Katholisch, rebellisch, angstfrei

Heiner Wichelmann

Autor: Heiner Wichelmann

Fotos: Antoine Jerji

15.04.2021

Maria 2.0 in Gütersloh:

katholisch, rebellisch, angstfrei


Der Thesenaushang Gütersloher Aktivistinnen der Bewegung Maria 2.0 Ende Februar hat die Forderungen nach einer geschlechtergerechten und damit zukunftsfähigen Kirche auch in Gütersloh zum aktuellen Thema gemacht. Es scheint ernst zu werden für die katholische Kirche, die sich in einer tiefen Krise befindet. Sie ist als Tatort sexueller Gewalt gebrandmarkt, Frauen fordern den Zugang zum Priesteramt, lehnen das Zölibat ab und protestieren gegen klerikale Strukturen. Wie geht es weiter? Elisabeth Westerbarkey (Maria 2.0), Anita Buschsieweke (KFD-Bezirk Gütersloh und Maria 2.0), Marie-Simone Scholz (Gemeindereferentin, Mitglied Synodaler Weg) und Pastor Dirk Salzmann vom Pastoralen Raum Gütersloh geben Antworten, die aufhorchen lassen.


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Das Aufbegehren von Frauen gegen eine männerdominierte, klerikal organisierte Kirche ist gefühlt immer noch ein unerhörter Vorgang. Wie ernst meinen Sie es?


Westerbarkey: Für mich steht fest: Wenn es keine Reformen in der Katholischen Kirche gibt, wenn den Frauen der Zugang zu allen Ämtern, auch dem des Priesters, weiter verwehrt bleibt und die Ursachen sexualisierter Gewalt nicht konsequent bekämpft werden, werde ich austreten. Ich bin seit Kindes Tagen mit der Kirche sehr verbunden, engagiere mich in der Herz-Jesu-Gemeinde von der Kinderbetreuung bis zum Pfarrgemeinderat, aber ich kann die herrschenden klerikalen Strukturen so nicht mehr mittragen.


Buschsieweke: Wir sind uns da einig. Wir haben uns zwar erst im vergangenen Jahr kennengelernt, aber als wir merkten, dass wir beide schon lange den Wunsch haben, dass Frauen in der Kirche mehr zu Wort kommen, dass sie gleichberechtigt sein müssen, intensivierten wir den Kontakt und engagieren uns jetzt bei Maria 2.0.


Scholz: Ich bin Mitglied im Synodalen Weg, das ist ein Gesprächsformat, das den Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche aufarbeiten und den Reformdialog beginnen soll, und bin überzeugt: Wir müssen strukturell etwas tun, um Missbrauch zu verhindern. Dafür muss Macht eingegrenzt werden, das ist ein Schritt dahin. Welche Chance es gibt, dass Veränderungen konkret umgesetzt werden, das wird sich zeigen.


Fühlen Sie sich in dieser Runde wohl, Herr Pastor Salzmann?


Salzmann: Ich fühle mich sehr wohl. Ich kenne meine drei Kolleginnen als engagierte, mit der Kirche verbundene Frauen. Ich glaube, wir brauchen das Gespräch über Macht, die ich aber erst mal durchweg positiv sehe, denn Macht bedeutet, dass man gestalten kann. Sie ist der konkreten Person, die ein Amt ausfüllt, anvertraut, um letztlich die Botschaft Jesu weiterzugeben, um zu helfen, dass Menschen wachsen können. Diese Corona-Zeit ist natürlich für dieses Gespräch eine echte Bremse. Ich würde gerne jetzt Menschen versammeln und in die Themen gehen.


Die Frau in der katholischen Kirche erscheint von außen eher als stille, dienende Figur: Ist sie anders geworden?


Westerbarkey: Die Frauen von heute haben sich sehr geändert. Sie wollen die Gleichberechtigung. Viele sagen aber auch: Ich traue mich nicht, weil ich Angst vorm Pfarrer habe. Und ehrlicherweise es gibt auch viele ältere Frauen, die gar nicht verstehen, was gerade vorgeht.


