„Es geht mit uns Gott weiß wohin...“

Autor: gt!nfo

26.11.2021

Essay: Pfarrerin Wiebke Heine


Kirche ist langweilig, altmodisch, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, geht mit ihren Angeboten an den Menschen vorbei – gern geübte Kritik an der Institution, die ich liebe und für die ich – wie so viele andere auch – mit Feuereifer brenne. Ich höre diese Argumente und denke: Meine Kirche ist alles – aber ganz gewiss nicht ein aus der Zeit gefallenes Relikt, das leider noch nicht gemerkt hat, dass sein Verfallsdatum längst überschritten ist.

 

Bunt und vielfältig

 

Die Kirche, in der ich mich gemeinsam mit vielen anderen Christenmenschen mit Leidenschaft und Herzblut engagiere, ist so bunt und vielfältig, wie das Leben nun mal ist. Meine Kirche - sie ist oft richtig klug, manchmal naseweis, nur selten fehlerfrei, aber immer getrieben von dem Wunsch, die Welt ein bisschen besser zu machen. Sie will sich mit Menschen auf die Suche nach Antworten begeben, wissend, dass sie selbst dabei eine Suchende ist. Sie will sich den Veränderungen der Zeit stellen, immer wieder neu – und weiß, dass sie das tun muss, um eine vernehmbare Stimme im Kanon der Welt zu sein und zu bleiben. Sie will Position beziehen zu den drängenden Fragen unserer Zeit und nimmt dabei immer die Sicht der Randgruppen ein, weil der, der ihr Grund ist und bleibt, Jesus Christus, an den Rändern der Gesellschaft zu finden war. Deshalb verortet sie dort die Mitte ihres Tuns. Sie trägt zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei, ist Trägerin von Kindergärten, Krankenhäusern, Wohnungslosenhilfe, Altenheimen, Flüchtlingsarbeit. Sie geht dahin, wo es manchmal auch richtig weh tut - zu den Kranken und Sterbenden, den Traurigen und Hoffnungslosen, den Heimatlosen und den durch das Raster Gefallenen. Sie ist sich bewusst, dass kein menschliches Leben ohne Brüche abgeht und weiß deshalb, das Gute im Leben als Geschenk Gottes zu feiern.

 

„Meine Kirche will überraschend bleiben“

 

Meine Kirche – sie macht längst nicht alles richtig, ist oft schwerfällig und zu bedächtig. Meine Kirche ist alles andere als das Paradies auf Erden. In ihr sind viele beheimatet, und wo Menschen sind, da menschelt’s nicht nur, sondern kracht’s schon mal richtig. Manchmal möchte man meine Kirche nehmen und schütteln und ihr zurufen, dass sie doch mal einen Zahn zulegen solle. Ich kann das verstehen, wirklich. Es geht mir hin und wieder nicht anders. Aber gerade dafür liebe ich meine Kirche, dass sie sich umschaut und darauf achtet, dass niemand auf der Strecke bleibt. Meine Kirche hinterfragt sich, ist kritisch mit sich selbst, ist getrieben von dem Mut zur und dem Willen nach Veränderung. Meine Kirche will Bewährtes bewahren und sich doch immer wieder orientieren an den Fragestellungen und Herausforderungen der Zeit, in die sie gestellt ist. Meine Kirche will überraschend bleiben, will Menschen mit Aktionen zusammen bringen, die man so nicht bei ihr vermuten würde. Meine Kirche findet es nicht verwunderlich, einen Biergarten zu organisieren oder ein Kirchenkino, sondern sie findet es wunderbar, dort Begegnung inszenieren zu können. Meine Kirche will ihren Beitrag leisten zum gesellschaftlichen Diskurs und sich kräftig einmischen. Sie will die Bach-Kantate und das Jazzkonzert, den Kindergottesdienst und die Frauenhilfe. Meine Kirche ist in ihren Angeboten nie beliebig, denn sie weiß, dass diese niemals zu säkular, zu weltlich sein können, so lange sie sich in ihrem Tun an dem ausrichtet, den sie als ihren Grund bekennt. Meine Kirche weiß, dass das Evangelium erst dann an seinem Ziel ist, wenn es bei den Menschen angekommen ist. Sie lebt von und mit der Hoffnung, dass das Unsichtbare stärker ist als das Sichtbare.

 

„Wir blicken anders in die Welt ...“

 

„Wir haben keine Lösungen parat, einfache Lösungen erst recht nicht. Wir wissen es auch nicht besser als andere, aber wir blicken anders in die Welt und deshalb braucht die Welt uns. Wir sind von einer Verheißung getragen auf Hoffnung hin und die machen wir stark. Diese Hoffnung ist fragwürdig – Gott sei Dank. Sie wird hinterfragt, sie wird befragt, sie wird angefragt, sie wird oft auch infrage gestellt und das ist gut so. Was sollte uns eine Hoffnung bringen, die des Fragens nicht würdig wäre?“ Meine Kirche wählt Frauen an ihre Spitze, die so kluge Dinge sagen. So schließe ich mich den Worten der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Präses Annette Kurschus an: „Ich bin zuversichtlich, weil ich glaube, es geht mit uns Gott weiß wohin.“

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