertes Busse- und Bahn-System genauso dazu, wie Car-Sharing-Projekte, eine einzige, alle Angebote bündelnde App und das vermehrte Nutzen von Fahrrädern.


Fördermaßnahme Lastenrad

Und da kommt uns ein Angebot der Stadt gerade recht: Seit Oktober bietet Gütersloh ein Förderprogramm für Lastenräder an. Was anfangs noch deutschlandweit medial belächelt wurde, erfährt längst einen immer größeren Zuspruch – nicht nur in Großstädten. „Gefördert wird der Erwerb von handelsüblichen neu angeschafften Lastenrädern und die dazugehörigen Anhänger“, erklärt Leif Pollex, Klimabeauftragte der Stadt. Ganze 30 Prozent vom Anschaffungspreis werden bezuschusst, maximal 1.000 Euro. Bis Ende 2022 stehen dafür mehr als 50.000 Euro zur Verfügung. Ein schöner Anfang ist gemacht. Jetzt braucht es nur noch den zügigen und bezahlbaren Ausbau des großen Rests.

 

Konzepte wagen

Bewegen wir uns mal wieder über die eigenen Grenzen hinaus, zeigt das Beispiel Oslos konkret, wie ÖPNV und Fahrrad das Auto immer besser ersetzen können. Auch wenn die Stadt mit knapp 700.000 Einwohnern auf den ersten Blick nicht vergleichbar erscheint, ringt sie doch mit den gleichen Problemen: Sie wächst, die Menschen brauchen Wohnungen, das Verkehrsaufkommen legt zu. So rief Oslo das ambitionierte Ziel aus, den Anstieg der Einwohnerzahl vollständig durch den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) abzufangen. Damit das gelingen kann, baut die Stadt sein ÖPNV-Angebot und -Netz systematisch aus. Auch eine Radverkehrsstrategie bis 2025 gehört dazu. Bis dahin soll sich der Anteil des Radverkehrs am Gesamtaufkommen auf 16 Prozent steigern und 85 Prozent der Einwohner einen Radweg in weniger als 200 Meter Entfernung von ihrem Zuhause vorfinden. 

Oder schauen wir uns Barcelona an, einem der europäischen Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Hier werden bis zu neun Häuserblocks in „Superblocks“ zusammengefasst. Sie erhalten mehr Platz für Grün in Form von bepflanzten Hochbeeten und Fassaden, Blumentöpfen und schattenspendenden Bäumen. Dafür werden Straßen von zwei Spuren auf eine reduziert und das Tempo des Autoverkehrs auf maximal 10 bis 20 km/h begrenzt. Das Resultat: Menschen, Fußgänger und Radfahrer prägen das Stadtbild. Die Beispiele zeigen: einfach mal machen und wagen ist die beste Strategie.


Gemeinsam geht’s besser

Doch gemeinsam geht’s leichter. Das sehen mittlerweile 47 Kommunen und Städte in Deutschland genauso. Um schneller voranzukommen, haben sie sich in einem Wettbewerb zusammengeschlossen – darunter auch Bielefeld, Osnabrück und Bad Oeynhausen. Gemeinsam arbeiten sie mit an den Projekten „MobilitätsWerkStädte“ und „MobilitätsZukunftsLabore“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. In drei Förderphasen entwickeln sie lokale Mobilitätskonzepte für die Zukunft. In den daraus entstehenden Reallaboren werden die Lösungen in der Praxis getestet. Seit Januar 2020 arbeiten sie daran, die nachhaltige Mobilität in Deutschland voranzubringen und einen aktiven Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Mit Einbezug der Bürgerinnen und Bürger, Akteurinnen und Akteuren und der Wissenschaft erproben die Modellprojekte zukunftsweisende Konzepte in der Praxis.


Quellenangaben:

Lastenräder Förderprogramm Stadt Gütersloh

www.stadt.gt/lastenraeder


Konzepte europäischer Städte

https://www.ey.com/de_de/automotive-transportation/mobilitaetskonzepte-in-staedten


Nachhaltige urbane Konzepte in Deutschland

https://www.zukunft-nachhaltige-mobilitaet.de


Gemeinsame geförderte Stadtprojekte

Projekte – Begleitforschung Nachhaltige Mobilität (BeNaMo) (zukunft-nachhaltige-mobilitaet.de)


Green Deal / Europe Direct Gütersloh

www.prowi-gt.de/europe-direct


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