Scholz: Die Kirche muss endlich akzeptieren, dass Frauen und Männer wirklich gleich sind, völlig unabhängig vom Geschlecht! Man muss sich klarmachen, dass die katholische Kirche aber eine von Frauen geführte Männerkirche ist. Wenn die Frauen streiken, kann sie einpacken.


Wie viele Frauen sind in Gütersloh in Leitungsfunktionen der katholischen Kirche?


Salzmann: Das halten wir nicht fest, es gibt keine Statistik. Überall kommen Frauen vor – als ehrenamtliche Pfarrgemeinderatsvorsitzende, in den Kirchenvorständen, als Verwaltungsleitung. Aber es geht ja um Zugänge der Frauen zum priesterlichen Amt, ein für die heutige Gesellschaft eigentlich selbstverständliches Recht, denn wir sagen ja: alle Menschen sind gleich. Somit ist es unerträglich, dass es eine Aufgabe gibt, die nur Männern vorbehalten ist. Ich frage mich: Wäre es nicht besser, einen Priester allein mit der geistlichen Leitung einzustellen? Das würde das priesterliche Amt auf das Eigentliche konzentrieren, das könnte sogar die Systeme zum Zugang als Priester verändern.


Buschsieweke: Bei den Weiheämtern geht es ja um Berufung. Es gibt viele Frauen, die diese Berufung spüren, sie aber nicht leben dürfen und daran schließlich zerbrechen.


Westerbarkey: Ich bin überzeugt, es ist Gottes Wille, dass etwas passiert. Jesus hat es uns doch gezeigt. Er ist zu den Frauen gegangen, oder zu den Sündern. Er wollte keine männlich dominierte Kirche.


Gibt es Diskussionen in der Gütersloher Amtskirche? Beschäftigt Sie das Thema, Herr Salzmann?


Salzmann: Wir sind auf dem Weg eines pastoralen Prozesses. Einen gestalteten Diskussionsprozess um Maria 2.0 gibt es so nicht. Unsere Hauptaufgabe bleibt die Seelsorge der Menschen. Wir können uns nur darum kümmern, dass es innerhalb unserer Organisation vor Ort anständig vorgeht. Aber es geht auch darum, das Gespräch offenzuhalten, mit ungewissem Ende. Als Priester muss ich dabei eine gewisse Neutralität wahren. Für mich gilt: Ich setze mein Leben auf Gott, nicht auf die Kirche. Und mit zu entdecken, wie sich die Kirche in zehn, zwanzig Jahren darstellt, ist ein spannender Weg. Da arbeite ich gerne mit an der Gestaltung. Klar ist: Die Kirche meiner Kindheit und Jugend gibt es nie wieder. Aber es wird eine andere Kirche geben.


Wenn die Kirche so bliebe, wie sie ist und Maria 2.0 scheitert: Was würde das bedeuten?


Scholz: Dann würden viele Frauen die Kirche verlassen. Der Rest würde sehr traditionalistisch-konservativ sein. Eine sehr kleine, winzige Kirche bliebe übrig. Für mich selbst gilt: Ich kann nicht noch 20 Jahre warten. Schon heute kann jeder Bischof zum Beispiel regeln, dass Laien, die dafür ausgebildet werden, in einer Eucharistiefeier predigen dürfen. Das wäre ein Schritt, wo ich sage: das wäre toll!


Wie geht es jetzt hier weiter in Gütersloh?


Buschsieweke: Die Frauen stärken, darum geht es.


Westerbarkey: Wir haben gerade erst begonnen. Ich möchte gerne allen Frauen zurufen: Traut euch, auf die Straße zu gehen. Ihr müsst nicht auf Entscheidungen von oben warten. Habt Mut, ihr braucht keine Angst zu haben.


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