Kulturlos ist keine Option

Autor: gt!nfo

04.11.2021

Einer meiner Lieblingssätze aus unserem während der Pandemie entstandenen Film „Das Theater träumt“ ist der von Moritz Rinkes „Wasserturmwächter“: „Sinnsuchend gingen sie in das Theater hinein – und sinnerfüllt kamen sie wieder hinaus.“ Er beschreibt hier die Vor-Corona-Situation aus der Zeit des Lockdowns.


Tatsächlich besteht für mich eine große Faszination von Theater beziehungsweise kulturellen Veranstaltungen allgemein darin, zu beobachten, „was es mit den Leuten macht“. Die Veränderung des Aggregatzustandes, den eine Live-Performance bei einem Publikum bewirken kann, das sich zu einer nur durch dieses Angebot zusammengekommenen Gemeinschaft gefügt hat.


Corona hat nicht alles zerstört

Nun, da Corona noch immer nicht aus der Welt ist, die Kultur aber wieder angelaufen, stellen wir fest: Es bestehen noch Ängste vor derlei Zusammenkunft, und einige Menschen werden sich freiwillig womöglich absehbar gar nicht mehr einfinden. Jedoch das unschlagbare Gefühl, dass sich Vorbehalte zwar nicht gleich in Luft auflösen, es aber höchst wahrscheinlich einen messbaren Unterschied zwischen Ankunft und Nachhauseweg gibt, lässt sich weiterhin herstellen. Corona hat das nicht zu zerstören vermocht.


Die Kultur ist gefragt

Damit kann auch den gefühlt zunehmenden Bestrebungen der Kulturlosen dieser Welt etwas entgegengesetzt werden. Dafür hat es sich für das nicht selten unterschätzte große Heer der Kulturschaffenden gelohnt, die Durststrecke zu überstehen. Das ist leider längst nicht allen, insbesondere Freischaffenden, ohne Berufswechsel oder Absturz ins Bodenlose gelungen.

Nun ist auch die Kultur gefragt, sich den Herausforderungen von demographischem Wandel, digitaler Revolution bis zur absehbar alles dominierende Klimakrise zu stellen. Wir nehmen diese Herausforderungen an, haben die digitale Erweiterung unseres Portfolios während Corona trainiert und werden in Punkto Nachhaltigkeit in Kürze ein neues Niveau erreichen, wenn wir die gesamte Beleuchtung des Theaters auf LED umstellen.

Kulturlos, so viel ist klar, geht die Welt schneller den Bach runter, als mit ihr. Natürlich sind wir in Deutschland mit unserer, zwar längst nicht perfekten, aber doch einzigartigen Kulturförderpolitik privilegiert. Doch auch hier können wir natürlich nicht davon ausgehen, dass die Pandemie in Kürze spurlos vorüber sein wird. Es ist zu hoffen, dass die Kultur zunehmend eine Rolle bei deren Überwindung spielen kann. Nicht zuletzt als Mittel gegen Vereinzelung und Haltlosigkeit. Phänomene, die in einer sowieso zunehmend die Kapazitäten des Einzelnen überfordernden vernetzten Welt durch die Pandemie verstärkt wurden.


Wir spielen wieder!

Die Beschäftigung der Kultur mit der Zeit, in der wir leben, schafft nicht selten Möglichkeiten, sich darin besser zurecht, womöglich auch Trost, zu finden. Unter Gleichgesinnten zu sein, und seien es nur andere Zerstreuungssuchende, in einer Veranstaltung, die vor allem gut unterhalten möchte.

Ob Kultur Lebensmittel ist, wie es auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters während der Krise gesagt hat, mag man zu Recht bezweifeln, wenngleich es für mich persönlich zutrifft. Kulturlos zu leben, kann für Niemanden, also auch für diejenigen, die kaum oder gar keine kulturellen Angebote wahrnehmen, ein erstrebenswerter Zustand in Stadt, Land, Welt sein.

Nicht zuletzt bei der Überwindung von Vorurteilen und Ängsten leistet die Kultur einen wertvollen Beitrag für eine spielerische Zusammenführung von Menschen jeglicher Herkunft im Sinne des friedlichen Zusammenlebens der Menschen in Gütersloh, Deutschland, Europa und der Welt, was wir mit internationalen Gastspielen, niederschwelligen Angeboten, vom Workshop bis zur kostenlosen Reihe „Klangkosmos Weltmusik“ unterstreichen wollen.

Hoffen wir darauf und arbeiten wir daran, dass die Bedingungen, unter denen Kultur entsteht und dargeboten wird, sich auch durch die Spätfolgen der Pandemie nicht verschlechtern werden und, trotz einer sich ebenfalls im Wandel befindlichen Medienlandschaft, genügend Aufmerksamkeit für sie erzeugen lässt. „Lebt und spielt!“, sagt am Ende unseres Films Miroslava Svolikovas „Blinder Imker“. Ein weiterer Lieblingssatz. Wir spielen wieder. Seid dabei!

Im Gespräch

Christian Schäfer

Christian Schäfer

Seit Mai 2013 der Künstlerische Leiter des Theaters Gütersloh und seit 2019 in der Betriebsleitung der Kultur Räume Gütersloh.

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